Greenwashing
Greenwashing oder Greenwash (englisch; wörtlich „grünwaschen“, übertragen: „sich ein grünes Mäntelchen umhängen“) ist eine kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. Der Begriff spielt auf grün als Symbol für Natur und Umweltschutz und Waschen im Sinne von Geldwäsche oder sich reinwaschen an. Er kann als Analogiebildung zu whitewashing (englisch für schönfärben, übertragen: „sich eine weiße Weste verschaffen“; Ableitung von whitewash für „Sumpfkalk“) im Deutschen auch als Grünfärberei übersetzt werden.[1] Das Schönfarben von Klimabilanzen wird auch englisch Climate-Washing genannt.[2] Suggerieren betrügerische oder irreführende Werbeaussagen zu Produkten oder Dienstleistungen von Unternehmen einen Gesundheitsbonus, der nicht existiert, so spricht man jedoch von Healthwashing („gesundwaschen“).
Darstellung der Phänomene
Instrumente
Beim Greenwashing werden Techniken der Öffentlichkeitsarbeit, der Rhetorik und der Manipulation benutzt, um einem Unternehmen, seinen Produkten oder Aktivitäten eine positive Wahrnehmung zu verschaffen (umgangssprachlich: „weiße Weste“). So behaupten die Unternehmen unter anderem, die Ausrottung der Armut und des Welthungers voranzutreiben, ihre Produkte fair zu handeln oder auf ökologische und klimaverträgliche Weise herzustellen. Übliche Felder sind Erklärungen zur Nachhaltigkeit, Energieeffizienz oder der CO2-Neutralität.
In der Regel stellt das Unternehmen einzelne umweltfreundliche Leistungen, Aktivitäten oder Ergebnisse bzw. entsprechende Bewertungen Dritter mit erhöhtem PR-Aufwand öffentlich heraus, etwa in Presseaktionen oder Werbekampagnen. Häufig sind die dabei getroffenen Einzelaussagen – zum Beispiel über ein neues, umweltfreundliches Produkt oder Verfahren des Unternehmens – für sich genommen zutreffend, betreffen aber nur einen geringen Teil der Unternehmensaktivitäten, während das Kerngeschäft umweltverschmutzend bleibt. Die wahrscheinlich häufigste Erscheinungsform ist das Herausfiltieren richtiger Aussagen bei gleichzeitiger Ausblendung relevanter Kausalitäten oder klassisch negativer Effekte. Eine weitere Form ist ein prophylaktisches Greenwashing: Ein Argument wird gestreut, um zukünftigen Gegenargumenten vorzubeugen und einen Wahrnehmungsvorteil zu entwickeln.
Akteure und Kooperationen
Akteure von Greenwashing sind
- Unternehmen mit Angeboten, die umweltbelastend, ressourcenverbrauchend, deren Produktion einem hohen Risiko unterliegt oder unter Verletzung von Sozialstandards herstellen,
- bezahlte PR-Agenturen,
- Lobbyisten,
- honorierte Meinungsbildner bis in den wissenschaftlichen Bereich (Gutachten),
- Influencer.
Auch staatliche Akteure, wie Regierungen oder Politiker, können sich des Greenwashing bedienen, um ihr Handeln oder Nicht-Handeln gegenüber der Öffentlichkeit in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen.[2]
Eine besondere Form des Greenwashing sind Kooperationsprojekte mit Partnern, die in der Öffentlichkeit ein positives Image haben und mit Umweltfreundlichkeit, uneigennützigem ökologischen Engagement oder Unabhängigkeit assoziiert werden. Meist handelt es sich bei diesen Projekten um Sponsoring. Solche Kooperationsprojekte sind nicht automatisch Greenwashing – allgemein anerkannte Kriterien zur Unterscheidung fehlen jedoch bislang. Deshalb haben sich einige Umweltorganisationen Richtlinien für Sponsoring oder Kooperationen gegeben, mit denen Greenwashing (oder entsprechenden Vorwürfen) begegnet werden soll. Dessen ungeachtet sind diese Kooperations- und Sponsoringprojekte häufig Gegenstand von internen Diskussionen und auch von Greenwashing-Vorwürfen.[3][4]
Methoden
Als typische Greenwashing-Methoden von Unternehmen nennt die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers folgende Strategien:[5]
- Versteckte Zielkonflikte: Ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich bewerben, obwohl andere Produkteigenschaften umweltschädlich sind.
- Fehlende Nachweise: Aussagen treffen, die nicht durch unabhängige Stellen verifiziert oder durch aussagekräftige Studien belegt werden können.
- Vage Aussagen: Unklar definierte Begriffe verwenden, die leicht missverstanden werden können.
- Irreführende oder symbolische Labels: Von unseriösen Instituten stammende oder selbst erfundene Labels verwenden, die praktisch keinen Aussagewert haben.
