Schlaftraining
Schlaftraining (auch: Einschlaftraining, Schlaferziehung) wird in der Erziehung von älteren Säuglingen und von Kleinkindern angewandt. Die meisten Kinder lernen von allein, bei Müdigkeit in den Schlaf zu finden und durchzuschlafen, bis sie ausreichend erfrischt sind. Schlaftraining wird bei Kindern eingesetzt, die dies nicht können, und zielt darauf, sie zu bemächtigen, aus eigener Kraft und ohne weitere Hilfestellung einzuschlafen.
In der Westlichen Welt haben etwa 20–30 % aller Kinder im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter Probleme einzuschlafen und während normaler nächtlicher Wachphasen in den Schlaf zurückzufinden.[1] Es wird davon ausgegangen, dass Schlafstörungen dieser Art zuvorderst drei Ursachen zugrunde liegen: 1. mangelndes Eingehen der Eltern auf Müdigkeitszeichen des Kindes; 2. eine ungünstige Schlafhygiene (z. B. unzureichendes Schlafen während des Tages, fehlende Entschleunigungsphasen oder unregelmäßige Bettgehzeiten); 3. die Gewöhnung des Kindes an elterliche Einschlafhilfe.[2] Für Kind und Eltern können Ein- und Durchschlafprobleme einen großen Leidensdruck erzeugen. Das Zubettbringen des Kindes wird regelmäßig von Wutgeschrei begleitet. Die Phasen nächtlichen Schreiens und aufwendige elterliche Interventionen bewirken, dass Kind und Eltern nicht genügend Schlaf bekommen. Wenn die Eltern die (Müdigkeits-)Signale des Kindes durch Stress und Schlaflosigkeit noch weniger wahrzunehmen vermögen, wird der Prozess selbstverstärkend.
Schlaftraining soll helfen, die erworbene Abhängigkeit des Kindes von der elterlichen Einschlafhilfe wieder zu vermindern und die Schlafhygiene zu verbessern.
Kindliche Schlafmuster
Etwa in der 32. Schwangerschaftswoche beginnt der REM-Schlaf des ungeborenen Kindes zyklische Muster aufzuweisen, die etwa in der 36. Woche – also vier Wochen vor der Geburt – in voll entwickelte Schlafzyklen übergehen; neben REM-Phasen umfassen diese auch lange Perioden ruhigen Schlafes.[3] Bereits vor der Geburt reagiert das Kind auf Bewegungen der Mutter und beginnt seinen Wach-Schlaf-Rhythmus dem ihren anzupassen.[4]
Noch Neugeborene schlafen jedoch 12–16 Stunden pro Tag. Unterstützt u. a. von der hormonellen Entwicklung reift der 24-Stunden-Rhythmus in den ersten 2–3 Monaten nach der Geburt weiter aus.[5] Während der ersten Lebenswochen schlafen Säuglinge zunächst auch tagsüber durchschnittlich 3–4 Stunden, später nehmen sie 1- bis 2-mal täglich ein Nickerchen. Gesunde, voll ausgetragene Kinder sind im Alter von 6 Monaten in der Regel physiologisch in der Lage, nachts ohne Fütterung auszukommen. Dabei nimmt die Häufigkeit des nächtlichen Aufwachens bei wenigstens zwei Dritteln der voll gestillten Säuglinge in den ersten sechs Monaten kaum ab[6] und alle Säuglinge wachen im Durchschnitt 2- bis 6-mal pro Nacht kurz auf. Ein Drittel bis zur Hälfte aller Kinder unter einem Jahr – im englischen Fachjargon werden sie als self-soothers („Selbstberuhiger“) bezeichnet – sind dann in der Lage, sich selbst zu beruhigen und von allein wieder einzuschlafen; die Eltern bemerken solches Aufwachen meist gar nicht. „Selbstberuhiger“ sind Kinder, die daran gewöhnt sind, im müden, aber noch wachen Zustand hingelegt zu werden. Sie lassen sich meist ohne großen Aufwand zum Schlafen hinlegen.[7]
Die Mechanismen, die den kindlichen Schlafrhythmus steuern, sind – anders als die des erwachsenen Schlafes – bis heute noch nicht vollständig erforscht.[8]
Prävention von Schlafproblemen
Ein Weg, der Entstehung von Schlafproblemen vorzubeugen, besteht in der Einhaltung von festen Schlafzeiten, einem adäquaten (d. h. nicht zu hohen) Maß elterlicher Interaktion mit dem Kind beim Zubettgehen sowie bei nächtlichem Erwachen und dem Niederlegen des Kindes in müdem, aber noch nicht schlafendem Zustand.[9]
