Renewable Energy Certificate System
Das Renewable Energy Certificate System (englisch für ‚Zertifizierungssystem für Erneuerbare Energien‘), kurz REC-System oder RECS, ist ein Zertifizierungssystem zum Herkunftsnachweis für Strom aus erneuerbaren Energien in 15 europäischen Ländern, welches im Jahr 2002 eingeführt wurde.[1] Das REC-System wird bis 2016[veraltet] eingestellt und durch das bereits heute in den meisten Ländern Europas umgesetzte EECS-GoO-System (auch GO-System) ersetzt (Guarantee of Origin). Das EECS-GoO-System beruht auf der Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG des europäischen Parlaments vom 23. April 2009.
Jeder Strom aus erneuerbaren Energien besitzt unter marktstrategischen Gesichtspunkten einen ideellen Mehrwert. Dieser kann im RECS durch seinen Erzeuger vom physischen Strom abgespalten und in der Form frei konvertibler Zertifikate an einen internationalen Markt gegeben werden. Das RECS stellt damit ein mengengleiches Zertifizierungssystem dar, welches von der tatsächlichen zeitlichen Bereitstellung des Stroms getrennt ist.
Während der Ansatz des Emissionsrechtehandels Umweltverschmutzung mit zusätzlichen Kosten belegt, versucht RECS den ideellen Mehrwert erneuerbarer Energien mittels einer zusätzlichen Handelsplattform zugänglich zu machen.
Aufbau des RECS
Struktur
Das RECS wird auf regionaler Ebene von voneinander unabhängigen Issuing Bodies (IB) verwaltet, welche für die Ausgabe und Entwertung der Zertifikate zuständig sind. Die einzelnen IBs sind wiederum zur internationalen Association of Issuing Bodies (AIB) zusammengeschlossen. Im Dezember 2002 gründeten RECS-Mitglieder die RECS International, einen Zusammenschluss nach belgischem Recht, welcher zur Wahrung der Interessen der Mitglieder und der Weiterentwicklung des RECS in Zusammenarbeit mit der AIB dienen soll.
RECS International hat derzeit über 200 Mitglieder aus 25 vorrangig europäischen Ländern, RECS Deutschland e.V. hat zurzeit 39 Mitglieder, vor allem große und mittlere Unternehmen aus der Energiewirtschaft. In der Schweiz sind es 14 und in Österreich 5 Mitglieder, ebenfalls fast alles Energieunternehmen. (Stand jeweils Februar 2010).
Anfang 2000 wurde in Deutschland, Finnland und Schweden eine zweijährige Testphase gestartet, während der ca. 14 Millionen Zertifikate gehandelt wurden. 2002 folgte die Ausweitung des Systems auf insgesamt 15 Länder.[2] Die deutschen Mitglieder von RECS International haben am 12. Februar 2003 in Hamburg den Verein RECS Deutschland e.V. gegründet.[3] Auf der Jahreshauptversammlung von RECS Deutschland e.V. am 14. März 2013 in Berlin haben die Mitglieder die Auflösung des Vereins zum 31. Dezember 2013 beschlossen.
Der deutsche Issuing Body ist das Öko-Institut, welches mit verschiedenen TÜVs als Produktion Registrars für die Überprüfung der Produktionsanlagen und als Auditing Bodies, zusammenarbeitet.[2] Seit dem Juli 2013 ist auch das Umweltbundesamt Mitglied der AIB, da ab dem Produktionsjahr 2013 das UBA mit einem neuen Register (dem Herkunftsnachweisregister) für alle Zertifikate aus erneuerbarer Stromproduktion verantwortlich ist. Im Jahr 2013 wurden das Register des Öko-Instituts und des UBA noch parallel betrieben, seit 2014 existiert nur noch das HKNR des UBA.
