Schlacht um Kiew (2022)
Die Schlacht um Kiew ist eine laufende militärische Auseinandersetzung im Rahmen des Überfalls auf die Ukraine um deren Hauptstadt Kiew zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften, die am 24. Februar 2022 begann. Laut ukrainischen Medien konnte der russische Vormarsch vorerst durch die Soldaten und die ukrainische Bürgerwehr gestoppt werden.
Hintergrund
Russische Truppen rückten im Rahmen des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 vor allem von Norden und Nordosten in Richtung Kiew vor. In Belarus stationierte russische Streitkräfte überquerten die belarussisch-ukrainische Grenze bei der Sperrzone von Tschernobyl um den 1986 havarierten Atomreaktor des Kernkraftwerks Tschernobyl und konnten das nur knapp 70 Kilometer von Kiew entfernte Gebiet nach heftigen Gefechten binnen 24 Stunden nach Beginn der Invasion erobern.[1] Eine Offensive aus dem Nordosten konnte gestoppt werden, als ukrainische Truppen die russischen Streitkräfte bei Tschernihiw zurückdrängten.[2] Im Laufe des 24. Februar eroberten russische Truppen den Flughafen Kiew-Hostomel etwa 30 Kilometer nordwestlich des Kiewer Stadtzentrums, ukrainischen Angaben zufolge wurde der Flughafen am Abend wieder von ukrainischen Truppen eingenommen. Der Flughafen gilt als strategisch wichtig, da Russland über den Flughafen schnell notwendige Truppen und Ausrüstung für den Angriff auf Kiew einfliegen könnte.[3] Am Morgen des 25. Februar 2022 sprengten ukrainische Streitkräfte etwa 30 Kilometer nördlich von Kiew eine Brücke über den Fluss Teteriw, um den Vormarsch weiterer russischer Truppen aufzuhalten.[4]
Laut Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich an einem nicht näher bekannten Ort in Kiew aufhält, sei er selbst das „Ziel Nr. 1“ und seine Familie das „Ziel Nr. 2“.[5] Die US-amerikanische Regierung geht davon aus, dass Putin die ukrainische Regierung stürzen will, um ein eigenes Regime einzusetzen.[6] Im Januar 2022 waren laut einem Bericht der englischen Zeitung The Times etwa 400 Söldner der russischen Gruppe Wagner von Belarus aus in die Ukraine eingedrungen. Ihr Ziel soll es sein, in Kiew die Ermordung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie weiterer hochrangiger Personen der ukrainischen Regierung durchzuführen und die Machtübernahme durch Russland zu unterstützen.[7][8]
Verlauf
Am Nachmittag des 24. Februar 2022 wurde in Kiew Luftalarm ausgelöst, daraufhin wurde die Bevölkerung aufgefordert, in Luftschutzbunkern Schutz zu suchen. Viele Menschen fanden dabei in der Metro Kiew Zuflucht, vier U-Bahn-Stationen wurden von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko als Luftschutzbunker ausgewiesen.[9] Zahlreiche Menschen flohen aus der Hauptstadt, vor allem in Richtung Westen, es kam zu langen Verkehrsstaus.[10]
Bei Raketenangriffen, die um 4 Uhr Ortszeit am 25. Februar 2022 begannen, wurde unter anderem ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen, wobei drei Menschen verletzt wurden. Zudem wurde ukrainischen Angaben zufolge ein russisches Militärflugzeug über Kiew abgeschossen, was von Russland dementiert wurde. Am 25. Februar drangen zudem laut Informationen des ukrainischen Verteidigungsministeriums erstmals russische Einheiten auf das Stadtgebiet vor und erreichten den Rajon Obolon, einen Stadtbezirk im Nordwesten Kiews. Angaben des ukrainischen Militärs zufolge haben russische Streitkräfte ukrainische Militärfahrzeuge gekapert, um sich als ukrainische Truppen auszugeben und nach Kiew einzurücken. Die ukrainische Regierung forderte die Bevölkerung dazu auf, sich mit Molotowcocktails auf einen Angriff vorzubereiten und Informationen über Sichtungen russischer Truppen weiterzugeben; gleichzeitig wurde dazu geraten, in den Wohnungen zu bleiben.[2][11] Übereinstimmenden Medienberichten zufolge finden seit dem Mittag des 25. Februar Kämpfe im Stadtgebiet von Kiew statt.[12]
Auch in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 2022 fanden Kämpfe statt, bei denen die russischen Streitkräfte laut Aussagen der ukrainischen Regierung keine Gebietsgewinne erzielten. Bürgermeister Klitschko meldete um 6 Uhr Ortszeit 35 Verletzte. Präsident Selenskyj meldete sich mit einem Video aus Kiew, um Falschmeldungen entgegenzutreten, er habe die Hauptstadt verlassen. Ukrainischen Angaben zufolge wurde am Morgen des 26. Februar eine russische Rakete abgeschossen, deren Ziel der Staudamm am Kiewer Meer gewesen sei, der der Wasserversorgung der Stadt dient. Eine Zerstörung des Staudamms könnte zu einer Überflutung großer Flächen auch im Kiewer Stadtgebiet mit der Folge vieler Tote führen.[13] Zudem fanden Kämpfe um ein Heizkraftwerk im Nordosten Kiews statt. Ein russischer Angriff auf eine Kaserne in Kiew konnte durch ukrainische Streitkräfte zurückgeschlagen werden.[14]