- Irrelevante Aussagen: Aussagen treffen, die zwar stimmen, aber keinen Aussagewert haben. (Beispiel: Ein Produkt wird mit der Aussage FCKW-frei beworben, obwohl dies nur gesetzliche Vorgaben umsetzt).
- Kleineres Übel: Ein Produkt mit einem noch weniger umweltfreundlichen Produkt vergleichen, um es in besserem Licht erscheinen zu lassen.
- Unwahrheiten: Faktisch unzutreffende Werbebotschaften senden (Beispiel: Es wird ein Bio-Siegel verwendet, obwohl das Produkt gar nicht für dieses Siegel zertifiziert wurde).
- Deep Greenwash: Unternehmen versuchen durch Lobbyismus auf politische Entscheidungsträger einzuwirken, um etwa die Verbindlichkeit von Umweltvorgaben abzuschwächen und eine Selbstregulierung durchzusetzen.[6]
Zwei weitere Methoden sind ergänzend zu nennen, die der Blog nachhaltig-sein.info aufführt:[7]
- Fehlende Aktivitäten: Unternehmen betonen symbolisch die Relevanz von Nachhaltigkeit, können aber tatsächlich kaum Aktivitäten aufweisen, um dies zu untermauern.
- Fremde Aktivitäten: Ein normaler technischer Fortschritt oder ein zugekauftes Verfahren oder eine Technik werden als unternehmenseigener Erfolg verkauft. (Beispiel: Eine gesetzlich vorgeschriebene Verringerung der CO₂-Emissionen wird als Eigenleistung des Unternehmens ausgegeben)
Phänomen
Greenwashing ist seit langem ein Phänomen von Unternehmen, deren Produktion risikoreich, umweltbelastend oder für Arbeitnehmer oder Anrainer gefährlich werden kann. Klassisch sind dies u. a. bestimmte Bergbauwerke, Atomkraftwerke, die chemische, pharmazeutische oder Lebensmittelindustrie. Darüber hinaus eine globalisierte Textilindustrie mit höchst unterschiedlichen Auflagen zur Produktion in einzelnen Ländern. In vielen Fällen ist es für den Konsumenten sehr schwer, die Aussagen des Greenwashings zu überprüfen, oder für Institutionen, sie den Unternehmen nachzuweisen. Dort, wo es Umwelt- oder Verbraucherschutzinstitutionen gelingt, Nachweise zu führen, ist eine hohe Medienresonanz die Regel. Bisweilen werden auch Negativpreise vergeben.
Beispiele (Auswahl)
Chiquita ist eines der Unternehmen, das durch Greenwashing fortwährend in die Kritik der Medien geraten ist. So stellt sich der Konzern seit Mitte der neunziger Jahre als umweltbewusst und fair handelndes Unternehmen dar, welches Vorbildstatus genieße, nicht zuletzt aufgrund der überdurchschnittlich hohen Löhne. Mitarbeiter der Plantagen berichten aber immer wieder von zu geringen Löhnen und Missachtung ihrer gewerkschaftlichen Rechte. Die Mitarbeiter behaupten weiterhin, dass diejenigen, die ihre Rechte einfordern, unter einem Vorwand aus dem Unternehmen geworfen werden und anschließend in der Region keine Anstellung mehr bekommen.[8][9]
Im Januar 2020 warnte die Fur Free Alliance (FFA) vor dem "WelFur" Tierschutz Zertifikat, welches von der Pelzindustrie selbst betrieben wird.[10]
Große CO2-Emittenten bedienen sich oft Strategien des Climate-Washing, um in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Verursacher, sondern als Teil der Lösung der globalen Erwärmung dazustehen. So haben sich Unternehmen aus dem Bereich fossiler Energien und zahlreiche Investmentbanken verpflichtet, klimaneutral zu werden, während sie weiter in neue fossile Projekte investieren. Häufig berücksichtigen Unternehmen in ihren Aussagen über die Klimabilanz ihrer Produkte nur die Emissionen, die bei deren Ge- oder Verbrauch entstehen, nicht aber Emissionen vorgelagerter Prozessschritte, beispielsweise bei Aussagen über Wasserstoff oder Biokraftstoffe. Als beschönigend angesehene Berichte von Unternehmen über ihre klimafreundliche Investments, Klimarisiken und die Folgen, die mit der Nutzung fossiler Brennstoffe verbunden sind, waren mehrfach Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.[2] Eine der bekanntesten Greenwashing-Kampagnen der letzten Jahre war die mittlerweile eingestellte „beyond petroleum“ des britischen Mineralölkonzerns bp und die damit verbundenen medienwirksamen Aktionen, wie z. B. die Installation von Solarstromanlagen auf einigen Tankstellen, die durch das „Helios-Symbol“ dem neuen Logo in Form einer grün-gelben Blume angeführt wurde.[11][12]
Auch Ikea muss sich dem Vorwurf von Greenwashing stellen. Nach eigenen Angaben setzt das Unternehmen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auf eine nachhaltige Forstwirtschaft. Holz zur Herstellung der Möbel werde dabei in erster Linie aus nachhaltigen Quellen bezogen. Eigenen Aussagen nach bezieht das Unternehmen bereits 98 % recyceltes sowie FSC-zertifiziertes Holz (Stand Mai 2021).[13] Verschiedenen Recherchen zufolge bezieht Ikea jedoch Holz aus illegalen Holzschlägen unter anderem in Sibirien und Rumänien.[14] Ein aktueller Bericht der NGO Earthsight zeigt zudem, dass Ikea in Rumänien auch als Waldbesitzer ohne Rücksicht auf Umweltstandards Kahlschläge in den eigenen Wäldern durchführt.[15]
Siehe auch
Literatur
- Stangl/ Drobiunig-Stangl Stangl, A.; Drobiunig-Stangl, S. (2015): Healthwashing – Wie die Nahrungsmittelindustrie die Werbewirkungsforschung nutzt um unser Kauf- und Essverhalten zu beeinflussen, Saarbrücken: AV Akademikerverlag. ISBN 978-3-639-87632-1
- Friedrich Schmidt-Bleek: Grüne Lügen: Nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten. Ludwig, München 2014, ISBN 978-3-453-28057-1.
