Schifffahrtsbetrieb Rorschach
Der kommunale Schifffahrtsbetrieb Rorschach (SBR) war 1960 Nachfolger des privaten Motorbootbetriebs Gottlieb Füllemann. Seit 2007 sind die drei SBR-Schiffe in der Flotte der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt (SBS) integriert. Zwei davon blieben weiterhin in Rorschach im Kanton St. Gallen stationiert.
Vorgeschichte
Rorschach ist seit dem Mittelalter eine wichtige Hafenstadt für die Bodenseeschifffahrt, vor allem während der Blütezeit des bedeutenden Klosters Sankt Gallen, das 15 km südwestlich liegt. Der Warenaustausch über die deutschen Bodenseehäfen und mit Italien sowie die frühe Eisenbahnanbindung stärkten die Stellung des kleinen Hafens. Ausser den Lädinen Rorschacher Schiffsleute hatte von 1864 bis 1870 das Dampfschiff Rorschach der Gebrüder Helfenberger hier seinen Heimathafen. Es war das renovierte Wrack des bayerischen Glattdeckers Ludwig, der 1861 nach der Havarie mit der Stadt Zürich sank und 1863 gehoben wurde. Im Besitz der Firma Immer und Bräuing sank das inzwischen antriebslose Güterschiff erneut 1870 vor Bregenz bei einem Sturm und wurde abgebrochen, womit die kurze Rorschacher Dampfschifffahrt ihr Ende fand. Bezogen auf das Baujahr 1838, ist die Rorschach das älteste schweizerische Bodensee-Dampfschiff.
Motorbootbetrieb Gottlieb Füllemann (1906 bis 1959)
Gottlieb Füllemann sen. (1872–1956) betrieb in Rorschach einen Bootsbaubetrieb, der 1903 im Kundenauftrag die Rorschach baute, eines der ersten Passagiermotorboote (20 Personen) auf dem Bodensee. 1904 übernahm er eine Bootsvermietung und kaufte 1905 die Rorschach zurück, mit der er 1906 einen Motorbootbetrieb eröffnete. Mit dem zweiten Boot, dem 30-Personen-Eigenbau Luna, führte er ab 1907 Kursfahrten nach Horn TG, Arbon sowie Altenrhein durch und von dort den alten Rheinlauf hinauf bis Rheineck. Dort ist 400 m ü. M. die höchstgelegene Schiffslandestelle der Rheinschifffahrt. 1916 baute er mit seinem Sohn die Stadt St. Gallen. Mit dem Umbau der 1920 gekauften Strandfee endete die erste Serie mit vier Booten für je etwa 30 Fahrgäste. 1930 folgte die grosse Rheinlust (I), ein Werftbau für 160 bis 180 Personen und Flaggschiff des erfolgreichen Familienbetriebs. Der Zweite Weltkrieg brachte auch der neutralen Schweiz erhebliche Einschränkungen: Die Stadt St. Gallen und sogar die Rheinlust (I) mussten verkauft werden.
1948 übernahm Gottlieb Füllemann jun. den Betrieb seines Vaters mit den Motorbooten Luna und Strandfee. Bald folgten zwei ähnlich aussehende Boote für jeweils 60 Personen: Das Wrack der 1910 gebauten Silberhecht wurde 1950 von der Bodan-Werft zur Rheinlust (II) aufgebaut, die Seeschwalbe wurde 1952 in Ostfriesland erworben. 1959 orientierte sich Füllemann um und bot den kleinen Traditionsbetrieb zum Verkauf an.
Schifffahrtsbetrieb Rorschach (SBR, 1960 bis 2006)
Um die beliebte Schiffsverbindung zu erhalten, gründeten die Gemeinden Rorschach (56,8 %), Rheineck (28,4 %) und Thal (14,8 %) den „Motorbootbetrieb Rorschach-Rheineck“, der 1960 den Bootsbetrieb Füllemann mit den beiden Motorbooten Rheinlust (II) und Seeschwalbe übernahm. 1973 wurde der Betrieb in „Städtischer Motorboot- und Schifffahrtsbetrieb“ umbenannt, 1978 in „Schifffahrtsbetrieb Rorschach“ (SBR). Hohe Reparaturkosten und die absehbaren Ausmusterungen führten zur Erneuerung der SBR-Flotte. 1970 wurde die Rhyspitz für 150 Passagiere auf der Bodan-Werft gebaut, ebenso 1977 das SBR-Flaggschiff Rhynegg für 300 Personen. Sie ersetzte die Seeschwalbe; Rheinlust (II) wurde 1980 ausgemustert. Auf der Lux-Werft entstand 1983 das kleinste (60 Personen) und bis heute jüngste Schiff Alte Rhy.[1] Die höhere Kapazität führte zu steigenden Passagierzahlen, die jedoch sehr von Wetter und Wasserstand des Alten Rheins abhängen. 2004 trat der SBR als fünfte Schifffahrtsgesellschaft den Vereinigten Schifffahrtsunternehmen für den Bodensee und Rhein (VSU) bei.