Am 26. Februar trat in Kiew eine vollständige Ausgangssperre ab 17 Uhr Ortszeit bis 8 Uhr am Montag, dem 28. Februar, in Kraft. Wer sich in dieser Zeit auf der Straße aufhielte, würde als Feind betrachtet. Bereits zuvor hatte eine Ausgangssperre zwischen 22 und 7 Uhr bestanden, die auch danach wieder galt.[15] Auch anschließend war die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich nur wenn notwendig außerhalb der eigenen Wohnung aufzuhalten, da weiterhin Straßenkämpfe stattfänden, wobei der Großteil der russischen Truppen sich 30 Kilometer entfernt befände. In der Nacht vom 26. Februar auf den 27. Februar explodierte ein Öldepot in der rund 40 Kilometer südwestlich gelegenen Stadt Wassylkiw, was auch in Kiew zu sehen war. Bis zum 27. Februar gab es in Kiew laut Klitschko neun zivile Todesopfer.[16][17] Am 28. Februar rückte die Hauptkolonne der Russen etwa fünf Kilometer auf die Stadt vor. In der Nacht zum 1. März wurde berichtet, dass zwischen Prybirsk und dem Flughafen Kiew-Hostomel ein 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi vor Kiew steht.[18]
Am Nachmittag des 1. März kündigte das russische Verteidigungsministerium einen Angriff auf mehrere Orte im Zentrum von Kiew an und forderte die dortigen Anwohner auf, ihre Häuser zu verlassen. Dabei wurde unter anderem der Fernsehturm Kiew getroffen, gegen 17:20 Uhr Ortszeit ereignete sich dort eine Explosion, wodurch die Ausstrahlung des Fernsehprogramms unterbrochen wurde.[19][20] Eine russische Bombe schlug in einem der Gebäude ein, die Teil des in Aufbau befindlichen Babyn-Jar-Memorials werden sollten.[21]
Laut einem OSZE-Beobachter sickerten innerhalb der ersten Kriegswoche Speznas und Schläfer nach Kiew ein, die von ukrainische Spezialkräften verfolgt werden.[22]
Laut dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, ist mit Stand zum 4. März die kritische Infrastruktur, die Versorgung mit Strom, Elektrizität und Wasser in Gefahr und die anderweitige Versorgung (Logistik) zusammengebrochen.[23]
Weblinks
Einzelnachweise
- Russisches Militär übernimmt Kontrolle über Tschernobyl. In: tagesspiegel.de. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Angriff auf die Ukraine: Erste russische Einheiten in Kiew. In: tagesschau.de. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Kampf um Flughafen Hostomel: Warum der Landeplatz für die russische Armee so wichtig ist. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Kyiv residents calm and resolved as Russian forces converge on Ukraine’s capital. In: CNN. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022 (englisch).
- Selenskyj ordnet allgemeine Mobilmachung an: "Der Feind hat mich als Ziel Nr. 1 markiert" In: t-online.de. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Biden fürchtet, dass Russland die ukrainische Regierung stürzen will. In: tagesspiegel.de. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Maveen Rana: Volodymyr Zelensky: Russian mercenaries ordered to kill Ukraine’s president. In: The Times. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022 (englisch).
- 400 Söldner in Kiew auf Selenskyj angesetzt. In: n-tv.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Zum Schutz vor Bomben: Ukrainerinnen und Ukrainer verbringen Nacht in U-Bahn-Stationen. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 24. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Markus Balser, Constanze von Bullion: Krieg in der Ukraine: Auf der Flucht. In: Süddeutsche Zeitung. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Schüsse nahe Regierungszentrale zu hören – Zivilisten aufgerufen, Molotowcocktails zu werfen. In: welt.de 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Krieg in der Ukraine: Tote und Verletzte – Schwere Kämpfe um Kiew. In: Frankfurter Rundschau. 25. Februar 2022, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Kampf um Kiew: Russischer Angriff vorerst abgewehrt? In: tagesschau.de. 26. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Angriff auf Kiew Schüsse, Kämpfe, Detonationen. tagesschau, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Suche nach Sabotagetrupps: In Kiew herrscht Ausgangssperre bis Montag. In: n-tv.de. 26. Februar 2022, abgerufen am 27. Februar 2022.
- Kiew hält russischer Offensive Stand. In: tagesschau.de. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
- Was in der Nacht im Ukraine-Krieg passiert ist – der Überblick. In: tagesspiegel.de. 27. Februar 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Riesiger russischer Militärkonvoi vor Kiew. In: tagesschau.de. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Ukraine-Krieg: Großangriff auf Kiew – Fernsehturm wird bombardiert. In: Frankfurter Rundschau. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Daniel Krause: Fernsehturm in Kiew durch russischen Angriff getroffen. In: tagesspiegel.de. 1. März 2022, abgerufen am 1. März 2022.
- Reaktionen der Filmwelt auf den Krieg in der Ukraine - Wen trifft der Boykott? In: tagesspiegel.de. 2. März 2022, abgerufen am 3. März 2022.
- Susanne Koelbl: (S+) Deutscher Militärexperte über russische Invasion: Wie lange kann die Ukraine dem Angriff standhalten? In: Der Spiegel. 3. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. März 2022]).
- Russland-Ukraine-News: CDU stellt Bedingungen für 100-Milliarden-Paket der Bundeswehr. In: Der Spiegel. 4. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. März 2022]).