Sermilik (Fjord, Ammassalik)
Der Fjord Sermilik (dänisch Egede og Rothe Fjord) bildet mit einer Länge von 85 Kilometern das größte Fjordsystem im südöstlichen Grönland.[1] Der Eisfjord trennt im letzten Drittel das grönländische Festland von der Insel Ammassalik. Einzige dauerhaft bewohnte Siedlung am Fjord ist das Dorf Tiniteqilaaq, an der Westküste der Ammassalik-Insel liegt zudem die Forschungsstation Sermilik. Der grönländische Name Sermilik bedeutet sinngemäß Eis- oder Gletscherfjord.
Sermilik Egede og Rothe Fjord | ||
---|---|---|
Blick vom Mittivakkat über den Sermilik-Fjord zum Inlandeis (Juli 2016) | ||
Gewässer | Irmingersee | |
Landmasse | Grönland | |
Geographische Lage | 66° 0′ N, 37° 52′ W | |
Breite | max. 14 km | |
Länge | 85 km | |
Inseln | Aammangaa, Immikeertikajik, Qeertartivatsiaq, Ammassalik, Ikkatteq | |
Zuflüsse | Zuflüsse vom Inlandeis und von lokalen Gletschern |
Geographie
Der Fjord erstreckt sich am Südende des Kong Christian IX Lands in der Kommuneqarfik Sermersooq annähernd in Nord-Süd-Richtung. Etwa 27 km südlich des Polarkreises, an der Südspitze des so genannten Schweizerlands, vereinigen sich die beiden Seitenarme Maniisilertarpia (Helheimfjord) und Ningerti (Midgardfjord) zum Fjord Sermilik. Seine größte Breite von rund 14 km erreicht der Fjord etwa bei 66°09' . Ein weiterer bedeutender Seitenarm ist der Qeertartivatsaap Kangertiva (Johan Petersens Fjord), der im südlichen Abschnitt einmündet. An der Mündung in die Irmingersee beträgt die Breite des Sermilik rund 11 km (65° 37′ 17″ N, 38° 3′ 19″ W ).
Das Einzugsgebiet des Fjords umfasst mit 58.045 km² ein Gebiet, das in etwa der Landesfläche Kroatiens entspricht. Die Höhenlage bewegt sich von Meereshöhe bis etwa 2900 m am Inlandeis. Der jährliche Süßwasserzufluss beläuft sich auf rund 40,4 Mrd. m³, wovon 85 % aus der Gletscherschmelze (davon alleine 65 % durch den Helheimgletscher), 11 % von terrestrischen Oberflächengewässern, 3 % aus dem Nettoniederschlag und 1 % aus subglazialen Schmelzprozessen stammen.[1]
Mehrere namentlich verzeichnete Inseln liegen entlang der Felsküste des Fjords, darunter Ammassalik, das Sermilik vom Ammassaliip Kangertiva (Ammassalik Fjord) trennt, Ikkatteq und Qeertartivatsiaq (65° 52′ N, 38° 5′ W ), mit einer Fläche von über 24 km² die größte vollständig im Fjord gelegene Insel. Bewohnt ist nur die Ammassalik-Insel, die auch zu den zehn größten Nebeninseln Grönlands gehört.
Gletscher
Vom Inlandeis kalben mehrere Auslassgletscher in den Sermilik-Fjord. Die hinteren Gletscher sind fast ausschließlich per Helikopter erreichbar und werden daher äußerst selten besichtigt. Die drei wichtigsten tragen Namen, die auf die Nordische Mythologie zurückgehen, nämlich Helheim, Midgard und Fenris. Der bedeutendste von ihnen ist der Helheimgletscher, dessen Geschwindigkeit sich zwischen 2000 und 2005 von 8 auf 11 km pro Jahr erhöhte und ihm den Status eines Eisstroms einbringt.[2] Von Nord nach Süd liegen folgende Gletscher im Einzugsgebiet des Fjords.[3] Jene die kalben, sind mit einem K gekennzeichnet (Stand 2015).
Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap rechts
- Fenrisgletscher K (66° 23′ 9″ N, 37° 33′ 39″ W )
- Helheimgletscher K (66° 22′ 16″ N, 38° 14′ 26″ W )
- Apuseerajik K (66° 11′ 32″ N, 38° 1′ 28″ W )
- Heimgletscher K (65° 59′ 13″ N, 38° 26′ 45″ W )
- Brückner-Gletscher K (65° 55′ 59″ N, 38° 26′ 48″ W )
- Hanngletscher K (65° 52′ 16″ N, 38° 21′ 27″ W )
- Hobbs-Gletscher (65° 47′ 21″ N, 38° 13′ 22″ W )
- Midgardgletscher K (66° 27′ 36″ N, 36° 41′ 45″ W )
- 16.-September-Gletscher K (66° 18′ 26″ N, 36° 52′ 3″ W )
- unbenannter Auslass K (66° 16′ 58″ N, 37° 1′ 41″ W )
- Kilikilaat K (66° 13′ 33″ N, 37° 20′ 43″ W )
- unbenannter Gletscher (65° 59′ 30″ N, 37° 31′ 36″ W )
- Tinit-Gletscher (65° 48′ 38″ N, 37° 36′ 27″ W )
- Mittivakkat (65° 43′ 14″ N, 37° 46′ 24″ W )
Besiedelung
Einzige ganzjährig bewohnte Siedlung am Fjord ist das Dorf Tiniteqilaaq. Die nächstgelegenen Orte sind Tasiilaq (Ammassalik) 15 km östlich und Isortoq rund 40 km südwestlich der Fjordmündung. Der nächste internationale Flughafen ist der Flughafen Kulusuk 38 km östlich. Die Insel Ikkatteq im Mündungsbereich war bis 2005 bewohnt.[4][5]
Zahlreiche vorwiegend an vegetationsreichen Küstenabschnitten situierte Ruinen von Inuit-Torfhäusern zeugen von historischer Besiedelung. Die Menschen nutzten das reichhaltige Jagd- und Fischangebot, wie es in Tiniteqilaaq neben dem Tourismus heute noch als Lebensgrundlage dient. In den Jahren 1931 und 1932 wurden die Ruinen der Inuit in der gesamten Region erhoben und unter Denkmalschutz gestellt. Am Sermilik-Fjord liegen sortiert nach Lage folgende ehemalige Siedlungen.[3]
Grönland (Festland)
- Itti (66° 9′ 50,3″ N, 37° 49′ 32,1″ W )
- Qipa (66° 9′ 20,9″ N, 37° 50′ 57,4″ W )
- Paarnakajit (66° 4′ 50,4″ N, 37° 38′ 6,1″ W )
- Itterajik (66° 3′ 2,7″ N, 37° 44′ 11,1″ W )
- Saputit (66° 3′ 1,3″ N, 37° 37′ 34″ W )
- Suukerti (66° 2′ 28,2″ N, 37° 55′ 30,5″ W )
- Innartivaq (66° 0′ 46,3″ N, 37° 46′ 18,1″ W )
- Ilertak (65° 59′ 2,2″ N, 37° 45′ 52,1″ W )
- Isi (65° 58′ 14,9″ N, 37° 45′ 7,6″ W )
- Innartalik (65° 55′ 23,6″ N, 37° 58′ 10″ W )
- Umiattuartivit (65° 54′ 43,8″ N, 37° 59′ 39″ W )
- Kiineq (65° 46′ 36,7″ N, 38° 3′ 1,7″ W )
- Ajangitaq (65° 40′ 41,1″ N, 38° 7′ 53,3″ W )
- Pupik (65° 47′ 32,5″ N, 37° 54′ 28,7″ W )
- Akernernaq (65° 47′ 8,7″ N, 37° 55′ 14,5″ W )
- Kuutuaq (66° 43′ 4,5″ N, 37° 56′ 11,3″ W )
- unbenannte Siedlung (65° 41′ 57,4″ N, 37° 56′ 33,6″ W )
- Sivinganeq (65° 41′ 11,3″ N, 37° 55′ 50,3″ W )
Andere Inseln
- Sarpaq (65° 52′ 27,5″ N, 37° 47′ 7,5″ W )
- Immikkeerterajik (65° 50′ 46,4″ N, 37° 52′ 11,5″ W )
- Kuanniarti (Qeertartivatsiaq) (65° 50′ 11,5″ N, 38° 1′ 22,8″ W )
- Iserpalivitseq (Qeertartivatsiaq) (65° 50′ 28,2″ N, 38° 3′ 19″ W )
- Ikkatteq (65° 38′ 9,9″ N, 37° 56′ 47″ W )
- Attereq (Immikkeerteq) (65° 37′ 26,9″ N, 37° 56′ 44,1″ W )
- Tunutteq (Immikkeerteq) (65° 37′ 24,9″ N, 37° 56′ 12,6″ W )
Geschichte
Historisch wird der Sermilik-Fjord heute mit der Grönlanddurchquerung Fridtjof Nansens im Jahr 1888 verbunden. Nansen plante ursprünglich eine Ost-West-Durchquerung mit dem Ziel Christianshåb, wobei der Fjord als Ausgangspunkt und Aufstieg zum Inlandeis dienen sollte.[6]
