Torvoneustes
Torvoneustes (lat. torvus: "wild" und altgr. neustes: "Schwimmer") ist eine Gattung ausgestorbener Meereskrokodile aus der Familie Metriorhynchidae, deren Fossilien im Oberjura des Vereinigten Königreichs und Mexikos gefunden wurden.
Torvoneustes | ||||||||||||
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Zeitliches Auftreten | ||||||||||||
Oberjura (?Oxfordium bis Kimmeridgium) | ||||||||||||
160,8 bis 152,1 Mio. Jahre | ||||||||||||
Fundorte | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Torvoneustes | ||||||||||||
De Andrade et al., 2010 | ||||||||||||
Arten | ||||||||||||
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Beschreibung
Die Gattung Torvoneustes umfasst mehrere Arten großer Meereskrokodile. Wie seine nächsten Verwandten verfügte Torvoneustes aller Wahrscheinlichkeit nach über verschiedene Anpassungen an eine marine Lebensweise, darunter zu Paddel umgewandelte Gliedmaßen, eine Schwanzflosse sowie der Verlust der für Krokodile ansonsten typischen Osteoderme. T. coryphaeus wurde auf eine Länge von 3,7 Metern geschätzt, T. carpenteri auf 4 bis 4,7 Meter. Andere Torvoneustes-Exemplare sind wohl sogar noch größer geworden.[1]
Fossilien des Schädels sind von allen drei Torvoneustes-Arten bekannt. Wie alle Metriorhynchiden hatte Torvoneustes eine verhältnismäßig lange Schnauze und stark vergrößerte obere Schläfenfenster. Der Schädel von Torvoneustes unterscheidet sich von anderen Metrioryhnchiden unter anderem durch seine Robustheit und dem Fehlen von Ornamentierungen an den Schädelknochen. T. carpenteri und T. coryphaeus können anhand unterschiedlicher Knochen voneinander unterschieden werden.
Die drei bis jetzt bekannten Torvoneustes-Arten lassen sich deutlich anhand der Zähne voneinander unterscheiden. Die Zähne sind bei Torvoneustes wie bei den meisten anderen Krokodilartigen in etwa kegelförmig und verfügen über einen strukturierten Zahnschmelz. Bei T. carpenteri sind die Zähne fast gerade und seitlich leicht zusammengedrückt, außerdem ist der Zahnschmelz selbst im Bereich der Schneidkanten strukturiert. Die Zähne von T. coryphaeus sind dagegen deutlich nach hinten gebogen und seitlich abgeflacht, der Bereich um die Schneidkanten ist nicht strukturiert. T. mexicanus schließlich vereinigt Merkmale von den vorherigen Arten mit stark nach hinten gebogenen Zahnkronen und einem strukturierten Zahnschmelz im Schneidkantenbereich. T. carpenteri hatte an jedem Kieferast 14 Zähne. Das sind mehr als bei Dakosaurus, aber deutlich weniger als bei Metriorhynchus.
Fossilien des restlichen Skeletts sind nur von der Typusart T. carpenteri überliefert. Diese umfassen eine unvollständige Wirbelsäule, verschiedene Rippen, einen Oberarmknochen und weitere mögliche Reste der Vordergliedmaßen, beide Oberschenkelknochen sowie das linke Sitzbein.
Forschungsgeschichte
Zähne, die heute Torvoneustes zugeordnet werden, sind schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt.[1] Der Holotyp von T. carpenteri wurde 2005 in der Nähe von Westbury (Wiltshire) in den Schichten des Kimmeridge Clays gefunden und 2008 von Laura Wilkinson und Kollegen als neue Art von Dakosaurus beschrieben. Young & De Andrade (2009) haben die Art dagegen wenig später zur Gattung Geosaurus gestellt.[2] Wieder nur ein Jahr später hebten De Andrade und Kollegen die Unterschiede zu bereits bekannten Metriorhynchiden hervor und stellten die Fossilien in die neue Gattung Torvoneustes.
Eine zweite Torvoneustes-Art, T. coryphaeus, wurde 2013 von Mark Thomas Young und Kollegen anhand eines Schädelrests aus tieferen Schichten des Kimmeridge Clays beschrieben. Das Fossil wurde 2006 unterhalb einer Deponie in der Nähe von Swindon geborgen.
Im Jahr 2016 betrachteten Jair I. Barrientos-Lara und Kollegen erneut die Kieferreste eines Meeresreptils, die nahe Tlaxiaco im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca gefunden wurden. Das Fossil wurde bereits über ein Jahrhundert zuvor gefunden und 1910 von George Reber Wieland als neue Art von Plesiosaurus beschrieben. Young et al. (2010) erkannten das Fossil erstmals als Meereskrokodil und ordneten es unter Vorbehalt Geosaurus zu.[3] Barrientos-Lara et al. (2016) schließlich heben die Gemeinsamkeiten zu den englischen Torvoneustes-Funden hervor und beschreiben die Art als Torvoneustes mexicanus.
