Richard Stegemann (Ökonom)

Johann Richard Stegemann (geboren a​m 16. August 1856 i​n Groß Wanzleben; gestorben a​m 15. Mai 1925 i​n Bad Harzburg) w​ar ein deutscher Ökonom u​nd Handelskammer-Sekretär.

Leben

Richard Stegemann w​ar der Sohn d​es Kreisrichters Franz Stegemann u​nd seiner Ehefrau Philippine Schaefer. Nachdem d​er Vater 1862 verstorben war, übersiedelte d​ie Familie n​ach Brandenburg, w​o er d​ie ersten Klassen d​es Gymnasiums besuchte. Er w​urde zum 14. April 1871 i​n die Schulpforta aufgenommen. Seine Familie wohnte d​ann in Naumburg. Als 1872 a​uch die Mutter verstarb, w​urde sein Onkel, d​er Berliner Fabrikant Otto Schaefer, s​ein Vormund. 1876 bestand e​r das Abitur i​n Schulpforta. Ab 1879 studierte e​r an d​er Friedrich-Wilhelms-Universität z​u Berlin Rechtswissenschaft u​nd Staatswissenschaft. Nach e​inem Studienaufenthalt i​n Paris 1880 u​nd einem zweijährigen Aufenthalt i​n Joinville i​n Brasilien w​ar er a​ls Lehrer tätig. Danach studierte e​r an d​er Eberhard Karls Universität Tübingen. Für s​eine Promotion, d​ie erste Promotion über Das Kapital v​on Karl Marx überhaupt, wandte e​r sich i​m Frühjahr 1885 a​n Friedrich Engels, u​m biografische Details z​ur Person v​on Marx z​u erhalten. Seine Doktorarbeit h​atte das Thema Zur Kritik d​es Marx’schen „Capital“.[1] Die Promotion f​and am 7. August 1885 statt. Sein Doktorvater w​ar der Nationalökonom Gustav v​on Schönberg.[2]

Stegemann w​ar 1886 a​ls Nachfolger v​on Friedrich Fabri v​om Präsidium d​er Lenneper Kammer u​nter mindestens 49 Bewerbern ausgewählt worden.[3] Im Oktober 1890 erhielt e​r das Amt d​es Sekretärs d​er Handelskammer für d​en Regierungsbezirk Oppeln. Er initiierte 1891 e​ine Vereinigung d​er Handelskammersekretäre, z​u deren Vorsitzendem e​r gewählt wurde. Im März 1894 wählte i​hn die Vollversammlung d​er Braunschweiger Handelskammer z​um Nachfolger v​on Max Vosberg-Rekow. Bis 1924 übte Stegemann dieses Amt aus.

Neben seinem Amt a​ls Syndikus d​er Handelskammer w​urde Richard Stegemann a​uf Vorschlag d​es Kammerpräsidenten Max Jüdel u​nd des Staatsministers Adolf Hartwieg 1897 z​um Regierungsrat für d​ie Bereiche Handel u​nd Gewerbe i​m Herzoglichen Staatsministerium ernannt. Bis 1915 w​ar er herzoglicher Beamter.

Neben seiner Arbeit i​n der Handelskammer u​nd im Staatsministerium nutzte e​r zwischen 1905/06 u​nd 1911 d​ie Möglichkeit, regelmäßig Lehrveranstaltungen über Theorie u​nd Praxis d​er Volkswirtschaftslehre a​n der Technischen Hochschule Braunschweig z​u halten.[4]

Zur effektiveren Koordinierung d​er Heeereslieferungen w​urde im August 1917 Stegemann a​ls Leiter d​es braunschweigischen Heeresauftragsamt berufen.[5] Er w​urde im Juni 1920 i​n den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat berufen.[6]

Richard Stegemann w​ar seit 1893 m​it Helene Platte verheiratet. Sie hatten e​inen Sohn namens Günther u​nd drei Töchter Irmgard, Edith u​nd Christa. Nach seinem Ausscheiden a​us dem Dienst z​og die Familie Stegemann 1924 n​ach Bad Harzburg, w​o Richard Stegemann a​m 15. Mai 1925 n​ach kurzer Krankheit verstarb.