Am 3. Juni wurden Nansen und seine Mannschaft am Hafen von Ísafjörður an Islands Nordwestküste vom norwegischen Robbenfänger Jason abgeholt. Eine Woche später war Grönlands Küste in Sicht, das Vorankommen des Schiffes wurde aber durch massives Packeis erschwert. Am 17. Juli befand man sich in Sichtweite von Sermilik immer noch 20 km von der Küste entfernt und Nansen entschied, die Beiboote zu Wasser zu lassen. Laut Kapitän verließ die Expedition die Jason „in guter Stimmung und bester Hoffnung auf ein glückliches Unterfangen“.[6] Was folgte, waren jedoch Tage der Frustration, da die Wetter- und Meeresbedingungen ein Erreichen des Ufers unmöglich machten. Mit dem Packeis trieb man nach Süden, wobei sogar auf dem Eis campiert wurde. Die Inbetriebnahme der Boote wäre zu gefährlich gewesen. Am 29. Juli lag man bereits 380 km südlich von jenem Punkt, wo man das Schiff verlassen hatte. Nach Tagen auf dem Eis verbrachte man eine Zeitlang auf dem Festland, ehe Nansen Befehl gab, zurück nach Norden zu fahren. Schließlich startete er seine Grönlanddurchquerung in der Bucht Umivik fast 200 km südlich der Sermilikmündung.[7]
Am 29. Juli 1912 erreichte die von Alfred de Quervain geleitete, zweite erfolgreiche Expedition den Fjord. Nach fast sechswöchiger Reise über das Inlandeis ließ man sich nahe der Insel Umiattuartivit am Sermilik nieder, wo man zwei Tage campierte. An dieser Stelle war zuvor ein Depot für die Expeditionsteilnehmer angelegt worden.[8][9]
Tourismus
Ausgehend von Tasiilaq oder Tiniteqilaaq ist das Ostufer des Sermilik-Fjords in den Sommermonaten ein beliebter Ort für ausgiebige Trekkingtouren. In den südlichen Fjordteil führen Bootsausflüge, beispielsweise zu einem der vielen kalbenden Gletscher oder zur verlassenen Siedlung von Ikkatteq. Mit etwas Glück kann man dabei einen Buckelwal oder einen Narwal erspähen. Außerdem wird die Ammassalik-Insel gerne auf mehrtägigen Touren mit dem Kajak umrundet. Der nördliche Fjordteil ist aufgrund der hohen Dichte an Eisbergen auch im Sommer nur bedingt schiffbar und wird daher meist per Helikopter angesteuert.
Literatur und Karten
- Roland Huntford: Nansen. Abacus, London 2001, 768 S. ISBN 0-349-11492-7 (englisch).
- Sebastian H. Mernild, L. M. Howat, Y. Ahn, G. E. Liston, K. Steffen, B. H. Jakobsen, B. Hasholt, B. Fog & D. van As: Freshwater flux to Sermilik Fjord, SE Greenland. In: The Cryosphere 4, 2010, S. 453–465. PDF, doi:10.5194/tc-4-453-2010 (englisch).
- Alfred de Quervain: Quer durchs Grönlandeis. Die schweizerische Grönland-Expedition 1912/13. Kober, Basel 1914 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Neuausgabe durch NZZ 1998, 258 S. ISBN 3-85823-708-6. - Arctic Sun Maps (2015): Kort over (Map of) Tasiilaq/Kulusuk. Maßstab 1:250.000. ISBN 978-87-992925-7-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- Sebastian H. Mernild et al.: Freshwater flux to Sermilik Fjord, SE Greenland. In: The Cryosphere 4, 2010, S. 453–465. PDF (englisch).
- Helheim Glacier. Environmental Change Hotspots. UNEP, abgerufen am 13. Oktober 2016 (englisch).
- Arctic Sun Maps (2015): Kort over (Map of) Tasiilaq/Kulusuk. Maßstab 1:250.000. ISBN 978-87-992925-7-8.
- Bevölkerungsstatistik Grönland 2005. Statistics Greenland, archiviert vom Original am 24. November 2007; abgerufen am 12. Oktober 2016 (dänisch).
- Bevölkerungsstatistik Grönland 2006. Statistics Greenland, archiviert vom Original am 24. November 2007; abgerufen am 12. Oktober 2016 (dänisch).
- Roland Huntford: Nansen. Abacus, London 2001, S. 97–99. ISBN 0-349-11492-7 (englisch).
- Ernest Edwin Reynolds: Nansen. Penguin Books, Harmondsworth 1949 (englisch).
- Stephan Orth: Schweizer Grönland-Expedition – Die vergessenen Arktis-Pioniere. Der Spiegel, 2. August 2012, abgerufen am 16. Oktober 2016.
- Stephan Orth: Expeditions-Tagebuch – Caipirinha mit Grönland-Eis. Der Spiegel, 6. August 2012, abgerufen am 16. Oktober 2016.