Totora-Schilf
Das Totora-Schilf (Schoenoplectus californicus) ist eine Pflanzenart in der Gattung der Teichbinsen (Schoenoplectus) aus der Familie der Sauergrasgewächse (Cyperaceae). Die Art gedeiht in Feuchtgebieten auf dem nord- und südamerikanischen Kontinent und auf der Osterinsel. Sie wurde von verschiedenen Kulturen vielfältig wirtschaftlich genutzt.
Totora-Schilf | ||||||||||||
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Blütenstand Totora-Schilf (Schoenoplectus californicus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Schoenoplectus californicus | ||||||||||||
(C.A.Mey.) Soják |
Beschreibung
Totora-Schilf bildet 10 bis 15 Millimeter durchmessende Rhizome aus. Der Halm ist stumpf dreieckig mit fast flachen Seiten bis fast zylindrisch. Er ist glatt, daumendick und bis zu 3 Meter lang.
Basal bilden sich drei bis vier Blätter, die etwa ein Sechstel der Halmlänge erreichen. Die Blattscheiden sind an der Vorderseite grob gefiedert bis ausgefranst. Die Blattspreiten fehlen ganz oder erreichen nicht mehr als die halbe Länge der Blattscheiden. Sie werden etwa 20 Millimeter lang und ungefähr 2 Millimeter breit.
Die Blütenstände sind dreifach oder öfter verzweigt und erreichen Höhen bis 21 Zentimeter. Die Tragblätter sind aufrecht und dreieckig bis zylindrisch. Sie messen zwischen 1 und 8 Zentimeter. Die Blattränder der Tragblätter sind häufig rau und trockenhäutig.
Es bilden sich zwischen 25 und über 150 Ährchen, die einzeln oder in Gruppen stehen. Die Ährchen messen 5 bis 11 Millimeter in der Länge und etwa 3 Millimeter im Durchmesser. Die Spelzen sind orange-braun und hell länglich gefleckt. Sie sind breit-oval und messen 2,5 mal 2 Millimeter. Die Spelzenränder sind bewimpert und die Spitzen abgeflacht. Sie sind zwischen 0,1 und 0,2 Millimeter tief eingekerbt. Die Grannen sind nicht verwunden und für gewöhnlich nach außen gestreckt. Sie sind etwa 0,3 Millimeter lang.
Die zwei bis vier Blütenhüllblätter der zwittrigen Blüten sind dunkel rötlich-braun und dick laschenförmig oder dreikantig. Sie sind mit weichen, stumpfen Haaren besetzt. Die Antheren messen etwa 1,5 Millimeter, der Griffel ist 2-spaltig.
Die Achänenfrüchte sind dunkel grau-braun, einseitig abgeflacht und eiförmig, sowie apical bespitzt. Sie messen 1,8–2,2 mal 1,3 Millimeter.
Die Chromosomenzahl ist 2n = 68.
Verbreitung und Standort
Totora-Schilf besiedelt Uferzonen von Flüssen, Teichen und Seen in ausgedehnten Kolonien und verträgt auch Brackwasser. Es wächst sowohl in Meereshöhe als auch am 3.812 Meter hoch gelegenen Titicacasee.
Die Verbreitung reicht von Kalifornien im Norden bis nach Argentinien und Chile im Süden und schließt die karibischen Inseln ein. Die Verbreitung der Pflanze auf der isoliert gelegenen Osterinsel erfolgte nach archäobotanischen Untersuchungen lange vor der Besiedlung durch den Menschen, vermutlich durch den Kot von Vögeln, ausgehend vom amerikanischen Festland.[1] Heute gibt es in den Kraterseen des Rano Kao und des Rano Raraku noch ausgedehnte Bestände.
Neophytische Vorkommen finden sich auf Hawaii, den Cookinseln und in Neuseeland.
