Sphingomonadales
Die Sphingomonadales sind eine Ordnung innerhalb der Alphaproteobacteria und bestehen aus den Familien Erythrobacteraceae und Sphingomonadaceae. Sie sind in der Natur weit verbreitet und kommen z. B. im Boden, im Meer- und Süßwasser vor. Der Name bezieht sich auf die in der äußeren Zellmembran vorkommenden Sphingolipide.
Sphingomonadales | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Systematik | ||||||||||
| ||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Sphingomonadales | ||||||||||
Yabuuchi & Kosako 2006 |
Merkmale
Es handelt sich um gramnegative Bakterien. Einige sind mit Geißeln beweglich. Die Zellform ist stäbchenförmig oder eiförmig. Einige Arten verändern im Laufe der Kultivierung ihre Zellform, sie sind pleomorph.
Ein wichtiges Merkmal ist das Vorkommen von Sphingolipiden in der äußeren Membran der Zellwand. Hier fehlen die für gramnegative Bakterien typischen Lipopolysaccharide (LPS), stattdessen sind verschiedene Sphingolipide enthalten. Die Sphingolipide ersetzen die LPS offenbar und haben ähnliche Funktionen, z. B. Schutz vor schädlichen Substanzen, u. a. auch vor Bakteriziden.[1] Sphingolipide wurden nur in wenigen Gruppen der Prokaryoten nachgewiesen, sind bei den Eukaryoten aber häufig anzutreffen, vor allem bei Säugetieren im Nervengewebe. Weitere Bakteriengruppen, in denen Sphingolipide nachgewiesen wurden, sind Bacteroiden (z. B. Bacteroides und Sphingobacterium) und Mycoplasma der grampositiven Firmicutes[1]. Es handelt sich um phylogenetisch weit voneinander entfernte Gruppen, wodurch das Vorkommen der Lipide für die taxonomische Einordnung nützlich ist[2]. Bei den Sphingolipiden der Sphingomonadales handelt es sich um das Glycosphingolipid Galacturonosyl-Ceramid (z. B. bei Sphingopyxism terrae) und das Glucuronosyl-Ceramid (z. B. bei verschiedenen Arten der Gattungen Erythrobacter und Sphingomonas)[3].
Stoffwechsel
Alle bisher bekannten Vertreter der Ordnung Sphingomonadales sind aerob und chemoorganotroph. Einzige Ausnahme ist der fakultativ anaerobe Ethanolgärer Zymomonas mobilis, der für die Herstellung des Gärgetränks Pulque genutzt wird. Einige Arten der Gattungen Erythrobacter, Erythromicrobium, Porphyrobacter und Sandaracinobacter sowie einige Arten von der Gattung Sphingomonas besitzen Chlorophyll a und sind daher fakultativ photoorganotroph (Energiegewinnung durch Photosynthese).
Nutzung durch den Menschen
Einige Arten sind in der Lage, verschiedene, für andere Organismen giftige Stoffe im Stoffwechsel zu nutzen. So kann beispielsweise die Art Novosphingobium naphthalenivorans das umweltschädliche Kohlenstoffaromat Naphthalin im Stoffwechsel als einzige Kohlenstoffquelle nutzen[4]. Diese Fähigkeit machen einige Arten für den Einsatz in Bodensanierungen interessant. Arten wie Sphingomonas paucimobilis werden auch in der Lebensmittelindustrie zur Produktion des Lebensmittelzusatzstoffes Gellan genutzt. Das von Sphingomonas paucimobilis produzierte Gellan kann auch in der Mikrobiologie als Ersatz für Agar in der Kultivierung von Bakterienstämmen eingesetzt werden[5].
Systematik
Die Ordnung Sphingomonadales[3] beschreibt innerhalb der Alphaproteobacteria eine phylogenetisch klar abgegrenzte Linie und besteht aus den Familien Sphingomonadaceae[6] und Erythrobacteraceae[7]. Die Typusgattung Sphingomonas wurde aufgrund phylogenetischer Analyse mit zunächst fünf Arten beschrieben,[8] wobei deren eigene Typusart Sphingomonas paucimobilis bis dato „Pseudomonas paucimobilis“[9] benannt war. Bei der Namensgebung der Ordnung wurde die frühere Beschreibung der Gattungen Zymomonas[10] und der Gattung Erythrobacter[11] nicht berücksichtigt.
