San Carlo alle Quattro Fontane
San Carlo alle Quattro Fontane (dt.: Sankt Karl bei den vier Brunnen) ist eine Kirche auf dem Scheitel des Quirinals in Rom. Von den Römern wird sie auch liebevoll San Carlino genannt. Ihren Beinamen verdankt sie den Vier Brunnen an den Ecken der Kreuzung von Via Quirinale und Via delle Quattro Fontane, an der sie steht. Reiseführer heben gerne die Tatsache hervor, dass der kleine Bau in einen der Vierungspfeiler von Sankt Peter hineinpassen würde.
San Carlo alle Quattro Fontane
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Patronat: | Hl. Karl Borromäus |
Weihetag: | 16. Oktober 1646 |
Orden: | Trinitari Spagnoli |
Anschrift: | Via del Quirinale, 23 00187 Roma |
Die Kirche wurde von 1638 bis 1677 erbaut und gilt als ein Hauptwerk von Francesco Borromini (1599–1667). Sie ist dem 1610 heiliggesprochenen Mailänder Kardinal und Kirchenreformer Carlo Borromeo und der Heiligen Trinität geweiht. Sie dient als Kirche der Spanischen Trinitarier, deren Konvent, Convento della Santissima Trinità, ebenfalls Borromini errichtete. Der Komplex wurde zum 400. Geburtstag Borrominis 1999 umfassend restauriert.
Baugeschichte
Francesco Borromini, der zuvor für Gian Lorenzo Bernini gearbeitet hatte, erhielt mit San Carlo seinen ersten eigenen Auftrag. Da der Bau bei seinem Tod, 30 Jahre später, noch nicht vollendet war, kann man davon sprechen, dass es sein Lebenswerk war. Borromini bot den Trinitariern an, auf sein Honorar zu verzichten, wenn er dafür bei der Bauausführung freie Hand bekommen würde. Trotzdem kam der Bau auf Grund fehlender finanzieller Mittel immer wieder ins Stocken.
1634–1635 erbaute Borromini den Südflügel des Klosters mit Küche und Refektorium im Erdgeschoss. In den mit einer Wendeltreppe erschlossenen zwei Obergeschossen liegen die Zellen der Ordensbrüder. Im dritten Geschoss ist schließlich die Bibliothek untergebracht.
1635–1637 baute Borromini den Kreuzgang und den Bautrakt an der Via Quirinale an, in dem der Kapitelsaal liegt. Die Fassade zur Straße vollendete er jedoch erst zusammen mit seinem Neffen Bernardo Castelli 1662.
Ab 1638 widmete sich Borromini der Kirche mit Krypta und Sakristei. Der Innenraum der Kirche war schon 1641 fertiggestellt, die Stuckarbeiten wurden jedoch erst 1650 vollendet. Am 16. Oktober 1646 wurde die Kirche von Kardinal Ulderico Carpegna, einem Förderer Borrominis, geweiht. Die Errichtung der Fassade zog sich jedoch, auch aus finanziellen Gründen hin und wurde schließlich 1667 durch den Tod Borrominis jäh unterbrochen. 1670 begann Bernardo Castelli mit dem Bau des Glockenturms und 1674–1677 konnte er das Obergeschoss der Fassade nach den Plänen seines Onkels fertigstellen. Mit der Aufstellung der zentralen Skulptur des Carlo Borromeo von Antonio Raggi wurde das Bauwerk schließlich 1682 vollendet.
1705 konnte der Orden ein angrenzendes Grundstück erwerben und somit 1710 Alessandro Sperone mit der Erweiterung des Klosters beauftragen. Das ursprüngliche Refektorium wurde dabei in die Sakristei umgewandelt.
Fassade
Die reich gegliederte, geschwungene Fassade zeigt die Figur des heiligen Carlo Borromeo zwischen zwei Engeln und die Ordensheiligen San Giovanni di Matha und San Felice di Valois. Sie wird durch einen breiten Architrav horizontal zweigeteilt und mit einer doppelten Säulenordnung vertikal gegliedert. Das rhythmische Spiel mit konvexen und konkaven Formen wurde wegweisend für die barocke Architektur. Die konvexen Formen werden vom Glockentürmchen und der es überragenden Laterne der Kuppel aufgenommen. Das in einem großen Oval am Giebel gemalte Fresko der Heiligen Trinität von Pietro Giarguzzi ist heute verschwunden.
