Uroflowmetrie
Definition
Unter der Uroflowmetrie versteht man die Messung des Harnstrahlvolumens pro Zeitspanne („Harnstrahlmessung“[1] z. B. in ), also „die Bestimmung der pro Zeiteinheit aus der Blase abfließenden Urinmenge“.[2] Die Durchführung dieser Untersuchung ist sehr einfach: Ein Patient, der Harndrang hat, wird gebeten, in einen Trichter zu urinieren. Über eine Sensoreneinheit wird dabei erfasst, wie viel Urin er pro Zeitspanne miktioniert. Die normale Harnflussrate liegt bei mindestens . Erniedrigte Werte können bei einem behinderten Harnabfluss aus der Blase oder einem schwachen Blasenmuskel auftreten. Man spricht dann von Blasenentleerungsstörungen.
Das Ergebnis der Uroflowmetrie ist nur dann aussagekräftig, wenn die Urinmenge (das Miktionsvolumen) übersteigt.[3] In der englischsprachigen Fachliteratur wird die Harnflussrate oft mit oder abgekürzt.[4]
Geschichte
Erste Publikationen über systematische Forschungen zur Uroflowmetrie stammen aus den 1940er und 1950er Jahren. Die Zystomanometrie ist eine ähnliche urodynamische Untersuchung bei Blasenentleerungsstörungen, meistens bei einer Obstruktion der ableitenden Harnwege. Früher sprach man von der Miktionszystourethrographie.
Darstellung
Im Rahmen der Uroflowmetrie sind in einem Koordinatensystem drei verschiedene Darstellungen des Harnausflusses während der Blasenentleerung (Miktion) möglich. Auf der Abszisse wird jeweils die Zeit der Blasenentleerungsdauer in Zeiteinheiten aufgetragen.[5]
- Das Miktionsvolumen steigt mit der Zeit an. Am Ende eines jeden Miktionsvorganges erreicht der Graph sein Maximum. Die Einheit auf der Ordinate ist . Das Miktionsvolumen ist das Integral (Fläche unter der Kurve) der Harnflussrate. Die graphische Darstellung entspricht einem Miktionsprotokoll (Miktiogramm)[6] oder der Ausfuhrseite der Flüssigkeitsbilanz. Die Kurve der Folgemiktion beginnt entweder auf Höhe der letzten Miktion oder aber wieder bei null. Der mittlere Harnfluss für jede Zeitperiode ist der Quotient aus dem erreichten Miktionsvolumen und der dafür benötigten Zeitdauer; die Einheit dieses errechneten Mittelwertes ist . Das Miktionsvolumen entspricht der zurückgelegten Wegstrecke beim Schrittzähler oder beim Kilometerzähler. Als funktionelle Blasenkapazität wird das mittlere Entleerungsvolumen bezeichnet.
- Die Harnflussrate ist die erste Ableitung des Miktionsvolumens nach der Zeit. Die Einheit auf der Ordinate ist . Die Harnflussrate ist ein Maß für die Stärke des Harnflusses. Es handelt sich um das Flüssigkeitsvolumen, das pro Zeiteinheit durch die Urethra ausgeschieden wird. Das Maximum dieser Flusskurve am Ende der Flussanstiegszeit ist der maximale Harnfluss;[7] er entspricht dem Wendepunkt im Miktionsvolumendiagramm. Die Harnflussrate entspricht der Geschwindigkeit beim Fahrtenschreiber oder Tachometer. Üblicherweise wird in der urologischen Praxis nur diese Harnflusskurve ausgedruckt und zur weiteren Diagnostik ausgewertet. Die Harnflussrate ist das Integral der Miktionsbeschleunigung und außerdem die Differenz zwischen glomerulärer Filtrationsrate GFR und tubulärer Resorptionsrate TRR. In Analogie zum Herzzeitvolumen spricht man auch vom Harnzeitvolumen.[8]
- Die Miktionsbeschleunigung als zweite Ableitung des Miktionsvolumens (beziehungsweise als erste Ableitung der Harnflussrate) nach der Zeit hat auf der Ordinate die Einheit . Es handelt sich um die Steigung der Kurve der Harnflussrate. Nach dem Ende der Flussanstiegszeit hat die Beschleunigung nach Überschreiten des Flussmaximums während der sogenannten Verzögerung bis zum Ende der Miktionszeit negative Werte. Diese negative Miktionsbeschleunigung zeigt eine Rechtskrümmung im Miktionsvolumen-Zeit-Diagramm an, also das Plateau am Miktionsende. Die Nullstelle der Miktionsbeschleunigungskurve ist der Zeitpunkt der maximalen Harnflussrate.
