Territorialkonflikte zwischen Griechenland und der Türkei
Die Territorialkonflikte zwischen Griechenland und der Türkei bezeichnen den Streit beider Länder um Hoheitsrechte im Mittelmeer. Die aktuellen Positionen der beiden Nachbarländer in dem seit den 1980er Jahren währenden Konflikt um Gebiete in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer schließen sich gegenseitig aus. Beide NATO-Mitglieder befürchten, dass sie vom jeweilig Anderen vor der eigenen Küste geographisch eingeschnürt werden.
Position der Türkei
Die Türkei beansprucht im Rahmen ihrer besonders unter der Regierung Erdoğan geförderten Doktrin „Blaues Vaterland“ große Meeresgebiete vor ihren Küsten. Sie lehnt die Auslegung, vom griechischen Festlandsockel auszugehen, ab, da dann durch die vielen kleinen griechischen Inseln wie Kastellorizo, die nur zwei Kilometer vor der türkischen Küste liegt, Griechenland eine Seefläche von 40.000 Quadratkilometern für sich beanspruchen könnte.
Nach ihrer Strategie vom „Blaue Vaterland“ („Mavi Vatan“) erhebt die Türkei Anspruch auf Seegebiete von insgesamt 462.000 Quadratkilometern im Schwarzen Meer, in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. Bei einer Umsetzung würde die Ägäis bis an die Ostküste von Kreta und Teile des Mittelmeers weit südlich von Zypern zur türkischen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) gehören und die griechischen Inseln in dem Gebiet würden zu Enklaven.[1]
Position Griechenlands
Griechenland verweist auf eine Auslegung internationaler Rechtsnormen wie das Seerechtsübereinkommen, nach dem selbst kleine Ägäis-Inseln vor der türkischen Küste große Seegebiete besitzen können. Jede bewohnte Ägäis-Insel, die einen eigenen Festlandsockel besitzt, bilde die Grundlage für eine ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) nach der UN-Seerechtskonvention von 1982. Athen geht davon aus, dass die Inseln eine Fortsetzung des griechischen Festlandes sind.
Geschichte
Bereits 1936 erweiterte Griechenland seine Hoheitsgewässer von drei auf sechs Seemeilen und vergrößerte damit seine Ansprüche in der Ägäis. Die Türkei zog 1964 nach und erweiterte ihre Grenze seeseitig auf sechs Meilen. Griechenland behält sich das Recht vor, die Hoheitsansprüche auf die international üblichen zwölf Seemeilen auszudehnen. Sollte Griechenland dies umsetzen, würde die Ägäis in den Augen der Türkei praktisch ein griechisches Binnenmeer. Die Türkei erklärte deshalb eine Ausdehnung auf zwölf Meilen durch Griechenland in der Ägäis, offiziell zum Kriegsgrund.
1996 besetzte die Türkei in einer nächtlichen Operation eine der beiden unbewohnten Imia-Inseln in der Ost-Ägäis durch Kommandoeinheiten des Militärs. Ein Hubschrauber der griechischen Marine stürzte bei einem Beobachtungsflug über Imia ab und alle drei Insassen starben. Die griechische Seite machte inoffiziell dafür einen möglichen türkischen Beschuss verantwortlich. US-Präsident Bill Clinton und die Nato-Spitze intervenierten, so dass sich die griechischen und türkischen Kriegsschiffe um die Inseln zurückzogen.[2]
Ab 2020 eskalierte der Gasstreit im Mittelmeer zunehmend. Staatspräsident Erdoğan ließ in Seegebieten, die Griechenland und Zypern als AWZ beanspruchen, nach Gas und Öl suchen. Die EU-Außenminister beschlossen daraufhin Sanktionen gegen Ankara.[3]
Am 14. August 2020 kam es im östlichen Mittelmeer zu einer Karambolage zwischen der türkischen Fregatte Kemal Reis und der griechischen Fregatte Limnos. Das türkische Kriegsschiff gehörte zum Geleitzug des Forschungsschiffs Oruç Reis. Das Forschungsschiff suchte in einem Seegebiet 110 Seemeilen (etwa 200 Kilometer) südlich der türkischen Küste mit seismischen Geräten des Meeresbodens nach Gas und Öl ab. Nach Auffassung Ankaras lag der Operationsradius des Schiffs innerhalb der AWZ der Türkei. Athen beansprucht dasselbe Seegebiet für die griechische AWZ. Die Kemal Reis fuhr der Limnos seitlich vor den Bug und wurde dadurch im Heckbereich beschädigt. Die Limnos blieb weitgehend unbeschädigt.[4]
Siehe auch
Einzelnachweise
- Deutsche Welle (www.dw.com): Hart an der Grenze - Neuer Streit zwischen Athen und Ankara | DW | 25.05.2020. Abgerufen am 2. November 2020 (deutsch).
- Nordwest-Zeitung: Nwz-Analyse Zur Kriegsgefahr Im Mittelmeer: Wenn es sein muss, auch mit der Waffe. Abgerufen am 2. November 2020.
- Konflikt mit der Türkei: Drohende Eskalation im Erdgasstreit: Griechischer Premier telefoniert mit Merkel. Abgerufen am 2. November 2020.
- Blogbeitrag / Eskalation im östlichen Mittelmeer. Abgerufen am 2. November 2020.