Neue Erkenntnisse in der Phylogenie als Grundlage der Bakterientaxonomie sorgten für gewaltige Umstellungen in der Domäne Bakterien.[12] Im Zuge dieser Neuordnung entstand später die sehr weit gefasste Gattung Sphingomonas. Einige Arten wurden von anderen Gattungen transferiert, beispielsweise Flavobacterium (Bacteroidetes), Pseudomonas (Gammaproteobacteria).[13] Andererseits waren sowohl vorher (als auch danach) einige genauer gefasste Gattungen beschrieben worden.[13] Obwohl versucht wurde, die Taxonomie im Sinne der Phylogenie umzugestalten,[14] ist innerhalb der Familie Sphingomonadaceae noch keine tragfähige Grundlage der Nomenklatur gefunden worden. Abgeschwächt gilt das auch für die Familie Erythrobacteraceae.
Nach außen ist die Ordnung Sphingomonadales gut abgegrenzt gegenüber anderen Ordnungen in den Alphaproteobacteria, chemotaxonomisch[15] und phylogenetisch (16S rRNA Gensequenzanalyse[7] und Analyse von 106 ausgewählten Protein- und rRNA codierenden DNA-Sequenzen[16]). Da allerdings innerhalb der Familie Sphingomonadaceae der Genus Asticcacaulis und Caulobacter leidyi bislang der Familie Caulobacteraceae zugeordnet sind, kann man die Ordnung Sphingomonadales trotz guter Datenlage noch nicht als monophyletisch, sondern nur als paraphyletisch bezeichnen.[17]
Gattungen[13]:
- Sphingomonadaceae Lee et al. 2005
- Blastomonas Sly and Cahill 1997 emend. Hiraishi et al. 2000
- Erythromonas Yurkov et al. 1997
- Novosphingobium Takeuchi et al. 2001
- Parasphingopyxis Uchida et al. 2012
- Sandaracinobacter Yurkov et al. 1997
- Sandarakinorhabdus Gich and Overmann 2006
- Sphingobium Takeuchi et al. 2001
- Sphingomonas Yabuuchi et al. 1990
- Sphingopyxis Takeuchi et al. 2001
- Sphingosinicella Maruyama et al. 2006 emend. Geueke et al. 2007
- Stakelama Chen et al. 2010
- Zymomonas Kluyver and van Niel 1936
- Erythrobacteraceae Kosako et al. 2000
- Alterierythrobacter Kwon et al. 2007
- Croceicoccus Xu et al. 2009
- Erythrobacter Shiba and Simidu 1982
- Erythromicrobium Yurkov et al. 1994
- Porphyrobacter Fuerst et al. 1993
Einzelnachweise
- David L. Balkwill, J. K. Fredrickson und M. F. Romine: Sphingomonas and Related Genera In: The Prokaryotes, A Handbook of the Biology of Bacteria. Volume 7: Proteobacteria: Delta and Epsilon Subclasses. Deeply Rooting Bacteria, ISBN 978-0-387-33493-6
- Ingar Olsen, Erik Jantzen: Sphingolipids in Bacteria and Fungi. In: Anaerobe. 7, 2001, S. 103–112, doi:10.1006/anae.2001.0376.