SBR in der Schweizerischen Bodensee-Schiffahrtsgesellschaft (SBS)
Langfristig überstiegen die jährlichen Defizite die Kapazität der drei Trägergemeinden des SBR. Sie vereinbarten deshalb 2007 mit der SBS[2] eine Einbringung ihrer drei kleineren Schiffe in die Flotte der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt (SBS) mit vier grösseren Fahrgastschiffen, Heimathafen Romanshorn.[3] Da sich die Linien und Schiffe gut ergänzen, rechnen beide mit positiven Synergieeffekten. Der SBR ging bei dieser Fusion in der SBS auf, erhalten blieb aber der Heimathafen Rorschach, die Hafenanlagen und das Personal sowie die Mitsprache der drei Gemeinden durch eine Beteiligung von einem Drittel am Aktienkapital der SBS AG. Die ehemalige SBR-Flotte fuhr vorerst unter der Bezeichnung „SBS-Schifffahrt AG – Rorschach“. Die gesonderte Mitgliedschaft des SBR in den VSU ist wieder erloschen. Seitdem die Rhyspitz 2011 im Bodensee-Querverkehr (Altnau – Immenstaad – Hagnau) eingesetzt wird, ist ihr Heimathafen Romanshorn.
SBR-Flotte 2006/2007
Rhyspitz | Rhynegg | Alte Rhy | |
---|---|---|---|
Bauwerft | Bodan-Werft | Bodan-Werft | Lux-Werft |
Indienststellung | 1970 | 1977 | 1983 |
Länge ü.a. | 28,60 m | 31,15 m | 22,00 m |
Breite ü.a. | 5,20 m | 7,00 m | 4,60 m |
Wasserverdrängung | 45 t | 107 t | 32 t |
Leistung | 2 × 224 PS | 2 × 245 PS | 245 PS |
Propeller | 2 Schrauben | 2 Schottel-Ruderpropeller | 1 Schottel-Ruderpropeller |
Passagiere | 150 | 300 | 60 |
Bemerkung | Umbau 1991 | Umbau 2004 | Umbau 2003 |
Quelle: VSU-Medienkonferenz/Pressemappe 2007, S. 27
Sonnenkönigin in Rorschach
Die Sonnenkönigin, das „Eventschiff“ mit dem unkonventionellen Design, hatte nach der Indienststellung im September 2008 ihren Heimathafen bis September 2009 in Rorschach. Die Eignerin der Sonnenkönigin, die Walter Klaus GmbH & Co KG, ist mit 40 % an der SBS AG beteiligt und somit auch an der ehemaligen SBR-Flotte. Das Schiff hat in Rorschach einen Liegeplatz, dessen Dalben speziell für den 1000-Tonner verstärkt worden sind.
Weblinks
- Paul Hug: Rorschach als Schiffahrtplatz einst und heute. Zum 25jährigen Bestehen des Schiffahrtbetriebes Rorschach. In: Rorschacher Neujahrsblatt 76, Rorschach 1986, S. 26–34.Verein Bibliotheken der Regio Bodensee: Kulturelles Erbe der Regio Bodensee online
- Tagblatt vom 14. Juni 2012 zur Flottengeschichte von G. Füllemann & Sohn.
- Tagblatt vom 11. Juli 2007 zur Fusion SBR/SBS (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- Bilder und Daten im Schiffsregister von bodenseeschifffahrt.de
Literatur
- Dampferzeitung 5/1990: Beachtlicher Kleinbetrieb auf großem See: Schiffsbetrieb Rorschach , Luzern 1990. (Grundlage des Artikels, sofern nicht anders vermerkt)
Einzelnachweise und Fussnoten
- Die Namen sind die lokalen Bezeichnungen für Rheineck, den Alten Rhein und dessen Mündung in den Bodensee
- Die SBS AG übernahm 2007 den Schiffsbetrieb mit Immobilien der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).
- Die aktuelle Flotte der SBS