Einige Autoren empfehlen darüber hinaus Nickerchen am Tage und eine angemessene Schlafdauer, um einer Übermüdung vorzubeugen[10]
Die Psychologin Lisa Adams (Arkansas Children’s Hospital) und der Kinderarzt Vaughn Rickert (University of Arkansas) haben in einer klinischen Studie nachgewiesen, dass Kinder, die im Rahmen einer guten, beruhigenden und emotional warmen Bettgehroutine zum Schlafen gelegt werden, vor dem Einschlafen weniger schreien als Kinder, die weniger sorgfältig zu Bett gebracht werden.[11] Wenn das Kind seine Müdigkeit mit angenehmen Erlebnissen assoziiert, fördert dies seine Einschlafautonomie. Bettgehrituale können z. B. darin bestehen, dass die Eltern dem Kind etwa 20 Minuten vor dem geplanten Einschlafen ein Bad geben, ihm vorlesen oder vorsingen oder mit dem Kind zusammen Musik hören.[12] Die Wohligkeit des selbstständigen Einschlafens überträgt das Kind dann auch auf nächtliches Halberwachen.[13]
Kinder von Eltern, die vor der Geburt an einschlägigen Elternkursen teilgenommen hatten, schliefen in klinischen Studien signifikant besser als Kinder unausgebildeter Eltern.[14] Auch Kinder, die Übergangsobjekte wie Schmusedecken, Kuscheltiere oder Schnuller verwenden und sich damit in Abwesenheit der Mutter selbst zu beruhigen vermögen, sind weniger anfällig für Schlafprobleme.[15]
Verhaltensbedingte Schlafprobleme der Kindheit
Die Forschung beschäftigt sich mit Schlafproblemen von Kindern erst seit Mitte der 1980er Jahre.[16] Kindliche Schlafprobleme, deren Ursachen im Erziehungsumfeld liegen, werden im englischen Fachjargon oft als infant and toddler sleep disturbance (ITSD, „Schlafstörung bei Säuglingen und Kleinkindern“) bezeichnet. Im Klassifikationssystem der American Academy of Sleep Medicine, ICSD, heißt das Phänomen behavioral insomnia of childhood (BIC, „verhaltensbedingte Schlaflosigkeit der Kindheit“). Volle Dyssomnien im Sinne des international anerkannten Klassifikationssystems der American Academy of Sleep Medicine werden bei Kindern nur selten diagnostiziert; um die hier dargestellten Störungen dennoch klassifizieren zu können, hat die Entwicklungspsychologin Erika Gaylor (SRI International) eine Nosologie für kindliche Protodyssomnien entwickelt, also für Vorformen von Dyssomnien. Unterschieden werden zwei Typen: Einschlafprobleme (in den ersten 24 Lebensmonaten: mehr als 30 Minuten) und Durchschlafprobleme (in den ersten 24 Lebensmonaten: mehr als zweimal pro Nacht). Häufig kommt beides zusammen.[17]
Rund jeder vierte Säugling weint anhaltend, wenn er für ein Nickerchen oder für die Nachtruhe zu Bett gelegt wird, benötigt die Hilfe der Eltern (Schaukeln, Füttern, Festhalten), um einzuschlafen, und weckt die Eltern auch während der Nacht schreiend auf. Im englischen Fachjargon werden solche Kinder als signalers („Signalgeber“) bezeichnet. Säuglinge, die von den ersten Lebenswochen an daran gewöhnt werden, abends in den Schlaf gestillt oder gewiegt zu werden, verlangen dies meist auch dann, wenn sie während der Nacht aufwachen.[7] Erstgeborene Kinder sind etwas häufiger betroffen als ihre jüngeren Geschwister.[18] Viele Mütter von Kindern mit Schlafproblemen haben eine Geschichte problematischer Bindungen.[19]
Anwendungsbereich des Schlaftrainings
Schlaftraining ist weder für Kinder geeignet, die unreife Schlaf-Wach-Muster aufweisen, noch für Kinder, die nachts noch gestillt werden.[6] Da sich die Objektpermanenz – also das Wissen, dass Eltern auch dann noch da sind, wenn man sie nicht sieht – bei Kindern erst im zweiten Lebenshalbjahr entfaltet, empfehlen viele Forscher, das Schlaftraining erst ab Ende des 6. Lebensmonats zu beginnen.[20] Bei jüngeren Säuglingen können sich Schlafstörungen im Gesamtbild einer Regulationsstörung zeigen (siehe auch: Exzessives Schreien im Säuglingsalter); das Problem sollte dann mit dem Kinderarzt besprochen werden.
