Sud Radio
Sud Radio ist der Name eines französischsprachigen Privatradios mit Südwestfrankreich als Hauptsendegebiet.
Von 1958 bis 1981 sendete Sud Radio aus Andorra, vor allem über die Mittelwellenfrequenz 818 Kilohertz (367 Meter), später aus Toulouse. Im Jahr 2016 beschloss die Direktion des Senders den Umzug nach Paris und die Aufgabe der regionalen Ausrichtung des Senders, der heute mit folgenden Mitteln sendet:
- zahlreiche UKW-Sender, insbesondere in Südwestfrankreich
- über Astra (Satellit)
- über das Internet
Geschichte
1951–1958: Gründung auf Druck der französischen Regierung
Am 29. Oktober 1951 wurde auf Betreiben der französischen Regierung die Gesellschaft ANDORRADIO S.A. zum Betrieb eines kommerziellen Radiosenders in Andorra gegründet. Der sozialistischen Regierung unter Staatspräsident Vincent Auriol, Fürsprecher des staatlichen Rundfunkmonopols, ging es darum, den außerhalb der Kontrolle des französischen Staates stehenden teils französischsprachigen Musiksender Radio Andorra auszuschalten oder wenigstens dessen überwiegend französische Hörerschaft durch einen attraktiven Konkurrenzsender zu schmälern. Da Andorra seit dem Mittelalter von zwei Co-Fürsten, dem Präsidenten Frankreichs (in Rechtsnachfolge der Grafen von Foix) und dem Bischof von La Seu d’Urgell, regiert wurde, war Vincent Auriol überzeugt, Radio Andorra die Sendelizenz entziehen und den Bau des neuen Rundfunksenders Andorradio durchsetzen zu können.
Doch sprach sich der Rat der Täler ebenso wie der spanische Co-Fürst Andorras für den Fortbestand von Radio Andorra aus und willigten in die Errichtung eines weiteren Senders nicht ein, woraufhin sich die Lage zu einem internationalen Konflikt zuspitzte: Im Juni 1953 schloss Frankreich für ein halbes Jahr die Grenze nach Andorra, im September sprach Vincent Auriol dem Rat der Täler die Zuständigkeit ab, und Spanien sah sich gezwungen, im Sinne des Co-Fürsten von Urgell einzugreifen. Der Bau des Senders von Andorradio begann schließlich ohne Klärung der Rechtsverhältnisse, und 1954 strahlte Andorradio Testsendungen aus.
Nachdem der Bischof von Urgell einer Sendezeit von zwei Stunden täglich zugestimmt hatte, ging am 18. September 1958 Andorradio in einem Umfeld politischer Spannungen auf Sendung. Gesendet wurde ein tägliches sechsstündiges Musikprogramm aus dem Studio in Andorra la Vella, die Sendeleistung betrug 120 kW.
1958–1981: Aufstieg zu einem führenden Radiosender der Region
Aufgrund der häufigen Verwechslung mit Radio Andorra änderte Andorradio seinen Namen in Radiodiffusion des Vallées d'Andorre/Radio des Vallées (Rundfunk der Täler Andorras). Anfang 1960 wurden täglich bereits 13 Stunden Musikprogramm mit Ansagen in Französisch und Katalanisch ausgestrahlt.
Der Rat der Täler erteilte am 29. März 1961 beiden Rundfunkstationen eine Sendelizenz für 20 Jahre. Im Mai 1964 wurde die neue Sendeanlage (300 kW) von Radio des Vallées auf dem Pic Blanc (2650 m) in Betrieb genommen. Von Juli 1964 bis November 1965 wurden darüber vorübergehend auch Programme von Radio Monte Carlo ausgestrahlt. 1966 nahm der Sender den Namen Sud Radio an und eröffnete zusätzlich Studios in Toulouse, rue Alsace-Lorraine, aus denen fortan ein Teil der Regionalberichterstattung erfolgte. Später wurden diese Studios in die Rue Caraman verlegt.
1968 überrundete Sud Radio Radio Andorra im Wettstreit um die Hörergunst und wurde zum viertbeliebtesten werbefinanzierten französischen Sender (nach Europe 1, RTL (Frankreich) und Radio Monte Carlo sowie vor Radio Andorra). Während die beiden erstgenannten vor allem in den Landesteilen nördlich und nordöstlich des Zentralmassivs und der französischen Alpen Fuß gefasst hatten, konkurrierte Sud Radio vor allem mit Radio Monte-Carlo, das im Süden und Südosten Frankreichs zu empfangen war und dessen Langwellensender über eine größere Reichweite verfügte.
