Schloss Hue de Grais
Das Schloss Hue de Grais, auch als Neuwilckesches Rittergut bekannt, steht in Wolkramshausen im Landkreis Nordhausen in Thüringen.
Geschichte
Ursprünglich erbaut wurde das Gutshaus eines kleinen Ritterguts von 300 Morgen landwirtschaftlicher Nutzfläche gegen 1680. Um 1720–22 wurde es im Auftrag eines geadelten Bauernsohns, Walrad Ludwig von Wilcke (1687–1747), auf alten Mauerresten neu errichtet. 1752 bis 1754 erfolgte ein Umbau mit Veränderungen des Raumgrundrisses und Aufbau der Zwerchhäuser durch seinen Sohn Wilhelm Ludwig von Wilcke (1721–1785), bei dem das Herrenhaus seine Ausstattung im Rokokostil erhielt. 1764 ließ dieser an der Nordseite im rechten Winkel zum Haupthaus die barocke Bibliothek anbauen. Mehrere Monate lang versehen Künstler vom Dresdner Hof die Wände der Räume auf der Hofseite mit bemalten Leinwandbespannungen.[1] Zu den Motiven zählen neben Landschaften, Seefahrtsszenen und fiktiven Skulpturengalerien auch Szenen nach Watteau.
1782 gelangte das Gut durch Heirat der Wilhelmine von Wilcke (1758–1826) mit Achilles François Ursin Hue de Grais (1734–1799) in den Besitz dieser Familie, in dem es bis 1956 blieb. Die Grafen Hue de Grais sind ein normannisches Adelsgeschlecht, das während der Französischen Revolution aus Frankreich floh und am Hof von Hessen-Kassel Zuflucht fand. Bekanntester Bewohner war Graf Robert Hue de Grais (1835–1922), Regierungspräsident des Regierungsbezirks Potsdam und Verfasser des in 26 Auflagen erschienenen Handbuchs der Verfassung und Verwaltung in Preußen und dem Deutschen Reiche. Nach dem Tod von dessen unverheirateter Tochter, Elsa Gräfin Hue de Grais, stand das Schloss von 1956 bis 1990 leer. Ab 1980 fanden erste umfangreiche Erhaltungsarbeiten an Gebäude und Park durch den Kulturbund der DDR statt.
Nach der politischen Wende
Von 1990 bis 1993 führten die jetzigen Eigentümer bereits Sanierungsarbeiten durch. 1997 wurde das Herrenhaus mit Bibliothek, Hof und Park der Erbengemeinschaft Hue de Grais zurückgegeben und wird seither von Roberts Urenkel Manfred Werthern bewohnt und saniert.
Die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) verwaltete rechtsfähige G. & H. Murmann-Stiftung stellte 2017 für die Konservierung und Wiederanbringung der Leinwandbespannung des sogenannten Schiffszimmers im Obergeschoss des 35.366,80 Euro zur Verfügung. Die DSD setzt 2018 ihre jahrzehntelange Unterstützung für das Hue de Grais fort. Für die Restaurierung der Wandbespannungen im Landschaftszimmer sollen weitere Mittel folgen.[2] Im Juni 2021 wurde die in den 1990er Jahren demontierte barocke Sandstein-Freitreppe rekonstruiert.
Gebäude, Hofanlage und Park
Die dreiseitige Hofanlage mit dem zweigeschossigen barocken Herrenhaus in einfacher Fachwerkbauweise und Bruchsteinsockel sowie Krüppelwalmdach überstrahlt die landwirtschaftlichen Nebengebäude. Die Ostfassade ziert ein Zwerchhaus, auf der Hofseite führt eine Freitreppe auf die dem Haus vorgelagerte Terrasse mit Barockskulpturen. Die Bibliothek wurde als Massivbau aus behauenem Muschelkalkstein mit Mansardwalmdach und durch Pilaster gegliederter Fassade errichtet. Das Eingangsportal besteht aus behauenem roten Sandstein. Ein segmentbogenförmiger Ziergiebel rahmt das von Wilke/von Wurmbsche Allianzwappen ein.
Die Innenausstattung des Schlosses dokumentiert den Kunstsinn und Geschmack aus der Zeit Augusts des Starken und nachfolgender Jahrzehnte; das Porträt des Königs schmückt das mit Eichenholz vertäfelte Speisezimmer. Auf Grund der Stellung Wilhelm Ludwig von Wilckes als Obrist in sächsischen Diensten waren Künstler des Dresdner Rokoko maßgeblich an der Innengestaltung des Hauses beteiligt. Die Wände fast aller Zimmer wurden mit gemalten Panneaux auf Leinwand in holländischer Art bespannt, geziert mit klassischen Landschaften, Seestücken und Szenen nach Watteau. Das Haus wurde repräsentativ mit Gemälden, Öfen und kostbarem Mobiliar ausgestattet.
An die überdachte Hofeinfahrt mit Schlupfpforte schließen sich die an der Südseite gelegenen Wirtschaftsgebäude aus dem 17./18. Jahrhundert an. Es handelt sich hierbei um zwei einfache Fachwerkhäuser und ein ehemaliges Stallgebäude auf teilweise massiv ausgeführtem Erdgeschoss. Sie dienen heute Wohnzwecken. Der dreiseitig geschlossene Hof wird durch einen Spalierzaun vom 1992 rekonstruierten barocken Schlosspark abgegrenzt, welcher sich in seinem Aufbau seit 1720 grundlegend verändert hat.[3] In diesem befinden sich Wasserflächen sowie ein Springbrunnen, Hecken, alte Rosenstöcke, Terrassen und Laubengänge. Ursprünglich befand sich in der Südostecke des Parks noch ein Lusthäuschen, welches aber in den 1950er Jahren abgebrochen wurde.
Literatur
- Wolfgang Braun, Bernd Sternal: Burgen und Schlösser der Harzregion, Band 4. 2. Auflage. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7322-9149-6.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Thüringen. Deutscher Kunstverlag, München 2003, ISBN 3-422-03095-6.
- Udo von Alvensleben: Besuche vor dem Untergang, Adelssitze zwischen Altmark und Masuren. Hrsg.: Harald von Koenigswald. Frankfurt/M.-Berlin 1996, ISBN 3-548-35641-9.
- Susanne Hinsching: Schloss „Hue de Grais“ Wolkramshausen: Kunsthistorische Analyse eines Adelssitzes des 18. Jahrhunderts. Nordhausen 1994, ISBN 3-929767-08-2.
- Heinz Stade; Roland Obst: Justitia in Thüringen - Ein historischer Streifzug; S. 94-97. Hrsg.: Thüringer Ministerium für Justiz und Europaangelegenheiten. Erfurt 1998, ISBN 978-3-00-041211-0.
Weblinks
- Website Schloss Hue de Grais. Abgerufen am 25. Februar 2020.
- Herrenhaus "Hue De Grais". In: Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Abgerufen am 25. Februar 2020.
- Website Restaurierung Schiffszimmer. Abgerufen am 30. Januar 2021.
Einzelnachweise
- Amelie Seck: Das Schiffszimmer in Wolkramshausen. In: Monumente – Magazin für Denkmalkultur in Deutschland, ISSN 0941-7125, 28. Jg. (2018), Nr. 3 (Juni).
- Hue de Grais Wolkramshausen – Schiffszimmer ist wieder zugänglich nnz-online.de 20. Mai 2018.
- Eintrag zu Schloss Hue de Grais in der privaten Datenbank „Alle Burgen“. Abgerufen am 17. September 2015.