Wenn traumatische Verlassenheitsängste bestehen, ist Schlaftraining auch nach dem 6. Lebensmonat nicht geeignet; dies betrifft vor allem Kinder aus Familien, in denen schwere psychische oder Suchtprobleme bestehen. Wenn sich in solchen Fällen Schlafprobleme ergeben, sollte ein Verhaltenspsychologe konsultiert werden.[21]
Kindliche Schlafprobleme können auch körperliche Ursachen haben, also zum Beispiel Schmerzen, wie sie etwa bei Koliken, gastroösophagealem Reflux („Sodbrennen“), der Hand-Fuß-Mund-Krankheit oder bei Infektionskrankheiten der oberen Luftwege (Erkältungen) vorkommen.[9] Schlaftraining ist auf Kinder zugeschnitten, deren Schlafprobleme offensichtlich keine körperlichen Ursachen haben, sondern erworben sind. Die Eltern haben dem Kind in diesem Falle angewöhnt, bis zum Einschlafen z. B. geschaukelt, gestillt, getragen oder im Auto herumgefahren, und erst schlafend niedergelegt zu werden.
Voraussetzungen
Voraussetzung aller nachfolgend dargestellten Methoden ist, dass die Eltern frühzeitig und zweifelsfrei erkennen, wann das Kind müde ist. Besonders bei unerfahrenen Eltern ist dies nicht immer der Fall. Auch verhalten sich nicht alle Babys gleich; Gähnen z. B. kann bei einigen Kindern ein frühes Müdigkeitssignal sein, während andere erst zu gähnen beginnen, wenn sie bereits stark übermüdet sind. Nicht ausreichend müde Kinder sind ebenso schwer zur Ruhe zu bringen wie solche, die bereits übermäßig ermüdet sind.