Weitere nicht näher bestimmbare Torvoneustes-Funde stammen aus dem Oberjura von Dorset und Oxfordshire.[1]
Stammesgeschichte und Systematik
Äußere Systematik
Torvoneustes gehört nach heutiger Ansicht innerhalb der Thalattosuchia zur Familie Metriorhynchidae. Darin ist die Gattung Teil der Unterfamilie Geosaurinae und wird mit anderen fortschrittlicheren Geosaurinen wie Dakosaurus oder Plesiosuchus im Tribus Geosaurini zusammengefasst. Als nächste Verwandte von Torvoneustes gelten aktuell Tyrannoneustes aus dem Mitteljura von England und Deutschland und Purranisaurus aus dem Oberjura von Argentinien sowie weitere nur spärlich bekannte Tiere aus dem Oberjura von Europa.[4]
Gekürztes Kladogramm nach Abel et al. (2020).[4]
Metriorhynchidae |
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Innere Systematik und Evolution
Aktuell werden Torvoneustes drei verschiedene Arten zugeordnet:
- T. carpenteri (Wilkinson et al. 2005), oberes Kimmeridgium, Vereinigtes Königreich.
- T. coryphaeus Young et al. 2013, unterstes Kimmeridgium, Vereinigtes Königreich.
- T. mexicanus (Wieland 1910), Oberjura, Mexiko.
Laut Young et al. (2020) lassen sich innerhalb von Torvoneustes verschiedene makroevolutionäre Trends feststellen. So hat sich bei der Gattung im Laufe des Kimmeridgiums unter anderem die Anzahl der Zähne reduziert und ihre Gestalt verändert, die Deckknochen des Schädels wurden glatter und die Proportionen des Schädels haben sich verändert. Eventuell kam es auch insgesamt zu einer Größenzunahme des gesamten Körpers. Young et al. (2020) interpretieren dies als einen hohen Selektionsdruck, dem die Gattung in diesem Zeitalter ausgesetzt war. Grund könnte eine Anpassung an das Fressen großer Beutetiere sein.[1] Bislang einzigartig für einen Metiorhynchiden, hat sich bei Torvoneustes der innere Kaumuskel im Vergleich zum äußeren vergrößert.
Literatur
- Barrientos-Lara, J. I., Herrera, Y., Fernandez, M. S., & Alvarado-Ortega, J. (2017). Occurrence of Torvoneustes (Crocodylomorpha, Metriorhynchidae) in marine Jurassic deposits of Oaxaca, Mexico. Revista Brasileira de Paleontologia, 19(3), 415–424. doi:10.4072/rbp.2016.3.07
- De Andrade, M. B., Young, M. T., Desojo, J. B., & Brusatte, S. L. (2010). The evolution of extreme hypercarnivory in Metriorhynchidae (Mesoeucrocodylia: Thalattosuchia) based on evidence from microscopic denticle morphology. Journal of Vertebrate Paleontology, 30(5), 1451–1465. doi:10.1080/02724634.2010.501442
- Young, M. T., De Andrade, M. B., Etches, S., & Beatty, B. L. (2013). A new metriorhynchid crocodylomorph from the Lower Kimmeridge Clay Formation (Late Jurassic) of England, with implications for the evolution of dermatocranium ornamentation in Geosaurini. Zoological Journal of the Linnean Society, 169(4), 820–848. doi:10.1111/zoj12082
- Wilkinson, L. E., Young, M. T., & Benton, M. J. (2008). A new metriorhynchid crocodilian (Mesoeucrocodylia: Thalattosuchia) from the Kimmeridgian (Upper Jurassic) of Wiltshire, UK. Palaeontology, 51(6), 1307–1333. doi:10.1111/j.1475-4983.2008.00818.x
Einzelnachweise
- Young, M. T., Foffa, D., Steel, L., & Etches, S. (2020). Macroevolutionary trends in the genus Torvoneustes (Crocodylomorpha: Metriorhynchidae) and discovery of a giant specimen from the Late Jurassic of Kimmeridge, UK. Zoological Journal of the Linnean Society, 189(2), 483–493. doi:10.1093/zoolinnean/zlz101
- Young, M. T., & de Andrade, M. B. (2009). What is Geosaurus? Redescription of Geosaurus giganteus (Thalattosuchia: Metriorhynchidae) from the Upper Jurassic of Bayern, Germany. Zoological Journal of the Linnean Society, 157(3), 551–585.
- Young, M. T., Brusatte, S. L., Ruta, M., & de Andrade, M. B. (2010). The evolution of Metriorhynchoidea (Mesoeucrocodylia, Thalattosuchia): an integrated approach using geometric morphometrics, analysis of disparity, and biomechanics. Zoological Journal of the Linnean Society, 158(4), 801–859.
- Abel, P., Sachs, S., & Young, M. T. (2020). Metriorhynchid crocodylomorphs from the lower Kimmeridgian of Southern Germany: evidence for a new large-bodied geosaurin lineage in Europe. Alcheringa: An Australasian Journal of Palaeontology, 1–15. doi:10.1080/03115518.2019.1701079