Bedeutung und Verwendung
Das Stängelinnere ist von Hohlräumen durchsetzt. Die abgeschnittenen, getrockneten und gebündelten Stängel haben im Wasser einen hohen Auftrieb. Das war die Grundlage für eine vielfältige, bis heute anhaltende wirtschaftliche Nutzung. Verschiedene nordamerikanische Indianerstämme, die Chimu, die Mochica und die Osterinsel-Kultur verwendeten gebündelte Totora-Stängel zum Bau von Kanus, Schwimmhilfen und Flößen. Das Volk der Urus lebt heute noch auf schwimmenden Inseln aus Totora-Schilf im Titicaca-See. Häuser und Boote der Urus sind ebenfalls aus Schilf gebaut. Im Norden Perus spielen aus Totora-Schilf gebaute Boote, die dort als Caballito de Totora bezeichnet werden, eine wichtige Rolle in der Küstenfischerei.
Auch in der Osterinsel-Kultur wurde Totora-Schilf vielfältig genutzt. Nach einem Bericht von William Thomson, der 1886 die Osterinsel besuchte, waren die runden, an umgedrehte Boote erinnernden Paenga-Häuser mit Totora-Stängeln gedeckt.[2]:454 Man verflocht sie außerdem zu Matten,[2]:468 Körben, wasserabweisenden Capes und kleinen, dreieckigen Hüten für die Frauen.[3] Totora wurde aber auch für die Herstellung sakraler Figuren, der riesigen, bis vier Meter hohen Paina-Figuren, gebraucht.[4]
Nach Meinung von Thor Heyerdahl stellten die Osterinsulaner Kanus aus Schilfbündeln her, die angeblich so groß waren, dass sie drei Segel tragen konnten. Es gibt Petroglyphen, die eine solche Annahme stützen könnten.[5] Auf den Platten einiger Steinhäuser in Orongo sind halbmondförmige Boote abgebildet, die ein bis drei Masten tragen. Am Rano Raraku ist auf der Brust eines der dort stehenden Moai ein Boot mit Masten und Segeln eingeritzt. Bei diesen Darstellungen ist allerdings zu bedenken, dass sie aus der Spätzeit stammen, als die Insulaner bereits Kontakt mit Europäern hatten. Die Zeichnungen dürften daher eher naive Abbildungen europäischer Segelschiffe sein, worauf auch die Anordnung der Masten und Segel (Rahsegel)[Anm. 1] hindeutet. In Berichten der europäischen Entdecker werden große Schilfboote nicht erwähnt. Ob es auf der Osterinsel hochseetüchtige Boote aus Totora-Schilf gegeben hat, muss daher Spekulation bleiben, eindeutige archäologische Beweise gibt es dafür nicht.
Anmerkungen
- Rahsegel waren den polynesischen Kulturen unbekannt, die Kanus waren mit Krebsscherensegeln bestückt.
Quellen
Die Informationen dieses Artikels entstammen, wenn nicht anders angegeben, der unter Literatur bezeichneten Quelle:
Literatur
- S. Galen Smith: Schoenoplectus californicus. In: Flora of North America. Band 23. Oxford University Press, USA, Oxford 2003, ISBN 978-0-19-515207-4, S. 50 (online).
Einzelnachweise
- John Flenley: Late Quaternary Pollen Records from Easter Island. In: Nature – International weekly journal of science. Band 307 (1984), S. 47–50, doi:10.1038/307047a0.
- William Thomson: Te Pito Te Henua, or Easter Island. Report of the National Museum, Washington 1891, archive.org.
- Felipe González de Haedo in Bolton Glanville Corney: The voyage of Captain Don Felipe González in the ship of the line San Lorenzo, with the frigate Santa Rosalia. Cambridge 1903, archive.org.
- Jean-François de La Pérouse: La Perousen´s Entdeckungsreise in den Jahren 1785, 1786, 1787 und 1788. herausgegeben von M.C.A. Milet Mureau, aus dem Französischen übersetzt von J.R. Forster und E.L. Sprengel, Berlin 1799, S. 218, Digitalisat .
- Thor Heyerdahl: Die Kunst der Osterinsel. Bertelsmann, München-Gütersloh-Wien, 1975, ISBN 3-570-00038-9, S. 92, Abb. 21–23 sowie Tafel XII und XV.