Innenraum
Der ganz in Weiß gehaltene Innenraum gilt als erstes Hauptwerk des römischen Hochbarock. Die architektonische Struktur ist kompliziert und erschließt sich erst nach längerer Betrachtung. An eine längsgestreckte Ellipse sind zwei halbkreisförmige und zwei halbovale Apsiden angefügt, die die drei Altäre sowie das Eingangsportal beherbergen. Dieser durch Nischen gegliederten Wandstruktur sind sechzehn mächtige Vollsäulen vorgelegt, die zu einem Teil in seichte Wandnischen eingelassen sind und den durchgängigen Architrav tragen, der den Grundriss wieder aufnimmt und den Raum optisch zusammenhält. Über vier verzogene Pendentifs erhebt sich die längsovale Kuppel mit der kleinen achteckigen Laterne. Die Kassettierung der Kuppelschale ist als Spiel geometrischer Formen gestaltet, in dem Sechsecke, Achtecke und Kreuze ineinandergreifen. Auch die übrige Stuckdekoration ist von höchster künstlerischer Qualität. Den Kirchenraum begleiten zwei winzige sechseckige Seitenkapellen. Über eine Wendeltreppe gelangt man in die Unterkirche, in der sich eine weitere, phantasievoll gestaltete Kapelle Borrominis befindet. In ihr war eigentlich die Grabstätte für Francesco Borromini selbst vorgesehen. Da er jedoch Selbstmord beging, wurde eine Bestattung abgelehnt. Seine letzte Ruhestätte fand er im Grab seines Onkels Carlo Maderno in San Giovanni dei Fiorentini.
Neben der Kirche liegt der exquisite zweigeschossige Kreuzgang, der das Thema von Kirchenraum und Fassade in sehr reduzierter Form aufnimmt. Dahinter liegt der mehrgeschossige Querriegel des Konventsgebäudes, in dessen oberstem Stockwerk die Bibliothek eingerichtet ist.
Im ehemaligen Refektorium, der heutigen Sakristei, befindet sich ein ganzfiguriges Bildnis des heiligen Carlo Borromeo, das 1611 von Orazio Borgianni geschaffen wurde.
- Innenraum mit Hochaltar
- Krypta
- Kreuzgang
- Bildnis Borrominis in der Sakristei
Kopie
In Gubbio in Umbrien wurde nach den Plänen für San Carlo alle Quattro Fontane ab 1662 die baugleiche Kirche Santa Maria del Prato errichtet; es war das einzige Mal, dass Borromini eine nachmalige Verwendung eines Entwurfes gestattet hat.
Zum 400. Geburtstag Borrominis wurde 1999 unter der Leitung Mario Bottas in Lugano ein Modell aus Holz errichtet, welches im Originalmassstab den Schnitt durch San Carlo zeigt. Im Jahr 2003 erfolgte der Abbau.[1]
Literatur
- Paolo Portoghesi: Storia di San Carlino alle Quattro Fontane. Newton & Compton Editori, Roma 2001, ISBN 88-8289-485-1.
- Francesca Maria D’Agnelli: San Carlo alle Quattro Fontane. Tiferno Grafica, Città di Castello 2007, ISBN 978-88-7311-467-3.
- Claudius Ziehr: Barocke Konkurrenz. Die römischen Künstler Borromini und Bernini. In: Winrich C.-W. Clasen (Hrsg.): Rom für Bildungsbürger. CMZ-Verlag, Rheinbach 2014, ISBN 978-3-87062-160-5, S. 187–196.
- Claudio Rendina: Le Chiese di Roma. Newton & Compton Editori, Roma 2007, ISBN 978-88-541-0931-5.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mario Botta: Wooden Model of Borromini’s Church of San Carlo alle Quattro Fontane in Rome, on the lakeshore Lugano, Switzerland, abgerufen am 24. März 2016.