Suides Herpesvirus 1
Das Suide Herpesvirus 1 (SuHV-1) – früher auch als Pseudorabies-Virus (PrV), Pseudowut-Virus und Aujeszky-Virus bezeichnet – ist ein Virus, das bei Hausschweinen die Pseudowut (Aujeszky-Krankheit) verursacht. Es hat ein für Herpesviren ungewöhnlich breites Wirtsspektrum.
Suides Herpesvirus 1 | ||||||||||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||||||||||
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Taxonomische Merkmale | ||||||||||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||||||||||
Suid alphaherpesvirus 1 | ||||||||||||||||||||
Kurzbezeichnung | ||||||||||||||||||||
SuHV-1 | ||||||||||||||||||||
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Merkmale
Das SuHV-1 ist membranumhüllt, enthält doppelsträngige DNA (dsDNA) und ein ikosaedrisches Kapsid mit 162 Kapsomeren; das Virion ist 150–200 nm im Durchmesser groß. Das SuHV-1 gehört zur Gattung Varicellovirus, zur Unterfamilie der Alphaherpesvirinae und zur Familie der Herpesviridae. Mit den Herpes-simplex-Viren und dem ebenfalls humanpathogenen Varizella-Zoster-Virus ist es nahe verwandt, da es mit diesen einen großen Teil seines Genoms teilt.
Der Reservoir- bzw. Hauptwirt des SuHV-1 ist das Hausschwein, an welchen es wie alle Herpesviren gut angepasst ist. Es können allerdings die meisten Säugetiere, ausgenommen höhere Primaten inklusive des Menschen, infiziert werden. Bei der Übertragung auf Säugetiere außerhalb des natürlichen Wirtes, kommt es zu tödlich verlaufenden, generalisierten Infektionskrankheiten.
Geschichte
Das SuHV-1 wurde erstmals 1902 vom ungarischen Veterinär Aladár Aujeszky wissenschaftlich beschrieben, weswegen die von ihm ausgelöste Krankheit unter anderem auch als Aujeszky’sche Krankheit bezeichnet wird.[2] Die ersten beschriebenen Fälle stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert in den USA, wo die Krankheit wegen der Symptomatik mad itch genannt wurde.[3] In Europa hingegen wurde die Krankheit als Pseudowut bzw. im englischen Sprachraum als pseudorabies bezeichnet, da die Symptome bei Kaninchen denen der Tollwut ähneln.[4] Die virale Natur des PrV wurde kurz nach seiner Entdeckung bestätigt.[5] Erst in den 1930er Jahren wurde es als Auslöser der mad itch identifiziert und das Schwein als für dieses empfänglich und natürlicher Wirt beschrieben.[6][7]
Durch seine breite Wirtspalette und die hohe Homologie innerhalb der Herpesviridae avancierte das SuHV-1 zu einem wichtigen Modellvirus, um die Herpesvirus-Biologie in Zellkulturen und im natürlichen Wirt zu untersuchen. Außerdem findet das SuHV-1 Anwendung in der Erforschung von neuronalen Netzwerken, da es durch seine neurotropen Eigenschaften als neuronaler Tracer verwendet werden kann.[8][9]
Genom
Das Genom des SuHV-1 wurde im Jahr 2004 komplett sequenziert und hat einen ungewöhnlich hohen GC-Gehalt von durchschnittlich 74 % bei insgesamt etwa 143.000 Basenpaaren (143 kbp). Es ist wie bei allen Alphaherpesviren in vier generelle Strukturkomponenten eingeteilt: die Unique-short-Region (US oder USR) und die Unique-long-Region (UL oder ULR), welche Einzelkopiegene enthalten, und zwei Inverted-Repeat-Sequenzen. Eine dieser Sequenzen befindet sich zwischen US- und UL-Region und wird darum als Internal-Repeat-Sequenz bezeichnet (IRS), während die andere sich am Ende des Genoms befindet und somit als Terminal-Repeat-Sequenz (TRS) bezeichnet wird. Dadurch, dass die US-Region von Inverted-Repeat-Sequenzen flankiert wird, gibt es zwei Isomere des Genoms mit gegensätzlich orientierten US-Regionen. Die biologische Relevanz dieser Isomere ist allerdings unklar.[10]
Es wurden über 70 offene Leserahmen identifiziert, die für 70 virale Proteine kodieren. Etwa die Hälfte davon wurden als Strukturproteine beschrieben.[10] Die Anordnung der Leserahmen ist größtenteils kolinear zum HSV-1. Die einzige Ausnahme ist eine Inversion von etwa 40 kbp, welche die Gene UL27 bis UL44 betrifft.[11][12]
Pathogenese
Infektion bei Schweinen (Hauptwirt)
Bei Schweinen erfolgt die Übertragung hauptsächlich oronasal.[6] Die Ausbreitung in das Zentralnervensystem verursacht bei dortiger Replikation eine nicht-eitrige Meningoenzephalitis. Die Schwere der Erkrankung ist abhängig von der Virulenz des Stammes sowie vom Alter und Immunstatus der infizierten Tiere.[13][14] Je älter ein Tier ist, desto schwächer sind apparente Symptomatik und zentralnervöse Symptome. Stattdessen nehmen respiratorische Symptome zu. Zum Krankheitsbild gehören Fieber, Anorexie, Antriebslosigkeit, Husten, Schnupfen, Krämpfe, Zittern und Lähmungen (vor allem der Hinterbeine). Saugferkel zeigen schwere zentralnervöse Erscheinungen und die Mortalitätsrate liegt in den ersten Lebenswochen bei nahezu 100 %, während sie bei erwachsenen Tieren nur noch bei 1–2 % liegt. Infizieren sich tragende Sauen mit dem SuHV-1, führt dies in den meisten Fällen zum Absterben des Embryos, zu Totgeburten oder zu mumifizierten Föten.[15][16][17]
Nach einer überstandenen akuten Infektion liegt das Virus, wie auch bei allen anderen Herpesviren, lebenslang latent im Wirt vor und wird bei Reaktivierung ausgeschieden.