Ehrungen

Werke

Selbstständige Veröffentlichungen

  • Deutschlands Koloniale Politik. Mit einem Vorwort: „Deutsche Politik der nächsten Jahre“. Puttkammer & Mühlbrecht, Berlin 1884.[7]
  • Zur Kritik des Marx´schen ‚Capital‘. Diss. Tübingen 1885.
  • Die Geschäftsordnungen der deutschen Handelskammern. Remscheid 1888.
  • Materialien zur Markenschutz-Gesetzgebung. Remscheid 1889.[8] Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
  • Jürgen Bona Meyer und [Richard] Stegemann: Die Fortbildungs- und Haushaltungsschulen für Mädchen. Referat und Korreferat nebst Verhandlung. Strauß, Bonn 1889. (=Schriften des Liberalen Schulvereins Rheinlands und Westfalens 17)
  • Gesetz über die Handelskammern vom 24. Februar 1870. Mit Einleitung, Commentar und Sachregister. J. Guttentag, Berlin 1892. Staatsbibliothek zu Berlin
  • Arbeits-Ordnung. Rathschläge und Winke für Fabrikanten. Frank, Oppeln 1892.
  • Landwirthschaftskammern. Parey, Berlin 1892.
  • Unlauteres Geschäftsgebahren. Albert Limbach, Braunschweig 1894.
    • Unlauteres Geschäftsgebahren. 1. Typische Fälle im Auftrage der Handelskammern Braunschweig, Goslar, Göttingen, Halberstadt, Halle, Hannover, Hildesheim, Kassel, Minden, Nordhausen, Osnabrück zusammengestellt.
    • Unlauteres Geschäftsgebahren. 2. Berichte, Anträge und Verhandlungen im Auftrage der Handelskammern Braunschweig, Goslar, Göttingen, Halberstadt, Halle, Hannover, Hildesheim, Kassel, Minden, Nordhausen, Osnabrück zusammengestellt.
  • Kaufmännisches Fortbildungs-Schulwesen: Berichte und Verhandlungen aus der am 4. und 5. Oktober 1895 zu Braunschweig stattgehabten Versammlung. Handelskammer für das Herzogthum Braunschweig, Braunschweig 1896.
  • Das neue Handwerksgesetz gemeinverständlich dargestellt im Auftrage des Herzogl. Braunschw.- Lüneb. Staatsministeriums dargestellt. Albert Limbach, Braunschweig 1898. TU Braunschweig
  • Tanne und Wieda. Geschichte zweier Harzer Arbeiter-Genossenschaften. Verlag für kaufmännisches Unterrichtswesen und Wirthschaftskunde, Braunschweig 1899.[9] (=Beiträge zur Wirthschaftskunde) TU Braunschweig
  • H. Haberstroh, E. Görts, E. Weidlich, R. Stegemann: Anlage von Fabriken. B. G. Teubner, Leipzig 1907. (=Teubners Handbücher für Handel und Gewerbe) Archive.org
  • Rede gehalten zur Einweihung des Handelskammergebäudes Braunschweig, den 11. Juni 1910. Krampe, Braunschweig 1910. TU Braunschweig
  • Die Fortführung des Mittellandkanals. Vortrag gehalten in der Generalversammlung des Ausschusses zur Förderung des Rhein-Weser-Elbe-Kanals in Berlin am Montag den 24. Januar 1916, Faber, Magdeburg 1916. (=Veröffentlichungen der Vereinigung zur Förderung der südl. Linie des Mittellandkanals 1) TU Braunschweig
  • Der Einfluss des Krieges auf Handel und Industrie des Herzogtums Braunschweig. Vortrag, gehalten in der Vollversammlung der Handelskammer für das Herzogtum Braunschweig am 16. Oktober 1916. Georg Westermann, Braunschweig 1916. TU Braunschweig
  • Deutsches Kriegswirtschaftsmuseum. Leitende Gedanken. Brandstetter, Leipzig 1917.
  • Der Mittellandkanal. Vortrag gehalten vor den Mitgliedern der verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung am 23. Oktober 1919. Georg Westermann, Braunschweig 1919. TU Braunschweig
  • Zur Wirtschaftsverfassung des Deutschen Reiches. Kritik und Vorschläge. Georg Westermann, Braunschweig 1922. TU Braunschweig

Herausgeber

  • Zeitschrift für Handel und Gewerbe, Organ für die deutschen Handelskammern. Remscheid; Bonn : Haustein; Berlin; Leipzig [anfangs], 1888–1892.
  • Gemeinwohl.Zeitschrift des Bergischen Vereins für Gemeinwohl. Elberfeld (1. Jg. 1888/89 bis 3. Jg. 1890/91) (Redakteur)
  • Oberschlesisches Firmen- und Adressbuch. Eugen Franck, Oppeln 1892.
  • Aus der Praxis der Handelskammern. Beiträge zur praktischen Nationalökonomie. Band 1. Eugen Franck'sche Buchandlung, Oppeln 1892.[10]
  • Archiv für exakte Wirtschaftsforschung (Thünen-Archiv). Hrsg. in Verbindung mit E. Laur, Richard Passow, Richard Stegemann, F. Waterstradt von Richard Ehrenberg. Gustav Fischer, Jena 1911–1922.