- Yabuuchi E, Kosako Y (2005) Order IV. Sphingomonadales ord. nov. In Bergey’s Manual of Systematic Bacteriology, 2nd edn, vol. 2 (The Proteobacteria), part C (The Alpha-, Beta-, Delta-, and Epsilonproteobacteria), pp. 230–233. Edited by D. J. Brenner, N. R. Krieg, J. T. Staley & G. M. Garrity. New York: Springer. ISBN 0-387-24145-0. Bergey’s Manual Trust
- Saori Suzuki und Akira Hiraishi: Novosphingobium naphthalenivorans sp. nov., a naphthalene-degrading bacterium isolated from polychlorinated-dioxin-contaminated environments In: The Journal of General and Applied Microbiology, Vol. 53, pp.221–228 (2007) Online (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- R. Hänsel und O. Sticher: Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8., überarbeitete und aktualisierte Auflage, ISBN 3-540-26508-2
- Kosako Y, Yabuuchi E, Naka T, Fujiwara N, Kobayashi K (2000) Proposal of Sphingomonadaceae fam. nov., consisting of Sphingomonas Yabuuchi et al. 1990, Erythrobacter Shiba and Shimidu 1982, Erythromicrobium Yurkov et al. 1994, Porphyrobacter Fuerst et al. 1993, Zymomonas Kluyver and van Niel 1936, and Sandaracinobacter Yurkov et al. 1997, with the type genus Sphingomonas Yabuuchi et al. 1990. Microbiol Immunol. 44: 563–75. PMID 10981829
- Lee KB, Liu CT, Anzai Y, Kim H, Aono T, Oyaizu H (2005) The hierarchical system of the ‚Alphaproteobacteria‘: description of Hyphomonadaceae fam. nov., Xanthobacteraceae fam. nov. and Erythrobacteraceae fam. nov. Int J Syst Evol Microbiol. 55: 1907–19. PMID 16166687
- Yabuuchi E, Yano I, Oyaizu H, Hashimoto Y, Ezaki T, Yamamoto H (1990) Proposals of Sphingomonas paucimobilis gen. nov. and comb. nov., Sphingomonas parapaucimobilis sp. nov., Sphingomonas yanoikuyae sp. nov., Sphingomonas adhaesiva sp. nov., Sphingomonas capsulata comb. nov., and two genospecies of the genus Sphingomonas. Microbiol Immunol. 34: 99–119. PMID 2111872
- Holmes B, Owen RJ, Evans A, Malnick H, Willcox WR (1977) Pseudomonas paucimobilis, a new species isolated from human clinical specimens, the hospital environment, and other sources. Int J Syst Bacteriol. 27: 133–146. online (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Kluyver AJ, Van Niel CB (1936) Prospects for a natural system of classification of bacteria. Zentralblatt fur Bakteriologie, Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene. Abteilung II. 94: 369–403.
- Shiba T and Simidu U (1982) Erythrobacter longus gen. nov., sp. nov., an aerobic bacterium which contains bacteriochlorophyll a. Int. J. Syst. Bacteriol., 1982, 32, 211–217. Online (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Woese CR, Stackebrandt E, Macke TJ, Fox GE (1985) A phylogenetic definition of the major eubacterial taxa. Syst Appl Microbiol. 6: 143–51. PMID 11542017
- Euzéby JP. List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature. Ordnung Sphingomonadales (Memento des Originals vom 1. Mai 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . Stand: 13. Januar 2013. Details können (auf diesem Internetauftritt zusammengefasst) in den weiterführenden Links der einzelnen Gattungen und Arten eingesehen werden, ebenso die dazu verwendete Originalliteratur
- Takeuchi M, Hamana K, Hiraishi A (2001) Proposal of the genus Sphingomonas sensu stricto and three new genera, Sphingobium, Novosphingobium and Sphingopyxis, on the basis of phylogenetic and chemotaxonomic analyses. Int J Syst Evol Microbiol. 51: 1405–17. PMID 11491340
- Yabuuchi E, Kosako Y, Fujiwara N, Naka T, Matsunaga I, Ogura H, Kobayashi K (2002) Emendation of the genus Sphingomonas Yabuuchi et al. 1990 and junior objective synonymy of the species of three genera, Sphingobium, Novosphingobium and Sphingopyxis, in conjunction with Blastomonas ursincola. Int J Syst Evol Microbiol. 52: 1485–96. PMID 12361250
- Williams KP, Sobral BW, Dickerman AW (2007) A robust species tree for the alphaproteobacteria. J Bacteriol. 189: 4578–86. PMID 17483224.
- Analyse mit dem Datensatz des Living Tree Projekts (Stand: LTP95). Yarza P, Richter M, Peplies J, Euzeby J, Amann R, Schleifer KH, Ludwig W, Glöckner FO, and Rossello-Mora R (2008) The All-Species Living Tree project: A 16S rRNA-based phylogenetic tree of all sequenced type strains. Syst Appl Microbiol 31:241–250. PMID 18692976
Literatur
- Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.) The Prokaryotes, A Handbook of the Biology of Bacteria. Volume 7: Proteobacteria: Delta and Epsilon Subclasses. Deeply Rooting Bacteria ISBN 978-0-387-33493-6
- George M. Garrity: Bergey’s manual of systematic bacteriology. 2. Auflage. Springer, New York, 2005, Vol. 2: The Proteobacteria Part C: The Alpha-, Beta-, Delta-, and Epsilonproteabacteria ISBN 0-387-24145-0
- Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock – Mikrobiologie. 11. Auflage. Pearson Studium, München 2006, ISBN 3-8274-0566-1
- Walter Reineke, Michael Schlömann: Umweltmikrobiologie. 1. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München, 2007 ISBN 3-8274-1346-X