Die von den Issuing Bodies ausgegebenen Zertifikate erhalten eine individuelle Nummer, Angaben zur Quelle der Stromproduktion unter Angabe der Produktionsform, eine Angabe des Produktionslandes und der Domäne, in dem der Strom produziert wurde, eine Kennzeichnung, zu einer vorhandenen öffentlichen Förderung, die Angabe des ausstellenden Issuing Body oder dessen Agenten sowie Monat und Jahr der Ausgabe des RECS Zertifikats.[4]
Neben RECS-Zertifikaten existieren auch EECS-GoOs, welche sich lediglich in ihrem Rechtsstatus unterscheiden. Es wird in für beide Systeme die gleiche technische Infrastruktur verwendet, die Verwaltung obliegt der AIB, EECS-GoO basieren jedoch auf EU-Richtlinien und nationaler Gesetzgebung.[5]
Handel
Erzeuger regenerativer Energien, die ihre Anlagen in das RECS aufnehmen lassen wollen, müssen sich von einem unabhängigen Gutachter eine Renewable Energy Deklaration (RED) ausstellen lassen, woraufhin der Issuing Body die Anlage in die nationalen RECS-Registratur aufnimmt. Die Erzeuger können die erhaltenen RECS-Zertifikate dann an andere Marktteilnehmer, z. B. Stadtwerke, verkaufen. Diese verkaufen diejenige Strommenge als Erneuerbare Energie, für welche sie Zertifikate erworben haben. Verkäufe werden vom Issuing Body in der Registratur vermerkt.[6]
Kunden, die mittels ihres Tarifvertrages Ökostrom beziehen, bekommen mit dem RECS eine Garantie dafür, dass irgendwo in Europa die vom Kunden bezogene Jahresstrommenge in kWh regenerativ hergestellt wird. Eine Neubauverpflichtung regenerativer Anlagen besteht mit dem RECS nicht.
Aussichten
Ein wesentlicher Anteil der heute bereitgestellten erneuerbaren elektrischen Energie wird mittels Wasserkraft erzeugt. Dieser Anteil ist derzeit wesentlich höher als der von den Kunden nachgefragte Anteil an Ökostrom. Solange diese Nachfrage nicht steigt, bleibt der Preis für die RECS-Zertifikate niedrig, so dass jeder Anbieter jedem Kunden regenerativ erzeugten Strom ohne wesentliche Mehrkosten anbieten kann. Somit wird durch diese Zertifikate derzeit kein Anreiz geschaffen, den Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen.
Aus Sicht des Kunden bedeutet dieses lediglich eine rechnerische Verschiebung des Stroms aus erneuerbaren Energien vom normalen Kunden zum Ökostromkunden. Auf der anderen Seite können Verbraucher, die ihren Strom von Energieversorgern mit vielen regenerativen Quellen beziehen, in die Situation kommen, dass ihr persönlicher Strommix deutlich weniger regenerativ als angenommen ist. Dies ist der Fall, wenn das EVU die Zertifikate an andere Erzeuger verkauft. Trotz Stromkennzeichnung bietet RECS den Energieversorgern die Möglichkeit diese Umetikettierung zusätzlich zu verschleiern. (Siehe Abschnitt Kritik).
Damit das RECS eine Auswirkung auf die Erzeugungskapazitäten haben kann, müssen die gehandelten Zertifikate einen signifikanten Preis haben. Dieses kann einerseits durch verstärkte Nachfrage der Kunden und andererseits durch Verknappung der Zertifikate (beispielsweise die Aberkennung der Zertifikate aus bestimmten Erzeugungsformen oder Anlagentypen) ermöglicht werden.
Energiearten
Zu den RECS-zertifizierbaren Anlagen zählen Windkraftanlagen, Wasserkraftwerke, Solaranlagen oder Anlagen für die Verfeuerung von Biomasse.[4] Anlagen, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vergütet werden, sind vom RECS-Handel ausgenommen.[7]
RECs in den USA
In den USA können RECs auch für die Energieerzeugung aus anderen Energiearten vergeben werden. Mögliche Produktionsformen sind hier:
- Solarenergie
- Windenergie
- Geothermische Energie
- Wasserkraftwerke kleineren Maßstabes (ohne Staudämme)
- Energie aus Biomasse
- Biodiesel
- Brennstoffzellen wenn der benötigte Wasserstoff mittels einer der anderen erlaubten Energieformen erzeugt wurde.
RECs werden in den USA von den Unternehmen Green-e und der Non-profit-Organisation The Climate Neutral Network vergeben.
