Rotavirusimpfstoff
Entwicklung und Geschichte
Die ersten Impfstämme stammten aus Hausrindern und Rhesusaffen, erzeugten jedoch keine zuverlässige Immunität.[1]
1998 wurde in den USA der erste Rotavirusimpfstoff zugelassen (RRV-TV, Rotashield).[1][2] Dieser war ein tetravalenter Lebendimpfstoff, der gegen die vier am häufigsten auftretenden Serotypen wirksam war. Eine plazebokontrollierte klinische Prüfung ergab, dass der Impfstoff zu 50 % vor Infektionen schützte, aber 80 % der schweren Verläufe verhinderte.[2] Der Impfstoff basierte auf einen für Menschen harmlosen Rhesusrotavirus. Wegen des Risikos einer auftretenden Intussuszeption (es wurden 15 Fälle beobachtet) wurde der Impfstoff ein Jahr später wieder vom Markt genommen.[2][1]
Ab 2006 wurden die heutigen Stämme zugelassen.[1]
Eigenschaften
Der Rotavirusaimpfstoff ist ein attenuierter Lebendimpfstoff und besteht heute aus fünf Impfstämmen (RV5, RotaTeq[3], MSD) der am häufigsten zirkulierenden Serotypen oder einem Impfstamm (RV1, Rotarix[4], GlaxoSmithKline) mit breiter Kreuzreaktivität.[2] RV5 enthält 2 Millionen Pfu jedes Impfstamms.[1]
Ferner gibt es noch lokal in Indien seit 2015[5] den monovalenten Impfstoff Rotavac (Bharat Biotech) sowie seit 2017 den pentavalenten Impfstoff Rotasil (Serum Institute of India), in Vietnam seit 2012 Rotavin (POLYVAC) und in China seit 2000 einen monovalenten Impfstoff, basierend auf einem attenuierten Rotavirusstamm des Schafs („Lanzhou lamb rotavirus vaccine“, Lanzhou Institute of Biological Products).[6][2]
Rotarix enthält den attenuierten Rotavirusstamm RIX4414; dieser wurde ursprünglich aus einem 15 Monate altem Kind gewonnen, das unter entsprechendem Rota-assoziierten Durchfall litt.[2] Jener Rotavirus wurde dann an Nierenzellen aus Grünen Meerkatzen 33-mal passagiert (Stamm 88-12), anschließend in Vero-Zellen.[2]
Der Rotavirusimpfstoff befindet sich auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation.[7]
Stillen
Stillen kann einen vermindernden Effekt auf die Wirksamkeit der Impfung haben.[8] Die genauen Ursachen sind noch nicht geklärt. Möglicherweise neutralisieren die in der Muttermilch vorkommenden RV-spezifischen IgA-Antikörper die Lebendviren im Impfstoff, was die Schutzwirkung des Impfstoffes reduziert. Zudem wird postuliert, dass das in der Muttermilch befindliche Lactoferrin und zu einem geringeren Grad das Lactadherin eine inhibitorische Aktivität gegenüber RV aufweisen.[8]
Daher wird – wenn geimpft werden soll – empfohlen, auf das Stillen vor und während der RV-Impfung zu verzichten oder zumindest eine Stunde vor oder nach der Impfung nicht zu stillen.[9][8]
Immunologie
Der Impfstoff wird meistens zweimal als Schluckimpfung verabreicht. Nach einer Impfung entwickeln Geimpfte messbare Titer für neutralisierende Antikörper, die vor einer erneuten Infektion mit Rotaviren schützen.[1] Die neutralisierenden Antikörper sind gegen das Kapsidprotein VP7 und den Rezeptor VP4 gerichtet. RV5 enthält vier Impfstämme mit je einem Serotyp von VP7 (G1 bis G4) aus humanen Rotaviren und VP4 (Typ P7) aus einem Rinderrotavirus sowie einen Impfstamm mit VP7 (Serotyp G6) von einem Rinderrotavirus und VP4 (Typ P1A) aus einem humanen Rotavirus.
Circoviren
Im Jahr 2010 wurde die US-amerikanische Zulassung für beide Rotavirusimpfstoffe für zwei Monate ausgesetzt, nachdem in beiden Präparaten DNA von porcinen Circoviren der Typen 1 und 2 gefunden worden waren.[10] Da porcine Circoviren keine Erkrankung im Menschen auslösen, wurde die Aussetzung aufgehoben.[10][11]
Handelsnamen
Handelsnamen für Rotavirusimpfstoffe sind z. B. RotaTeq und Rotarix.
Literatur
- D. M. Knipe, Peter M. Howley, D. E. Griffin, (Hrsg.): Fields Virology. 5. Auflage, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 2007, ISBN 978-0-7817-6060-7.
Einzelnachweise
- CDC Pink Book: Rotavirus. (PDF; 465 kB) Centers for Disease Control and Prevention
- Wolfgang Jilg: Rotavirus. In: Heinz Spiess, Ulrich Heininger, Wolfgang Jilg (Hrsg.): Impfkompendium. 8. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2015, ISBN 978-3-13-498908-3, S. 267 ff.
- European public assessment report von RotaTeq. In: EMA. 14. September 2020, abgerufen am 8. November 2020 (englisch).
- European public assessment report von Rotarix. In: EMA. 24. März 2020, abgerufen am 8. November 2020 (englisch).
- Raches Ella et al.: A randomized, open-labelled, non-inferiority phase 4 clinical trial to evaluate the immunogenicity and safety of the live, attenuated, oral rotavirus vaccine, ROTAVAC® in comparison with a licensed rotavirus vaccine in healthy infants. In: Vaccine. Band 37, Nr. 31, 18. Juli 2019, S. 4407–4413, doi:10.1016/j.vaccine.2019.05.069, PMID 31178377.
- Carl D. Kirkwood und A. Duncan Steele: Rotavirus Vaccines in China. In: JAMA Network Open. Band 1, Nr. 4, 31. August 2018, S. e181579, doi:10.1001/jamanetworkopen.2018.1579.
- WHO Model Lists of Essential Medicines. (PDF) In: WHO. 2019, abgerufen am 4. April 2020 (englisch).
- Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – FAQ zu Rotavirus-Impfung und Stillen. In: Epidemiologisches Bulletin. Nr. 39/2013. Robert Koch-Institut (RKI), 30. September 2013, S. 400 (rki.de [PDF; 130 kB; abgerufen am 2. April 2020]).
- Impfthemen A–Z – Hinweise zur Schmerz- und Stressreduktion beim Impfen. RKI, August 2018, abgerufen am 7. November 2019.
- Update on Recommendations for the Use of Rotavirus Vaccines. U.S. Food and Drug Administration. Abgerufen am 13. Juli 2012.
- Rotarix Vaccine Suspension Lifted. FDA's MedWatch Safety Alerts, May 2010