Riechschleimhaut
Die Riechschleimhaut bzw. das Riechepithel bei Säugetieren (Regio olfactoria) enthält die Sinneszellen des Geruchssinns. Sie ist jene Schleimhaut, mit der die Nasenhöhle im obersten Bereich ausgekleidet ist. Die Chemorezeptoren (Geruchsrezeptoren) der Riechzellen sind dafür verantwortlich, dass wir eine Vielzahl von Gerüchen aufnehmen und unterscheiden können.
Bei anderen Tierstämmen können die Riechzellen an völlig anderen Körperstellen sitzen – wie bei Insekten und vielen Wassertieren an den Fühlern.
Aufbau der Riechschleimhaut
Die Riechschleimhaut befindet sich links und rechts im Dach der oberen Nasenhöhle. Sie hat eine braune Farbe und beim Menschen eine Fläche von etwa 5 cm² und eine Höhe von 30–60 µm.[1] Die Riechschleimhaut baut sich aus den Riechzellen, Stütz- und Mikrovilli-Zellen auf und wird durch Basalzellen und die in der Lamina propria liegenden serösen Drüsen (Glandulae olfactoriae) ergänzt. Die Mikrovilli-tragenden Stützzellen sind sekretorisch aktiv und enthalten ein rötlich-braunes Pigment, welches für abweichende Farbe des Riechfelds verantwortlich ist.[2]
Die Riechsinneszellen können sich bei Bedarf erneuern (bei Schädigung oder Ähnlichem) aus ausdifferenzierten Basalzellen (Stammzellen), während die alten, funktionsunfähigen Riechzellen durch Apoptose zugrunde gehen. Erst diese erstaunliche, fortlaufende Regeneration hat zur Erkenntnis geführt, dass sie auf neuronalen Stammzellen beruht, von deren Existenz man lange Zeit nichts wusste.
In das Epithel der Riechschleimhäute sind beim Menschen etwa 20–30 Millionen Riechsinneszellen (olfaktorische Rezeptorzellen) eingebettet.[1] Ein Hund hat etwa 250 Millionen Riechzellen, ein Aal fast eine Milliarde. Aus jeder dieser Zellen ragen 5–20 Härchen (Zilien) mit speziellen Geruchsrezeptoren in die Schleimhaut hinaus, deren dünner Überzug Mucus genannt wird. Auf die dort mit der Atemluft eintreffenden Duftmoleküle sprechen die Rezeptoren an.
Von ihnen gibt es etwa 350 verschiedene Arten, deren jede nur auf eine bestimmte Duftmolekülgruppe reagiert, die wie ein Schlüssel ins Schloss passen muss. Die Molekülgruppen unterscheiden sich sowohl in der Form als auch durch ihre Elektrizität. Die Kombination der angesprochenen Rezeptoren ergibt eine Geruchsmischung, die mehrere tausend Varianten haben kann.
Die von den Riechzellen ausgehenden Nervenfasern (Axone) werden zu Tausenden gebündelt, um eine Filterung und Vorverarbeitung zu ermöglichen. Diese Axonbündel ziehen sich dann durch feine Knochenöffnungen des Siebbeins (Lamina cribrosa) zum Riechkolben (Bulbus olfactorius), der als vorgelagerter Hirnteil zu betrachten ist. Der gesamte Riechnerv wird in der Wissenschaft Nervus olfactorius genannt.
Erregung der Riechzellen
Die Träger der Gerüche sind Moleküle des jeweiligen Gases, jedoch in der Luft meist nur in geringer Konzentration enthalten. Die Geruchsmoleküle gelangen über Nase oder Mund in die obere Nasenhöhle zur Riechschleimhaut, wo sie gelöst werden und in den Riechzellen chemisch Erregungen auslösen können. Diese Zellen (primäre Sinneszellen) reagieren auf die eintreffenden Moleküle über ihre kleinen Zytoplasma-Fortsätze (Riechhärchen), in deren Membranen sich die Geruchsrezeptoren befinden.
Werden die Rezeptoren durch Geruchsmoleküle erregt, entsteht bei ausreichend hoher Konzentration der Moleküle ein Aktionspotential am Axonhügel der Riechzelle. Die elektrischen Impulse werden von integrierenden Nervenfasern zusammengefasst und zum Riechhirn weitergeleitet.
Riechzellen und „Entstörung“
Die molekularen Vorgänge in den Riechzellen erfolgen über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Sie öffnen CNG-Ionenkanäle via ACIII → cAMP-Anstieg → Ca2+-Einstrom → Depolarisierung. Infolge dieser Vorgänge können die Sinneszellen innerhalb einiger Minuten adaptieren, das heißt, sich an starke Reize anpassen.
Ferner enthält der Schleim einige Enzyme (CYP450), die eventuell störende Moleküle bei der Geruchsempfindung deaktivieren, sowie Transportproteine, die für einen besseren Transport der Geruchsmoleküle durch den Mucus zu den Zilien sorgen.
Riechkolben und Weiterleitung der Reize
Im Riechkolben findet die erste und einzige synaptische Verschaltung des Geruchssinns statt, bevor die Informationen die entsprechenden Hirnzentren erreichen. Sogenannte Mitralzellen filtern und verstärken den Sinnesreiz, indem sie über eine Reihe von Riechzellen integrieren, denen gemeinsam ist, dass sie durch die gleichen Geruchsmoleküle erregt werden. Jede Mitralzelle repräsentiert also einen bestimmten Geruch.
Vom Riechkolben aus verlaufen die Nervenstränge (Axone) im Tractus olfactorius, der sich nun zweiteilt: in einen medialen Strang (Stria olfactoria medialis) und einen lateralen Strang (Stria olfactoria lateralis). Der mediale Strang erreicht die Area septalis und das Tuberculum olfactorium, diese Informationen bleiben unbewusst. Der laterale Strang führt zum Cortex praepiriformis (der primären Riechrinde), zum entorhinalen Kortex und zum Nucleus corticalis der Amygdala. Es bestehen weiterhin Verbindungen zum Hypothalamus und (zum Teil nach Verschaltung im mediodorsalen Kern des Thalamus) zum orbito-frontalen Assoziationskortex (Sitz der Persönlichkeit).
Die Riechfunktion schützt die Atmungsorgane und den gesamten Organismus vor schädlichen Einflüssen, z. B. giftigen (meist übel riechenden) Gasen (cave: Kohlenmonoxid ist geruchlos). Angenehme Gerüche lösen Sekretionsreflexe aus, z. B. „läuft einem“ bei Geruch nach leckerem Essen „das Wasser im Munde zusammen“. Unangenehme Gerüche können hingegen Brechreiz verursachen. Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen Geruchsempfindungen und dem unbewusst arbeitenden Teil des Nervensystems (vegetatives Nervensystem). So konnten z. B. McClintock und Russell zeigen, dass die Synchronisation des Menstruationszyklus von in Gemeinschaft lebenden Frauen auf Geruchswahrnehmungen beruht.
Weblinks
Siehe auch
Einzelnachweise
- Steffen Schaal, Konrad Kunsch, Steffen Kunsch: Der Mensch in Zahlen: Eine Datensammlung in Tabellen mit über 20000 Einzelwerten. 4. Auflage. Springer, Berlin 2015, ISBN 978-3-642-55399-8, S. 178.
- L.C. Junqueira, J. Carneiro: Histologie: Lehrbuch der Cytologie, Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen. 2. Auflage. Springer, Berlin 2013, ISBN 978-3-662-07782-5, S. 587.