Sand (Tankred Dorst)
Sand ist ein Szenarium von Tankred Dorst, nach dem 1971 im WDR unter der Regie von Peter Palitzsch ein TV-Film produziert und am 26. Oktober desselben Jahres in der ARD gesendet wurde[1].
Am 23. März 1819 ersticht der radikale Wunsiedeler Burschenschafter Carl Sand – ein Jenaer Student der Theologie[2] – in Mannheim den Weimarer Schriftsteller Kotzebue. In dem oben genannten Film spielte Valentin Jeker den Sand und Malte Jaeger den Kotzebue.[3][A 1]
Historie
Tankred Dorst begnügt sich mit Andeutungen[A 2]. Eigentlich setzt er die Kenntnis der konkreten Ursache des politisch motivierten Mordes voraus. 1817 hatten – infolge der Befreiungskriege – vaterländisch gesinnte deutsche Studenten auf dem Wartburgfest das Buch „Geschichte der Deutschen“ des Russischen Staatsrats Kotzebue verbrannt. Denn der Schriftsteller hatte die hehren Ideale deutscher Nationalbewegung der Burschenschafter verhöhnt.
Szenen
In 68 Szenen führt der Weg Sands, des Mannes mit den zwei Dolchen im Gewande, über Jena, Wunsiedel, Erfurt, Eisenach, Frankfurt am Main, Darmstadt, Lorsch nach Mannheim. Unterbrochen wird die Sequenz mit ein paar Blicken auf das schlimme Ende der Geschichte.[A 3]
- Jena
Sand nimmt die Sprüche Follens ernst, die da besagen, dass jener, „der für das Allgemeine“ – gemeint sind die Strebungen der Burschenschaft – die „furchtbare Tat auf sich nimmt“[4], sich überwinden müsse. Die Vorbereitung auf den Mord sieht so aus: Gemeinsam mit zwei anderen Studenten sucht Sand das Schlachtfeld bei Jena auf und stopft sich dort auf dem Acker im patriotischen Rausch den Mund voller Erde. Allein in seinem Studentenzimmer, heftet Sand die Hand mit einer langen Nadel auf die Tischplatte. Im Anatomie-Hörsaal der Universität doziert der Herr Professor. Der angehende Theologe Sand schaut sich – unter lauter künftigen Medizinern – die sachkundige Eröffnung einer Leiche an.
Bevor Sand in Richtung Mannheim aufbricht, schreibt er seiner lieben Mutter einen Abschiedsbrief nach Wunsiedel. Darin beteuert der Schreiber, er folge seiner Pflicht.
- Eisenach
Sand führt die Mitreisenden auf die Wartburg, stößt aber bei den Mitwandernden auf keinerlei Verständnis für seine Ideale.
- Frankfurt am Main
In einer Buchhandlung zündet Sand in Anwesenheit des gleichgültigen Buchhändlers Koetzebues oben genanntes Buch an.
- Darmstadt
In den Wiesen vor der Stadt freundet sich Sand mit der 15-jährigen sinnlichen Anna an und geht mit ihr in eine Scheune. Auf dem Melibocus notiert er auf dem Türpfosten zum Turm unter seinem Namen das Datum: 20. März 1819.
- Mannheim
Beim Staatsrat Kotzebue lässt sich Sand unter dem Namen Heinrichs aus Mietau melden. Der Attentäter glaubt, einen Theologiestudenten aus Jena würde der Staatsrat nicht empfangen. Kotzebue hatte längere Zeit in Kurland gelebt. Mietau gehört mithin zur zweiten Heimat Kotzebues. Sand ersticht Kotzebue gleich nach dem ersten kurzen Wortwechsel. Kotzebue hatte sich nicht gewehrt. Sand will sich umbringen, verletzt sich aber nur lebensgefährlich mit dem Dolche. Als der Mörder ein Jahr später in Mannheim exekutiert wird, ist er immer noch so schwach, dass er vor der Hinrichtung auf einen hölzernen Stuhl gesetzt werden muss. Es geht die Legende, Leute hätten sich später Splitter – quasi als Reliquie – aus dem Stuhl herausgeschnitten.
Hörspiel
- 1973, BR: „Sand – Ein Attentäter“. Regie: Heinz von Cramer. Mit Ernst Jacobi als Sand und Franz Kutschera als Kotzebue.[5]
Literatur
- Tankred Dorst: Sand. Ein Szenarium. Mitarbeit: Ursula Ehler. Gestaltung Wieland Heitmüller & Norbert Kleiner. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1971. Unnummerierte Seiten. Taschenbuch. Illustriert. ISBN 3-462-00836-6.
Verwendete Ausgabe
- Sand. Ein Szenarium. Mitarbeit: Ursula Ehler. S. 113–158 in Tankred Dorst. Politische Stücke. Werkausgabe 4 (Inhalt: Toller. Sand. Kleiner Mann, was nun? Eiszeit. Goncourt oder Die Abschaffung des Todes) Suhrkamp Verlag 1987 (1. Aufl.), ohne ISBN, 432 Seiten.
Sekundärliteratur
- Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): text + kritik Heft 145: Tankred Dorst. Richard Boorberg Verlag, München im Januar 2000, ISBN 3-88377-626-2
- Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A–Z. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8, S. 126, linke Spalte
Weblinks
- Klemens Vogel anno 2000 bei scheinschlag.de
Anmerkungen
- Auf Seite 135 der verwendeten Ausgabe finden sich zwei Szenenfotos aus dem Film (1. Die drei Studenten auf dem Schlachtfeld bei Jena. 2. Sand mit dem Dolch in der Hand und sein sterbendes Opfer am Boden).
- Zwar erregt sich zum Beispiel ein Student in Jena über Kotzebues „elende Verrätereien“ (Verwendete Ausgabe, S. 123, 12. Z.v.o.), doch an keiner Stelle im Stück wird gesagt, welche das nun gewesen sein sollen.
- Einige der Einschübe in die sonst chronologisch vorgetragene Reise Sands von Jena nach Mannheim, die das Ende des jungen Reisenden gleichsam vorwegnehmen:
- Die Mutter beklagt in Wunsiedel das Schicksal des geliebten Sohnes (Verwendete Ausgabe S. 128 unten bis S. 131 Mitte).
- Die Geschwister Knaupe – die Zimmervermieterinnen in Jena – bekommen Briefe Sands an Zeitungsredaktionen in Bamberg und Bremen in die Finger (S. 133 Mitte).
- Monolog des Commis voyageur (Handlungsreisender, im oben genannten Film gespielt von Peter Kaufmann) – eines Mitreisenden von Jena bis Frankfurt am Main (S. 136 Mitte).
- Der Kameralpraktikant F., der Sand auf der Durchreise in Darmstadt beherbergt hat, sagt aus (S. 142 oben).
Einzelnachweise
- Günther Erken bei Arnold, S. 88, rechte Spalte, 4. Eintrag v.u. sowie verwendete Ausgabe, S. 158 unten
- Verwendete Ausgabe, S. 145, 12. Z.v.u.
- Sand in der IMDb
- Verwendete Ausgabe, S. 124, 18. Z.v.o.
- Sand – Ein Attentäter in der HörDat