- Stefan Kreutzberger: Die Ökolüge. Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen. Econ, Berlin 2009, ISBN 978-3-430-30045-2.
- Toralf Staud: Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen: Lügen, bis das Image stimmt. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, ISBN 3-462-04106-1.
- Peter Seele: Is Blue the new Green? Colors of the Earth in Corporate PR and Advertisement to communicate Ethical Commitment and Responsibility. Working Paper CRR 03, 2007/1, PDF-Datei.
- John Stauber, Sheldon Rampton: Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie. Orange-Press, Freiburg 2006, ISBN 978-3-936086-28-7.
- Kathrin Hartmann: Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt. Blessing, München 2009, ISBN 978-3-89667-413-5.
Weblinks
- Themenseite „Greenwash“ beim Umweltverband BUND
- Beitrag zum Thema „Greenwashing“ im Umweltmagazin EnSaver
- Westdeutscher Rundfunk, Servicezeit, Echter Umweltschutz oder „Grünfärberei“?: Wie grün ist Ökostrom wirklich? (Memento vom 6. April 2014 im Internet Archive)
- nachhaltig-sein.info, Handbuch Nachhaltigkeit für Unternehmen, Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 11): Greenwashing – wie enttarnen und worauf es ankommt
Einzelnachweise
- Greenpeace-Magazin 4.09: Grünfärberei (Memento vom 5. April 2016 im Internet Archive)
- Climate Social Science Network, Lewis & Clark Law School, London School of Economics, Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment (Hrsg.): Climate-Washing Litigation: Legal Liability for Misleading Climate Communications (= CSSN Research Report. Nr. 2022:1). Januar 2022 (lse.ac.uk).
- Vgl. etwa ANU: Leuchtpol – BNE im Kindergarten. umweltbildung.de (Memento vom 31. Januar 2010 im Internet Archive), 21. April 2008.
- Vgl. BUNDjugend: Grüne Liga ohne EnBW/Naturenergie, 24. Mai 2006.
- PricewaterhouseCoopers: Nachhaltigkeitsberatung. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Ulrich Müller: Greenwash in Zeiten des Klimawandels. In: Studie. LobbyControl, November 2007, S. 3, abgerufen am 12. Januar 2022.
- Greenwashing in Kommunikation und Marketing (Folge 11). 4. Februar 2015, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Archivierte Kopie (Memento vom 5. März 2017 im Internet Archive)
- Sarah Shemkus: Chiquita settles lawsuit over green marketing, but the legal battle isn't over. 19. Dezember 2014, abgerufen am 12. Januar 2022 (englisch).
- VIER PFOTEN und Fur Free Alliance warnen vor Greenwashing-Siegel der Pelzindustrie, vom 22. Januar 2020 in Ots.at.
- Christoph Birnbaum und Klaus Remme: BP – beyond petroleum – Vom Image und der Wirklichkeit, Deutschlandfunk – „Hintergrund“ vom 8. Juni 2010
- http://www.kritischeaktionaere.de/uploads/media/BP_Greenwashing_Studie.pdf
- Nachhaltige Forstwirtschaft. Abgerufen am 12. Februar 2022 (deutsch).
- Julian Weiß: Greenwashing Beispiele: Wer sind die schwarzen Schafe? In: Fairlier. 6. Februar 2022, abgerufen am 12. Februar 2022 (deutsch).
- https://www.agentgreen.ro/wp-content/uploads/2021/08/20210826_IKEA_hipocrisy_EN.pdf