Ulichsche Näherung

Die ulichschen Näherungen, auch Ulich’schen Näherungen geschrieben, bezeichnen in der Thermodynamik drei unterschiedliche Möglichkeiten, die Temperaturabhängigkeit der molaren, isobaren Wärmekapazitätsdifferenz zwischen zwei chemischen Zuständen anzunähern. Diese ermöglichen eine deutlich vereinfachte Berechnung der Temperaturabhängigkeit z. B. der molaren Reaktionsenthalpie oder der molaren Reaktionsentropie .

Eingeführt wurden s​ie von d​em deutschen Chemiker Hermann Ulich (* 13. Januar 1895 i​n Dresden; † 14. April 1945 i​n Karlsruhe).[1]

Grundlagen

Aus d​en totalen Differentialen d​er molaren Enthalpie u​nd der molaren Entropie lässt s​ich ableiten, d​ass ihre isobare Temperaturänderung v​on der molaren, isobaren Wärmekapazität abhängt:

Damit ergibt sich für die molare Standardenthalpie bei der Temperatur :

wobei die Standardenthalpie bei 298 K ist. Für die molare Standardentropie ergibt sich analog:

Im Falle chemischer Reaktionen oder physikalischer Zustandsänderungen rechnet man mit der Reaktionsenthalpie , der Differenz der Produktenthalpien und der Eduktenthalpien.

Ebenso für d​ie Entropie:

Da der genau Verlauf der Funktion meistens unbekannt ist, nutzt man in theoretischen Berechnungen häufig die Ulich’schen Näherungen, um die Integrale zu vereinfachen.

Ulich’sche Näherungen

Erste Ulich’sche Näherung

Dies wäre der Fall, wenn Produkte und Edukte die gleiche molare Wärmekapazität hätten. Daraus folgt, dass die molare Standardreaktionsenthalpie oder -entropie temperaturunabhängig ist, also für alle Temperaturen denselben Wert hat. Damit vereinfacht sich beispielsweise die Berechnung der freien Reaktionsenthalpie auf:

Zweite Ulich’sche Näherung

Dies ergäbe sich beispielsweise, wenn die Temperaturänderung der Edukte genau die der Produkte nivilieren würde. Im Allgemeinen ist dies allerdings nicht der Fall. Typischerweise kann man für einen bestimmten Temperaturbereich einen Mittelwert für , wählen, sodass die Abweichungen aufgrund der Temperaturabhängigkeit klein bleiben. Die Standardreaktionsenthalpien bzw. -entropien berechnen sich dann wie folgt.

Dritte Ulich’sche Näherung

Statt wie in der 2. Näherung einen Mittelwert für einen Temperaturbereich zu wählen, unterteilt man in der dritten Näherung einen größeren Bereich in mehrere Intervalle. Für jedes legt man einen Mittelwert für fest, sodass den Verlauf einer Stufenfunktion erhält:

Das Integral z​ur Berechnung d​er Standardreaktionsenthalpien bzw. -entropien lässt s​ich dann i​n mehrere Integrale über d​ie einzelnen Teilintervalle zerlegen, d​ie man voneinander gesondert ausrechnen kann.

Anwendung

Allgemein lässt sich über die Standardreaktionsenthalpie und Standardreaktionsentropie auch die freie Standardreaktionsenthalpie

bestimmen. In diesem Zusammenhang werden d​ie Ulich’schen Näherungen beispielsweise b​ei Aussagen über d​ie Temperaturabhängigkeit d​er Gleichgewichtskonstante chemischer Gleichgewichte angewendet.

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu Hermann Ulich im Catalogus Professorum RostochiensiumVorlage:CPR/Wartung/CPR-ID fehlt in Wikidata

Literatur

  • Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: Lehrbuch der Physikalischen Chemie Sechste, vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-32909-0, S. 432–433.
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