Unselbstständige Veröffentlichungen

Briefe

  • Richard Stegemann in Tübingen an Friedrich Engels in London 21. März 1885[12]
  • Friedrich Engels in London an Richard Stegemann in Tübingen 26. März 1885 [Entwurf][13]
  • Richard Stegemann in Tübingen an Friedrich Engels in London 29. März 1885[14]
  • Friedrich Engels in London an Richard Stegemann in Tübingen 5. Mai 1885 [Entwurf][15]
  • Richard Stegemann in Tübingen an Friedrich Engels in London 8. Mai 1885[16]
  • Richard Stegemann in Remscheid an Karl Lamprecht (Zeitschrift für Handel und Gewerbe. Organ für die deutschen Handelskammern) 27. Januar 1890 Universität Bonn
  • Richard Stegemann in Remscheid an Karl Lamprecht (Zeitschrift für Handel und Gewerbe. Organ für die deutschen Handelskammern) 12. Februar 1890 Universität Bonn
  • Richard Stegemann in Remscheid an Karl Lamprecht (Zeitschrift für Handel und Gewerbe. Organ für die deutschen Handelskammern) 28. Februar 1890 Universität Bonn

Literatur

  • Deutscher Litteratur Kalender auf das Jahr 1891- Hrsg. von Joseph Kürschner. 13. Jg. Stuttgart 1891, Spalte 871.
  • Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1917. Hrsg. von Heinrich Klenz. J. G. Gödchen'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin und Leipzig 1917. Spalte 1657.
  • Reinhard Thom: Bergische Unternehmer in der Selbstverwaltung – Zu ihrem 125jährigen Jubiläum hrsg. von der Bergischen Industrie- und Handelskammer zu Remscheid – November 1965, o. O. (1965), S. 11 ff.
  • Heinz Richard Schneider: Bürgerliche Vereinsbestrebungen für das „Wohl der Arbeitenden Klassen“ in der preußischen Rheinprovinz im 19. Jahrhundert. Inaugural-Dissertation, Bonn 1967.
  • Erik und Eleni Amburger: Richard Stegemann (1856–1925). Sein Leben und Wirken für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. In: Genealogisches Jahrbuch. Band 16/17. Degener, Neustadt a.d. Aisch 1977, S. 171–207. [mit Bibliographie]
  • 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, Biographien der Doktoren, Ehrendoctoren und Habilitierten 1830–1980, Bearbeitet von Immo Eberl und Helmut Macron. Theiss, Stuttgart 1984.
  • Jürgen Weise: Johann Richard Stegemann. In: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien. Band 15. Aschendorff, Münster 1994,S. 276–295. (Fotografie S. 279)
  • Manfred R. W. Garzmann: Stegemann, Johann Richard. In: Horst-Rüdiger Jarck, Günter Scheel (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon – 19. und 20. Jahrhundert. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996, ISBN 3-7752-5838-8, S. 583–584.
  • Stegemann, Richard. In: Deutsche biographische Enzyklopädie (DBE). Band 9, Schlumberger–Thiersch. K. G. Saur, München 2008, S. 628. Digitalisat

Einzelnachweise

  1. Auskunft von Frau Irmela Bauer-Klöden, Tübingen vom 18. Februar 2002. Immatrikulationsakte Winter-Semester 1884/85 bis Sommer-Semester 1885. Signatur: UAT 40/219 Nr. 30.
  2. 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, S. 21.
  3. Jürgen Weise, S. 278.
  4. Siehe Herzogliche Technische Hochschule. Carolo Wilhelma zu Braunschweig. Programm für das Jahr 1907–1908. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1907, S. 14, 29, 60 TU Braunschweig
  5. Hans-Ulrich Ludewig: Das Herzogtum Braunschweig im Ersten Weltkrieg. Wirtschaft, Gesellschaft, Staat. Braunschweigischer Geschichtsvereins, Braunschweig 1984, S. 25.
  6. „Stegemann, Richard, Dr., Geheimer Regierungsrat, Bad Harzburg (30.6.1920-15.5.1925).“ (Joachim Lilla: Die Mitglieder des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats 1921 bis 1933. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 93. Band, Heft 1 (2006), S. 34–57.)
  7. Rezension von Ernst Haase: R. Stegemann, Deutschlands koloniale Politik. In: Deutsche Kolonialzeitung. Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft. Deutsche Kolonialgesellschaft, München 1884, Heft 3, S. 66–68. Kolonialbibliothek Goethe Universität Frankfurt am Main
  8. Rezension von G. Maas in: Archiv für öffentliches Recht. J. C. B. Mohr, Freiburg i. B. und Leipzig 1893, S. 179–180. DigiZeitschriften
  9. Rezension von Wilhelm Stieda in Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Gustav Fischer, Jena 1899, S. 556–557. DigiZeitschriften
  10. Rezension von Alexander Wirminghaus in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1894, S. 783 f. DigiZeitschriften
  11. Erwähnung von Karl Kautsky in seinem Werk Karl Marx' Oekonomische Lehren. Google books
  12. Marx-Engels-Werke. Band 36, Anm. 391. S. 790. IISG Marx-Engels papers L 6015.
  13. Marx-Engels-Werke. Band 36, S. 289.
  14. Marx-Engels-Werke. Band 36, Anm. 408. S. 792. IISG Marx-Engels papers L 6016.
  15. Marx-Engels-Werke. Band 36, S. S. 308.
  16. IISG Marx-Engels papers L 6017.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.