Typische Müdigkeitskennzeichen sind: Unaufmerksamkeit, starres Blicken, Abwenden, Vermeiden von sozialer Interaktion, Geräuschempfindlichkeit, Erschreckbarkeit, ungeschickte oder verlangsamte Motorik, ruckartige Bewegungen der Beine oder Arme, Durchwölben des Rückens und des Nackens, Winden des Körpers, Kopfrollen, Strecken oder Spreizen der Finger, Desinteresse an Spielsachen oder Nahrung, Zupfen an Ohren oder Haar, Reiben des Gesichts und der Augen, sorgenvolles Gesicht, Stirnrunzeln, Grimassieren, sinkende Augenlider, Lutschen an Fingern und Objekten, Grunzen, Gähnen. Bei manchen Kindern macht Müdigkeit sich zunächst auch durch gesteigerte Lebhaftigkeit bemerkbar.[22]
Zeichen für Übermüdung sind: die vorgenannten Anzeichen in Verbindung mit Weinen, Unleidlichkeit und Reizbarkeit; Ankämpfen gegen den Schlaf; das Kind ist unruhig, wenn es im Arm gehalten wird, wehrt sich aber dagegen, niedergelegt zu werden.[23]
Methodenübersicht
Eine 2006 von einem Forscherteam der Saint Joseph’s University in Philadelphia vorgelegte Metastudie hat aufgewiesen, dass die meisten heute üblichen Methoden des Schlaftrainings sehr wirksam sind und Kind und Eltern hohen Nutzen bringen – solange die Eltern sich behaglich damit fühlen und die Methode konsequent durchführen.[24]
Alle hier beschriebenen Methoden zielen darauf ab, Weinen und Schreien des Kindes vor dem Einschlafen dadurch abzugewöhnen, dass es durch elterliche Beachtung nicht noch ermutigt wird. Für das Kind werden dadurch die Bedingungen geschaffen, die es benötigt, um zu lernen, sich aus eigener Kraft zu beruhigen und ohne elterliche Hilfe einzuschlafen und durchzuschlafen.[9]
Unmodifizierte Entwöhnung nach Weissbluth („Cry It Out“)
Der Kinderarzt Marc Weissbluth, Gründer des Sleep Disorder Center am Lurie Children's Hospital in Chicago, gilt als der namhafteste Befürworter einer Methode, die im englischen Fachjargon Unmodified Extinction („unmodifizierte Entwöhnung“) genannt wird.[10] Volkstümlich nennt man die Methode im englischsprachigen Raum „Cry It Out“ (etwa: „ausschreien lassen“).
Die Methode besteht darin, das Kind, sobald es ermüdet ist, in wachem Zustand ins Bett zu legen und die Nacht über allein zu lassen; Schreien wird ignoriert, außer wenn das Kind, z. B. durch Erbrechen, offenbar wirklich in Not gerät. In einer klinischen Studie führte die Methode nach drei Tagen zwar zu einem verminderten Spiegel des Stresshormons Cortisol der Mütter, der Cortisolspiegel der Säuglinge stieg jedoch an, auch wenn diese äußerlich ruhiger wirkten.[25][26]
Stufenweise Entwöhnung nach Ferber
Der Neurologe und Kinderarzt Richard Ferber (Harvard University und Boston Children’s Hospital) empfiehlt eine abgestufte Variante des Schlaftrainings, die im englischen Fachjargon als Graduated Extinction („stufenweise Entwöhnung“) bezeichnet wird. Weitere Bezeichnungen sind Check and Console („kontrollieren und trösten“) und Controlled Crying („kontrolliertes Weinenlassen“). Im deutschsprachigen Raum spricht man von „Ferbern“ (als Verb) bzw. von der Ferber-Methode; hier hat sich das Autorenteam Annette Kast-Zahn und Hartmut Morgenroth (Jedes Kind kann schlafen lernen, 1995) für die Ferber-Methode eingesetzt.[27]
Auch bei dieser Methode wird das Kind in müdem, aber noch wachen Zustand zu Bett gelegt und allein gelassen. In der ersten Nacht schauen die Eltern, wenn das Kind so lange schreit, nach 3 Minuten kurz nach dem Rechten, reden dem Kind beruhigend zu und reiben ihm eventuell den Rücken, nehmen es aber nicht hoch. Die zweite Kontrolle erfolgt nach 5 Minuten; alle weiteren Kontrollen erfolgen nach jeweils 10 Minuten. In den nächsten Nächten werden die Abstände zwischen den Kontrollbesuchen beim schreienden Kind den Vorgaben der folgenden Tabelle entsprechend immer weiter ausgedehnt, bis sie ein Maximum von 30 Minuten erreichen. Kontrollen erfolgen nur, solange das Kind schreit und nehmen nicht mehr als etwa 15 Sekunden in Anspruch. Die Tabelle bildet nur die Grundidee ab, die Zahlen weichen bei manchen Autoren leicht ab.[28]