Trotz der wachsendern Beliebtheit Sud Radios im Süden und Südwesten Frankreichs blieb der Sender bis 1970 wirtschaftlich defizitär. 1972 ging auf dem Pic Blanc eine modernere Sendeanlage mit 900 kW Leistung in Betrieb.
Die Sendungen liefen auf Französisch, von morgens bis Mitternacht, später bis 1.00 Uhr. Vor Sendeschluss gab es eine ungefähr viertelstündige literarische Sendung auf Katalanisch. Die Absage erfolgte ebenfalls auf Katalanisch ("Sud Radio, radio de les valls, nos emissions s'estinguin, bona nit!" – "Sud Radio, Radio der Täler, unsere Sendungen werden nun abgeschaltet, gute Nacht!"), und das Programm wurde mit der andorranischen Nationalhymne, El Gran Carlemany, beendet. Nachts wurde die MW-Frequenz Sud Radios von einer anderen Rundfunkstation genutzt.
1981–1986: Rückzug aus Andorra
Im März 1981 lehnte der Rat der Täler eine Verlängerung der Sendelizenz ab, das noch in Andorra la Vella arbeitende Personal musste nach Toulouse verlegt und die Sendungen zeitweilig eingestellt werden. Aufgrund der anstehenden französischen Präsidentschaftswahlen konnte nach Verhandlungen mit Andorra bis zum 24. November 1981 weitergesendet werden.
Nach mehr als einem Jahr Pause sendete Sud Radio ab Januar 1983 wieder aus der Nähe von Toulouse auf 1161 kHz und 819 kHz. Von März 1983 bis 1986 konnte auch nochmals der Sender auf dem Pic Blanc (Andorra) benutzt werden. Seit August 1986 sendet Sud Radio in Südwestfrankreich auch auf UKW.
Seit 1987: Privatisierung und digitale Sendetechnik, Umzug nach Paris
- 1987: Die Aktien von Sud Radio, im Besitz der Sofirad, werden an Privataktionäre verkauft: Laboratoires Pierre Fabre übernimmt die Kontrolle, als Teilhaber die Regionalzeitungen La Dépêche du Midi, Midi Libre und Sud-Ouest, die Bank Crédit Agricole u. a.
- 1992: Verlegung des Regionalstudios Biarritz nach Pau. Neben dem Hauptstudio Toulouse wird somit durch die fünf Regionalstudios Paris, Perpignan, Montpellier, Bordeaux und Pau eine flächendeckende Berichterstattung für Südwestfrankreich gewährleistet.
- 1996: Einrichtung einer Satellitensendestation in den Toulouser Studios, welche die Direkteinspeisung der 36 Sender im Sendegebiet über den Satellit Telecom 2C erlaubt.
- 1997: Übernahme der Gesamtkontrolle von Sud Radio durch Wit FM in Bordeaux. Verbreitung von Sud Radio durch CanalSatellite.
- 1998–2002: Schrittweise Umstellung zur digitalen Rundfunkübertragung.
- 2003: Sud Radio ist der offizielle französische Rundfunksender der Rugby-Weltmeisterschaft in Australien.
- Nov. 2005: Sud Radio wird veräußert an Sudporters (Start-Gruppe von Orléans, Radio Scoop de Lyon, Alouette FM).
- 2011: Die Abstrahlung über den Mittelwellensender Gauré (bei Toulouse) auf 819 kHz wird eingestellt.
- 2016: Die Direktion des Senders beschließt den Umzug nach Paris und die Aufgabe der regionalen Ausrichtung des Senders, der dennoch nach wie vor hauptsächlich über UKW-Stationen im Süden Frankreichs zu empfangen ist.[1]
Literatur
- René Duval: Histoire de la radio en France. 1977
- Sylvain Athiel: Conquérants des ondes. editions Privat, 2008
Weblinks
Einzelnachweise
- Gael Cérez: Sud Radio quitte Toulouse: "Radio cassoulet, c'est fini". In: La Tribune. 2. Juni 2016, abgerufen am 9. August 2020 (französisch).