Kritik
RECS-Strom ungleich „Ökostrom“
Ein Hauptkritikpunkt an Unternehmen, die RECS-zertifizierten Strom vertreiben, ist, dass im Zusammenhang mit RECS oft von „Ökostrom“ gesprochen wird[8] und sogar Stromanbieter diesen Strom als Ökostrom bezeichnen.[9][10] Dies trifft auch für EECS-Produkte zu.[11] Richtigerweise sollte hier der Begriff „Erneuerbare Energie“ verwendet werden, denn das „RECS ist kein Ökostrom-Label“[1] in dem Sinne, dass durch den Begriff „Ökostrom“ ein ökologischer Zusatznutzen im Vergleich zu „gewöhnlichem“ Strom impliziert wird. Die RECS-Organisation selber formuliert hier eine klare Trennung:
„Das RECS System zertifiziert keine Ökostrom-Produkte und ist kein Ökostrom-Label. Das RECS System selbst stellt, außer dass nur für erneuerbare Energien Zertifikate ausgestellt werden können, als Nachweissystem für die Produktion von erneuerbaren Energien im Allgemeinen keine weiteren Anforderungen an die Erzeugungsanlagen; weder an das Anlagenalter, noch an ökologische Anforderungen.“[1]
Insbesondere werden das Anlagenalter und besondere ökologische Anforderungen, wie etwa Schutz der umgebenden Natur, nicht berücksichtigt. Wird dann durch entsprechendes Marketing der ökologische Wert hervorgehoben, so können diese Methoden dem Greenwashing zugeordnet werden.
Die im Endverbrauchermarkt bestehende faktische Gleichstellung von RECS-Zertifikaten mit anderweitigen Ökostrom-Herkunftsnachweisen erlaubt den RECS-zertifizierten Stromanbietern die Vermarktung von sog. „Ökostrom“ ohne dessen physischen Erwerb und verbrauchszeitgleiche Einspeisung.
Die entsprechend konsequent kontrollierte qualitative Abwertung des RECS-Stroms gegenüber anderen hochwertigeren Ökostromnachweisen findet auf den jeweiligen lokalen Märkten nicht statt. Insbesondere für den Endverbraucher werden die Qualitätsunterschiede der RECS-Zertifikate zu Ökostromkriterien anderer Label nicht deutlich. Dennoch soll das System laut Angaben der Träger den Ausbau regenerativer Energien in Europa fördern.[3]
Geringer Effekt auf regenerative Energieproduktion
Das RECS wird von Verbraucherschützern und Energieexperten kritisiert, weil der Anbieter des regenerativen Stroms zurzeit nur ca. 0,015–0,2 Cent pro Kilowattstunde zusätzlich zum Marktpreis an der Strombörse erhält,[12][13] was nur einen sehr kleinen Anreiz zum Ausbau dieser Energieform bedeutet. Der Kunde bekommt den falschen Eindruck, er könne über RECS regenerative Energie wirksam fördern ohne dafür entsprechend zu bezahlen.
Verschleierung der Stromherkunft
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Deklarierung des vom Zertifikatverkäufer erzeugten Stroms. Dieser darf ja nun nicht mehr als regenerativ erzeugter Strom verkauft werden, da die Herkunftsnachweise aus dieser Produktion separat vermarktet wurden. Für den zunächst „eigenschaftslosen“ Strom müssen nun die Regeln des VDEW-Leitfadens zur Stromkennzeichnung angewandt werden. Diese legen fest, dass der Käufer der RECS-Zertifikate dem Verkäufer im Austausch gegen die gekauften Zertifikate seine Zusammensetzung bzw. seine spezifische Stromkennzeichnung melden muss. Das heißt, der physikalische Strom hat dann per Definition die Zusammensetzung, die vorher der Strom des Zertifikatekäufers hatte. Wenn beispielsweise ein Stromversorger RECS-Zertifikate kauft, um 1.000 kWh seines spezifischen Strommixes als Ökostrom zu kennzeichnen, muss der Zertifikat-Verkäufer diese Menge an Strom in der Weise deklarieren, wie der Käufer sie ohne den Zertifikatezukauf hätte deklarieren müssen.[14] Dieses System eröffnet dem Zertifikatverkäufer die Möglichkeit, die „neue“ Herkunft seines Stromes zu verschleiern. Strom wird an der Strombörse als „grauer Strom“ mit „unbekannter Herkunft“ mit den Eigenschaften des europäischen Strommixes (UCTE) gekennzeichnet.[15] Es ist nicht nachprüfbar, ob Kohle-, Atom- oder andere Stromsorten mittels Zertifikaten zu Ökostrom umetikettiert wurden. Gleichzeitig kann der Verkäufer seinen nun „eigenschaftslosen“ Strom immer noch mit einer UCTE-Angabe verkaufen anstatt beispielsweise einer 100-%-Atomstromkennzeichnung.
Kein Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung
RECS fördert den Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung nur so lange, bis die explizite Nachfrage gedeckt ist. Darüber hinaus gibt es keinen weiteren Anreiz für eine nachhaltige Energieversorgung. RECS ermöglicht vielmehr auch Stromanbietern ohne eigene erneuerbare Kapazitäten weiterhin den Verkauf ihres Stromes, jetzt jedoch mit regenerativem Herkunftsnachweis. Bereits die Kapazität bestehender Wasserkraftwerke ist mehr als ausreichend um die Nachfrage zu decken.