Nacht Nr. | 1. Kontrolle | 2. Kontrolle | 3. und jede weitere Kontrolle |
---|---|---|---|
1 | nach 3 Min. | nach 5 Min. | nach 10 Min. |
2 | 5 | 10 | 12 |
3 | 10 | 12 | 15 |
4 | 12 | 15 | 17 |
5 | 15 | 17 | 20 |
6 | 17 | 20 | 25 |
7 | 20 | 25 | 30 |
Auch diese Methode ist in klinischen Studien vielfach untersucht und als effizient bestätigt worden.[29][30] Bei einigen Kindern war sie schon nach wenigen Tagen wirksam, bei anderen jedoch hat sie bis zu 4 Wochen in Anspruch genommen.[31][25] Viele Eltern geraten in dieser Zeit so unter Stress, dass sie das Training abbrechen.[32]
Entwöhnung mit anwesenden Eltern
Bei dieser Methode, die im Englischen als „Parental Presence“-Methode bezeichnet wird, schläft ein Elternteil eine Woche lang im selben Zimmer wie das Kind, in einem separaten Bett, das für das Kind sichtbar ist. Wenn das Kind müde ist, wird es mit kurzem Ritual hingelegt; der Elternteil legt sich in sein eigenes Bett und stellt sich schlafend. Nachdem das Kind (nach mehr oder weniger viel Geschrei) eingeschlafen ist, hat der Elternteil die Wahl, entweder ebenfalls zu schlafen, oder aufzustehen und zurückzukehren, wenn er selbst müde ist. Wenn das Kind nachts aufwacht und schreit, wird es verbal einige Minuten lang beruhigt, dann schützt der Elternteil wieder vor, eingeschlafen zu sein. Nach Ablauf der ersten Woche legt der Elternteil sich selbst nicht mehr hin, sondern lässt das Kind entweder allein oder kommt, solange das Kind schreit, alle 5–10 Minuten zu einer kurzen Kontrolle (ähnlich wie bei der Ferber-Methode). Falls der Elternteil sein ständiges Bett im selben Zimmer hat, legt er sich erst dann hin, wenn er müde ist. Die Vertreter der Methode berichten, dass Kinder bei dieser Methode weniger schreien als bei den Methoden nach Weissbluth bzw. Ferber, und dass sie dazu führe, dass das Kind nach einer Woche durchschlafe.[33]
Manche Autoren stufen auch Co-Sleeping als Methode des Einschlaftrainings ein. In wissenschaftlichen Studien ist ein Effekt dieser Praxis auf die Fähigkeit des Kindes zum selbstständigen Einschlafen bisher allerdings nicht nachgewiesen worden.[34]
Ausschleichende Entwöhnung
In der Literatur sind viele weitere Methoden beschrieben worden, wie Eltern die Hilfe, die sie ihrem Kind bislang zum Einschlafen gegeben haben, Schritt für Schritt zurücknehmen können.[35] So empfiehlt die Autorin Kim West z. B., dass ein Elternteil zunächst direkt neben dem Kinderbett auf einem Stuhl sitzt, um das müde, schreiende Kind zu beruhigen; über einen Zeitraum von mehreren Wochen wird der Stuhl dann immer weiter vom Bett entfernt, bis er schließlich jenseits der Tür steht.[36] Methoden, bei denen der Elternteil sich vom Kind räumlich immer weiter entfernt, werden im Englischen auch als „Camping Out“ bezeichnet.[9]
Die Autorin Elizabeth Pantley, die William Sears und dem Attachment Parenting nahesteht, empfiehlt, zunächst vor allem die Bettgeh-Routine zu verbessern und das Kind dann einfühlsam und ohne feste Vorgehensweise in ganz kleinen Schritten von der elterlichen Schlafhilfe zu entwöhnen. Erst im letzten Moment vor dem Einschlafen soll das Kind niedergelegt, aber wieder hochgenommen werden, falls es erneut zu weinen beginnt. Pantleys Methode ist in den Vereinigten Staaten als No Cry Sleep Solution („Tränenfreie Schlaf-Lösung“) bekannt, nimmt allerdings mehrere Wochen in Anspruch und ist weniger zuverlässig als die vorgenannten Methoden.[37] Im deutschsprachigen Raum hat Karl Heinz Brisch ähnliche Empfehlungen formuliert.[38]
