Sozialchauvinismus
Mit dem Begriff Sozialchauvinismus wird eine nationalistisch-kriegsbefürwortende Einstellung innerhalb der Arbeiterbewegung bezeichnet. Es handelt sich um eine Erweiterung des Begriffs Chauvinismus.
Geschichte
Lenin benutzte den Begriff Sozialchauvinismus bereits 1915 und in seinen Aprilthesen von 1917. Der Begriff setzt sich zusammen aus Sozialismus/Sozialdemokratie und Chauvinismus.
„Die armen russischen Sozialchauvinisten, Sozialisten in Worten, Chauvinisten in der Tat, wissen nicht mehr ein noch aus.“
In der Schrift Die Lage in der Sozialistischen Internationale führt er aus, dass unter „Sozialchauvinisten“ Verteidiger des „Vaterlandes“ „im imperialistischen Krieg“ zu verstehen seien. Dies sei die „Mehrheit der offiziellen Führer der offiziellen Sozialdemokratie in allen Ländern“. Die Sozialchauvinisten seien „Klassengegner“, die „Bourgeois innerhalb der Arbeiterbewegung“, die die mit besseren Löhnen, Ehrenämtern usw. repräsentierten „Schichten, Zwischenschichten und Gruppen der Arbeiterschaft“ repräsentierten und der Bourgeoisie behilflich seien, „kleine und schwache Völker auszuplündern und zu unterdrücken“.[1]
Lenin benutzte diesen Begriff auch in seiner Schrift Sozialismus und Krieg, um damit u. a. den „Klassenverrat“ Karl Kautskys zu kritisieren. Dabei bezieht Lenin den Begriff Sozialchauvinismus auf den Ersten Weltkrieg. Im Kapitel Was ist Sozialchauvinismus? definiert er den Begriff folgendermaßen:
„Sozialchauvinismus ist das Eintreten für die Idee der Vaterlandsverteidigung in diesem Kriege. Aus dieser Idee ergibt sich weiter der Verzicht auf den Klassenkampf während des Krieges, die Bewilligung der Kriegskredite usw. In Wirklichkeit treiben die Sozialchauvinisten eine antiproletarische, eine bürgerliche Politik, denn was sie verfechten, ist in Wirklichkeit nicht die 'Verteidigung des Vaterlandes' im Sinne des Kampfes gegen eine Fremdherrschaft, sondern das 'Recht' dieser oder jener 'Groß'mächte, Kolonien auszuplündern und fremde Völker zu unterdrücken. Die Sozialchauvinisten machen den Volksbetrug der Bourgeoisie mit, indem sie dieser nachsprechen, der Krieg werde geführt, um die Freiheit und Existenz der Nationen zu verteidigen, und damit gehen sie auf die Seite der Bourgeoisie über, wenden sie sich gegen das Proletariat. Zu den Sozialchauvinisten gehören sowohl diejenigen, die die Regierungen und die Bourgeoisie einer der kriegführenden Mächtegruppen rechtfertigen und ihre Politik beschönigen, als auch diejenigen, die wie Kautsky den Sozialisten aller kriegführenden Mächte gleichermaßen das Recht auf 'Vaterlandsverteidigung' zusprechen. Da der Sozialchauvinismus in Wirklichkeit die Privilegien, Machtpositionen, Raubzüge und Gewalttaten der 'eigenen' (oder überhaupt einer jeden) imperialistischen Bourgeoisie verteidigt, ist er gleichbedeutend mit völligem Verrat an allen sozialistischen Grundsätzen und an dem Beschluß des Internationalen Sozialistenkongresses von Basel.“
An anderer Stelle bezeichnet Lenin Sozialchauvinismus als „vollendeten“, „offenen und ordinären“ „Opportunismus“.
Verwandt mit dem Begriff Sozialchauvinismus ist der Begriff Sozialpatriotismus.
Siehe auch
Literatur
- Wladimir Iljitsch Lenin: Sozialismus und Krieg. Sechs Arbeiten von 1915/1916. Berlin 1968
- Leo Trotzki: Ein Schritt zum Sozialpatriotismus. Über die Position der Vierten Internationale gegen Krieg und Faschismus. 7. März 1939.
- Selim Nadi: Die Französische Kommunistische Partei und ihre Haltung zu Sozialchauvinismus und Kolonialismus 1920 bis 1936, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft I/2018, S. 45–62.
Einzelnachweise
- Lenin: Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution, Die Lage in der sozialistischen Internationale. In: Werke, Band 24, Berlin 1974, S. 58 ff.
- Lenin: 1. Kapitel: Die Grundsätze des Sozialismus und der Krieg 1914/1915: Was ist Sozialchauvinismus? In: Sozialismus und Krieg. Sechs Arbeiten von 1915/1916.