Doppelvermarktung
Verkäufer der RECS-Zertifikate halten sich angeblich teilweise nicht an die Vorgabe, ihre Stromkunden nach dem Verkauf eines Zertifikats darüber zu informieren, dass sie nicht mehr das Recht haben, ihren Strom als Ökostrom zu bezeichnen.[16]
Empfehlung von Umweltorganisationen
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen empfehlen, bei der Auswahl eines Ökostrom-Anbieters darauf zu achten, welche Versprechen der Anbieter mit dem Ökostromangebot verbindet. Die Qualität ihres Stroms kennzeichnen die meisten Anbieter durch Verwendung von Gütesiegeln, wie z. B. dem ok-power Label, dem Grüner Strom Label oder verschiedenen TÜV-Plaketten.
In Deutschland verzichten unter anderem Greenpeace Energy[17] und die Naturstrom AG[18] auf den Einsatz von RECS-Zertifikaten, Lichtblick und EWS benutzen sie „lediglich als technisches Nachweissystem, also als Register“.[19] Die mit dem Grüner Strom Label ausgezeichneten Anbieter (z. B. Naturstrom AG) dürfen keine RECS-Zertifikate verwenden, während das ok-power Label (Lichtblick, Naturenergie, Vattenfall, Stadtwerke) RECS-Zertifikate zulässt – das Öko-Institut, die deutsche Ausgabestelle (issuing body) für RECS-Zertifikate, ist eines der drei Gründungsmitglieder des ok-power Labels. Auch bei den Gütesiegeln des TÜV Süd sind RECS-Zertifikate unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Diverse Ökostrom-Vergleichsrechner weisen neben dem Energie-Mix der Stromanbieter auch die unterschiedlichen Ökostrom-Zertifizierungen aus.
Weblinks
- Ökostrom-Report (PDF; 480 kB) Robin-Wood-Recherchebericht, Januar 2020
- Weiterentwicklung des freiwilligen Ökostrommarktes (PDF; 2,79 MB) Projektbericht im Auftrag des EnergieVision e.V., Freiburg, November 2013
- Fokus Ökostrom: Bestandsaufnahme und Perspektiven Kurzstudie von Uwe Leprich für Greenpeace, Dezember 2008 (PDF-Datei; 360 kB)
- Lars Lange: Die Ökostrom-Lüge Telepolis, 23. November 2007
- RECS International
- Wolf von Fabeck: RECS gefährdet das EEG Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V., 5. Januar 2005
- Association of Issuing Bodies
Einzelnachweise
- laut offizieller RECS-Deutschland Homepage, zuletzt abgerufen am 23. März 2011
- Erfahrungen und Ausblick RECS Deutschland
- Ziele des RECS Deutschland e.V. 12/2002
- RECS RECS Deutschland
- Beschreibung EECS (PDF; 53 kB) RECS Deutschland
- Wie funktioniert das System? RECS Deutschland
- Unterschied zwischen RECS Zertifikaten und Ökostrom-Labeln. auf: recs-deutschland.de
- 7/2013
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. August 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Care-Energy behauptet, dass EECS-zertifizierter Strom Ökostrom sei.
- Dominik Seebach vom Öko-Institut in einem Interview von check24.de
- EEX Future Guarantees of Origin FEC (Memento des Originals vom 26. Juni 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Aktuelle Handelspreise für EECS-GoO an der EEX
- Leitfaden Stromkennzeichnung
- BDEW-Leitfaden „Stromkennzeichnung“; Stand: August 2012; Kapitel 6.2.4 (Strom unbekannter Herkunft) und 6.8.4 (Strombörse) (Memento des Originals vom 14. Februar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 1,3 MB)
- "Etikettenschwindel bei Ökostrom" – Kritik an Handel mit Umweltzertifikaten (Memento vom 16. Februar 2009 im Internet Archive) Tagesschau, 5. Januar 2008
- "Pauschalverdacht gegen Ökostrom falsch – Greenpeace-Energy-Chef Robert Werner lehnt umstrittene RECS-Zertifikate ab" – Greenpeace, 6. Januar 2008
- NATURSTROM zum Thema RECS-Zertifikate
- "Zertifikate sind geduldig – RECS-Zertifikate können Atom- und Kohlestrom grün färben, aber auch echten Ökostrom zählen" umwelt aktuell 03/2008