Infektion bei Nebenwirten
Obwohl die meisten Säugetieren wie Rinder, Schafe, Hunde, Katzen, Nagetiere, Kaninchen, Meerschweinchen, Kojoten, selten auch Pferde und Ziegen für das SuHV-1 empfänglich sind, sind der Mensch und höhere Primaten in vivo aus unbekannten Gründen immun. Auch Hühner können vom SuHV-1 befallen werden. Nach dem Konsum von SuHV-1-infiziertem Fleisch können auch Raubtiere wie Bären und Wildkatzen infiziert werden.[4][18][19][20][21]
In allen Nebenwirten verläuft eine Infektion binnen weniger Tage tödlich. Die Symptome sind dabei schnell ansteigendes Fieber und starker Juckreiz an der Stelle des Virus-Eintritts. Dieser Juckreiz kann bis zur Selbstverstümmelung führen, weswegen die Pseudowut in den USA als mad itch ("verrücktes Jucken") bezeichnet wurde.[22][15][23]
Impfung
Impfstoffe gegen das SuHV-1 sind verfügbar, aber sie schwächen lediglich die Symptome und minimieren die Ansteckung.[24] Einer der SuHV-1-Impfstoffe (OMNIVAC-PRV) war der weltweit erste eingesetzte, rekombinant hergestellte Lebendimpfstoff.[25]
In Deutschland wurde 1989 ein SuHV-1-Ausrottungsprogramm gestartet, welches dazu führte, dass Deutschland seit 2001 offiziell SuHV-1-frei ist.[26]
Einzelnachweise
- ICTV:ICTV Taxonomy history: Human alphaherpesvirus 1, EC 51, Berlin, Germany, July 2019; Email ratification March 2020 (MSL #35)
- Aujeszky A: Über eine neue Infektionskrankheit bei Haustieren. In: Cent. für bakteriol. Parasitenkd. Infekt. 1 Abt Orig.. 32, Nr. 5, 1902, S. 353–357.
- Hanson RP: The history of pseudorabies in the United States. In: J. Am. Vet. Med. Assoc.. 124, Nr. 925, April 1954, S. 259–261. PMID 13142964.
- Pomeranz LE, Reynolds AE, Hengartner CJ: Molecular Biology of Pseudorabies Virus: Impact on Neurovirology and Veterinary Medicine. In: Microbiol. Mol. Biol. Rev.. 69, Nr. 3, September 2005, S. 462–500. doi:10.1128/MMBR.69.3.462-500.2005. PMID 16148307. PMC PMC1197806 (freier Volltext).
- Schmiedhoffer J: Beiträge zur Pathologie der infektiösen Bulbärparalyse (Aujeszkyschen Krankheit). In: Z. für Infekt. Parasitäre Krankh. Hyg. Haustiere. 8, 1910, S. 382–405.
- Shope RE: Pseudorabies as a Contagious Disease in Swine. In: Science. 80, Nr. 2065, Juli 1934, S. 102–103. doi:10.1126/science.80.2065.102. PMID 17743175.
- Shope RE: An experimental study of ‚mad itch‘ with especial reference to its relationship to pseudorabies. In: J. Exp. Med.. 54, Nr. 2, Juli 1931, S. 233–248. doi:10.1084/jem.54.2.233. PMID 19869913. PMC PMC2131951 (freier Volltext).
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