Klinische Bedeutung
Bei einer Pollakisurie und bei einer Blasendysfunktion sowie überhaupt bei Harnspeicherstörungen und Blasenentleerungsstörungen ist das jeweilige Harnvolumen meistens gering.
Bei Nierenkrankheiten, bei Harnröhrenstrikturen und bei anderen urologischen Problemen ist die Harnflussrate erniedrigt. Bei Männern mit einer gutartigen Prostatahyperplasie wird die Harnflussrate von der Körperposition beim Urinieren beeinflusst; im Sitzen ist sie um größer als im Stehen.[9]
Je größer die Harnblasenfüllung, desto größer die Miktionsbeschleunigung.
Einzelnachweise
- Helmut Geiger, Dietger Jonas, Tomas Lenz, Wolfgang Kramer (Hrsg.): Nierenerkrankungen, Schattauer Verlag, Stuttgart / New York 2003, ISBN 3-7945-2177-3, S. 451.
- Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, München/Berlin/Wien 1974, Band 6 (S–Zz), ISBN 3-541-84006-4, S. U 41.
- Hans Palmtag, Mark Anton Otto Goepel, Helmut Heidler (Hrsg.): Urodynamik. 2. Auflage, Springer-Verlag, 2007, ISBN 3-540-72505-9, S. 84 ff. (online).
- Hier bedeuten das Volumen und sowie den Volumenfluss – nicht zu verwechseln mit dem dimensionslosen Ventilations-Perfusions-Quotienten bei der Lungenfunktionsprüfung. Hier stehen für die Ventilation (Belüftung) und für die Perfusion (Durchblutung = Lungenzeitvolumen = Herzzeitvolumen). Aber auch hier kann ein zusätzlicher Punkt über den Großbuchstaben die erfolgte erste Ableitung des Volumens nach der Zeit angeben, also den Fluss einer Flüssigkeit oder eines Gasgemisches. (lateinisch quantitas = Menge) ist die übliche Abkürzung für jeden Volumenfluss mit der Dimension Volumen pro Zeit.
- Daniela Schultz-Lampel, Mark Anton Otto Goepel, Axel Haferkamp (Hrsg.): Urodynamik. 3. Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-13015-1, DOI:10.1007/978-3-642-13016-8.
- Günter Thiele: Handlexikon der Medizin. Verlag Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baltimore ohne Jahr [1980], Teil III (L–R), S. 1603.
- Udo Jonas, Helmut Heidler, Klaus Höfner, Joachim W. Thüroff: Urodynamik. 2. Auflage, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 978-3-432-90942-4, S. 26 f.
- Herbert Schwiegk (Hrsg.): Handbuch der inneren Medizin. 5. Auflage, 8. Band, 3. Teil, ISBN 3-540-04152-4, S. 749.
- Ype de Jong, Johannes Henricus Francisca Maria Pinckaers, Robin Marco ten Brinck, Augustinus Aizo Beent Lycklama à Nijeholt, Olaf Matthijs Dekkers: Urinating Standing versus Sitting: Position Is of Influence in Men with Prostate Enlargement. A Systematic Review and Meta-Analysis. In: PLOS ONE. 9, Nr. 7, 2014, S. e101320. bibcode:2014PLoSO...9j1320D. doi:10.1371/journal.pone.0101320. PMID 25051345. PMC 4106761 (freier Volltext).
Weblinks
- Diagnostik: Uroflowmetrie. In: MedizInfo.de.