Zusätzliche Interventionen
Für Kinder, die nachts zu festen Zeitpunkten aufwachen und dann nicht ohne Hilfe wieder einschlafen, empfehlen einige Forscher eine Methode, die als Scheduled Awakening („planmäßiges Wecken“) bezeichnet wird. Das Kind wird hierbei 15–30 Minuten vor dem erwarteten nächtlichen Erwachen geweckt und dann beruhigt, damit es erneut einschläft. Das Wecken des Kindes erfolgt zunächst regelmäßig, nach einigen Tagen dann aber immer seltener, in der Hoffnung, dass das Kind nun weniger leicht aufwacht.[39] Die Methode gilt als nicht sehr zuverlässig.[9]
Kritik
Zu den schärfsten Kritikern jeglichen Schlaftrainings zählt William Sears, der sich seit den frühen 2000er Jahren um die Popularisierung des Attachment Parenting bemüht. Sears rät Eltern, ihre Kinder grundsätzlich niemals schreien zu lassen, und ist davon überzeugt, dass langes Schreien, wie es beim Schlaftraining die Regel ist, bei Kindern aufgrund erhöhter Cortisolausschüttungen zu Hirnschäden führen könne.[40]
Die von Sears zitierte Studie zu stressinduzierten Entwicklungsstörungen bei Kindern nennt als Ursache jedoch keineswegs Schreienlassen vor dem Einschlafen (bei einer ansonsten glücklichen Kindheit), sondern Szenarien, in denen Kinder – wie z. B. in chinesischen oder rumänischen Waisenhäusern – schwerwiegend vernachlässigt oder misshandelt wurden.[41] Die Autoren haben sich über Sears’ fehlerhafte Darstellung ihrer Befunde später beschwert.[20] Bei einer weiteren Studie, die Zusammenhänge zwischen exzessivem Schreien und verminderter Intelligenz beschrieben hat und auf die Sears sich ebenfalls beruft, ignoriert er, dass hier gar nicht die Folgen von Schlaftraining untersucht worden sind, sondern eine Stichprobe von Schreikindern, bei denen neurologische Störungen vorlagen, die möglicherweise beides verursacht haben: Intelligenzminderung und exzessives Schreien.[20] Das fehlerhafte Berufen auf Studien, die seine Thesen überhaupt nicht belegen, ist Sears auch in anderen Fällen vorgeworfen worden.[42]
Der Vorwurf, Schlaftraining sei grausam und stelle keine Erziehung, sondern eine Bestrafung des Kindes dar, gehört zu den Standard-Kritikpunkten fast aller Gegner des Schlaftrainings.[9]
Im deutschsprachigen Raum hat Herbert Renz-Polster sich gegen das Schlaftraining ausgesprochen.[43] Ob Menschen als Antwort auf Nähebedürfnis des Kindes vor dem Einschlafen eher Nachgeben oder Distanz für richtig halten, hängt ihm zufolge mit eigenen „inneren Mustern“ zusammen. Als innere Muster nennt Renz-Polster das Bild des Kindes („Kindesbild“) und die von dem eigenen Aufwachsen und der Befindlichkeit beeinflusste „Beziehungssprache“.[44]
Auch auf Internetforen wird Kritik am Schlaftraining artikuliert; so hat im Jahre 2013 eine Mutter eine Petition gegen die Neuauflage von Kast-Zahns und Morgenroths Buch gestartet, konnte aber nicht die notwendige Anzahl von Unterschriften zusammenbringen.[45]
Klinische Studien zu Risiken und Nutzen
Mögliche Schäden durch Schlaftraining
Die Erziehungspsychologin Wendy Middlemiss und andere haben an der University of North Texas 2012 eine Studie durchgeführt, für die Kinder mit Schlafproblemen und ihre Mütter während eines fünftägigen stationären Schlaftrainings beobachtet wurden. Die Studie zeigte, dass die Kinder in den Phasen des Schlafüberganges (in denen ihre Mütter sie schreien ließen) erhöhte Cortisolspiegel aufwiesen. Am dritten Tag schrien sie weniger, wiesen während des Schlafüberganges aber weiterhin erhöhte Cortisolspiegel auf. Die Mütter hingegen wiesen nur so lange erhöhte Cortisolspiegel auf, wie ihre Kinder viel schrien.[25]
