Schottern (Sabotage-Technik)
Schottern (seltener auch Entschottern) ist das Entfernen von Steinen aus dem Oberbau von Bahngleisen mit dem Ziel, das Gleis unpassierbar zu machen. Der Begriff geht zurück auf die Anti-Atomkraft-Bewegung, in der diese Sabotage-Technik eingesetzt wird, um Atommülltransporte per Bahn zu erschweren. Der Schotter wird in möglichst großen Gruppen auf längerer Strecke entweder per Hand oder auf den Schienen sitzend mit den Füßen abgeräumt.
Die Rechtswissenschaft diskutiert verschiedene Straftatbestände, die gemäß deutschem Recht durch Schottern erfüllt werden können. Deutsche Gerichte sprachen mehrfach Urteile wegen Aufforderungen zum Schottern aus.
Zielsetzung
Ziel des Schotterns ist es, Atommülltransporte mit der Bahn zu erschweren oder zu verhindern. Aktivisten bringen vor, die stark beobachteten und beschützten, mit den Castoren beladenen Züge nicht zum Entgleisen bringen zu wollen, sondern die Transporte durch die dadurch notwendig werdenden Maßnahmen wie Polizeieinsatz, Reparaturen und wieder Einschottern möglichst teuer zu machen.
Geschichte
Entsprechende Aktionen wurden jahrelang durchgeführt. Als das schwarz-gelbe Kabinett Merkel II nach der Bundestagswahl 2009 (wie vor der Wahl angekündigt) eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke vorantrieb, gab es einen Aufruf von 850 Atomkraftgegnern, darunter einigen Bundestags- und Landtagsabgeordneten der Linken.[1] 2011 unterstützten Charlotte Roche und Bela B. öffentlich das Schottern.[2]
Unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima vom März 2011 erlebte die Anti-Atomkraftbewegung ein Wiederaufleben[3]; seit dem Atompolitikwechsel von Kanzlerin Merkel durch das Atom-Moratorium und den Ausstiegsbeschluss des Bundestages am 30. Juni 2011 ist der öffentliche Diskurs abgeflaut.
Einschätzung des Verfassungsschutzes
Eine Reihe von linksradikalen Gruppen wie die Interventionistische Linke und die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union haben die Kampagne „Castor? Schottern!“ unterstützt und 2010 ca. 7000 Teilnehmer dafür mobilisiert. Nach Darstellung des Verfassungsschutzberichtes 2010 stelle die „Anti-AKW-Bewegung“ aber kein originäres linksextremistisches Aktionsfeld dar und sei insofern für Linksextremisten von nachrangiger Bedeutung.[4]
Rechtliche Bewertung
In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden mehrere Straftatbestände diskutiert, nach denen Schottern strafbar sei: Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b StGB), Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr (§ 315 StGB)[5] und im Einzelfall und gegebenenfalls subsidiär Sachbeschädigung (§ 303 StGB).[6]
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg leitete 2011 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Störung öffentlicher Betriebe und Sachbeschädigung, insbesondere Zerstörung von Bauwerken (§ 305 StGB) ein.[7]
In den Jahren 2010 und 2011 wurden auch Ermittlungsverfahren gegen Unterzeichner eines Aufrufs mit dem Titel „Castor? Schottern!“ durch die Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) eingeleitet. Den 1.500 Unterzeichnern des Aufrufs zum Schottern von 2010 und ersten von 2011 wurde eine Einstellung des Verfahrens mit der Auflage einer Spende von 50,- Euro angeboten.[3][8]
Verurteilungen
Am 15. März 2012 wurde ein Mann, der einen Internetaufruf zur Unterstützung des Schotterns unterschrieben hatte, wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten durch das Amtsgericht Lüneburg zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt.[9][10] Am 9. April 2013 wurde der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken zu einer Geldstrafe von 2250 Euro, am 23. April 2013 die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (2250 Euro) und Inge Höger (4500 Euro) wegen der strafbaren Aufforderung zu einer Straftat nach 316b StGB verurteilt. Die frühere niedersächsische DKP-Landtagsabgeordnete Christel Wegner wurde zu einer Zahlung von 750 Euro verurteilt.[11][12] Der Linken-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm wurde im Mai 2013 zu einer Geldstrafe von 2250 Euro verurteilt.[13]
Weblinks
Einzelnachweise
- „Castor schottern“ – Hamburger Linke-Vize: „Ziviler Ungehorsam an der Zeit“. Hamburger Abendblatt Online, 18. Oktober 2010, abgerufen am 30. November 2011.
- „Castor schottern“ hat prominente Unterstützung, NDR, 6. November 2011.
- „Castor Schottern“ – Atomfeinde twittern zum Angriff, Die Welt, 18. Oktober 2011.
- Verfassungsschutzbericht des Bundes 2010, S. 149, 153, 199 (PDF; 4,3 MB) (Memento vom 10. Mai 2012 im Internet Archive).
- Butzer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar GG, Edition 1, Art. 46 GG Rn. 12.3
- Linck, Protestaktionen gegen Castor-Transporte und das geltende Recht, ZRP 2011, 44
- Roland Kazimierski: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Lüneburg zu „Castor? Schottern!“ Staatsanwaltschaft Lüneburg, 11. November 2011, abgerufen am 30. November 2011.
- Gigantischer Aktenberg von Martin Kaul auf taz.de, 4. Januar 2012.
- Gericht verurteilt "Schottern"-Unterstützer. Jetzt wird abgestottert. In: taz. 15. März 2012, Abruf vom 15. März 2012.
- Urteil des AmtsgerichtLüneburg vom 15. März 2012, Aktenzeichen 13 Cs 5103 Js 10317/11 (17/12)
- Geldstrafe für Schotter-Aufruf. In: taz. 23. April 2013.
- Anti-Atom-Protest: Linken-Politikerinnen wegen Aufruf zum "Schottern" verurteilt
- Anti-Castor-Protest: Linken-Politiker wegen "Schotter"-Aufrufs verurteilt. In: Spiegel Online. 21. Mai 2013, abgerufen am 9. Juni 2018.