Die 2012 von der Forschergruppe um Anna M. H. Price veröffentlichte klinische Studie mit 173 Sechsjährigen schlussfolgerte, dass Kinder, die als Säuglinge Einschlaftraining erhalten hatten, sich in puncto emotionale Entwicklung, seelische Gesundheit, Elternnähe und Elternbindung in keinerlei Hinsicht von Kindern unterschieden, die nicht trainiert worden waren.[46] Eine weitere 2012 veröffentlichte Studie derselben Forschergruppe hat sich mit dem Langzeitschicksal von Kindern beschäftigt, die im Alter von 8 Monaten Schlaftraining nach Ferber oder nach der Camping-Out-Methode erhalten hatten; auch diese Kinder wiesen 5 Jahre später keine psychischen Auffälligkeiten auf.[47] Die Studien wurden aufgrund mehrerer methodischer Schwächen kritisiert: Etwa ein Drittel der Studienteilnehmer nahmen nicht mehr an der Nachuntersuchung nach fünf Jahren teil, insbesondere solche Familien mit benachteiligtem sozialen Hintergrund; das Schlaftraining für die Säuglinge war nicht einheitlich, sondern konnte von den Eltern selbst gewählt werden; die Kontrollgruppe wurde nicht auf mögliche selbst initiierte Schlaftrainings hin überprüft.[48][49]
Die American Academy of Sleep Medicine empfiehlt die „Cry It Out“-Methode als Standardverfahren zur Behandlung verhaltensbedingter kindlicher Schlafstörungen.[9]
Nutzen
Der Nutzen rechtzeitigen Schlaftrainings liegt darin, Kindern, die sich als „Signalgeber“ erweisen, spätere Probleme zu ersparen. Langzeitstudien haben gezeigt, dass ungelöste Einschlafprobleme bei Säuglingen eine Tendenz haben, sich bis ins Vorschulalter und ins Schulalter fortzusetzen.[50] Sie können die physische, emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes stören,[51] Übergewicht begünstigen,[52] und sind wiederholt auch mit ADHS in Zusammenhang gebracht worden.[53] Kindliche Schlafprobleme können die Eltern-Kind-Beziehung stören;[54] neben anhaltendem Schreien bilden sie den zweithäufigsten Auslöser für Säuglingsmisshandlung, die beispielsweise zu Schütteltraumata führen.[55] Eltern, die aufgrund von Schlafproblemen ihres Kindes selbst nicht genügend Schlaf bekommen, sind erhöht anfällig für Partnerschaftskonflikte und, besonders die Mutter, für Depressionen.[56] In einer Langzeitstudie wurde festgestellt, dass die Mütter einschlaftrainierter Kinder seltener an Depressionen erkrankt waren als die Mütter der Vergleichsgruppe. Depressionen der Mutter sind eine der Hauptursachen für Bindungs- und andere seelische Störungen beim Kind.[46]
Literatur
- Richard Ferber: Schlaf, Kindlein, schlaf, Editions Trobisch, 1996, ISBN 978-3-87827-074-4.
- Annette Kast-Zahn, Hartmut Morgenroth: Jedes Kind kann schlafen lernen. Graefe und Unzer, 2013, ISBN 978-3-8338-3618-3.
- Evelyne Touchette: Factors Associated with Sleep Problems in Early Childhood, 2011. Forschungsorientierter Übersichtsartikel über kindliche Schlafprobleme
- Marc Weissbluth: Gesunder Schlaf – glückliches Kind: Umfassende Hilfe bei Schlafproblemen, Beltz, 1997, ISBN 978-3-407-85719-4.
Weblinks
- "Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen" Webseite der Charité, Berlin
- Ferbern, was ist das? – Die Ferber Methode, die 2015 archivierte Version der Internetseite "www.ferbern.de", die seitdem nicht mehr zu erreichen ist.
- Dangers of "Crying It Out" Webseite von Psychology Today, New York
Einzelnachweise
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