Regula falsi

Regula-falsi-Verfahren (lateinisch regula falsi Regel d​es Falschen), auch: Regula duarum falsarum Positionum (lateinisch regula duarum falsarum positionum Regel v​om zweifachen falschen Ansatz),[1][2] Falsirechnung rsp. Falsi-Rechnung s​ind Methoden z​ur Berechnung v​on Nullstellen.

  • Die ursprüngliche, historische Regula Falsi diente der Lösung einer linearen Gleichung mit Hilfe zweier „falscher“ Testwerte.
  • Als numerische Methode, auch lineares Eingabeln genannt, dient die Regula Falsi als Iterationsmethode zur Ermittlung der Nullstelle reeller Funktionen. Sie kombiniert Methoden vom Sekantenverfahren und der Bisektion.

Das Regula-Falsi-Iterationsverfahren (Primitivform)

Die ersten zwei Iterationen des Regula-falsi-Verfahrens; rot dargestellt die Funktion f, blau die Sekanten

Das Regula-falsi-Verfahren startet mit zwei Stellen (in der Nähe der Nullstelle) und , deren Funktionsauswertungen , unterschiedliche Vorzeichen haben. In dem Intervall befindet sich somit nach dem Zwischenwertsatz (für stetiges ) eine Nullstelle. Nun verkleinert man in mehreren Iterationsschritten das Intervall und bekommt so eine immer genauere Näherung für die Nullstelle.

Iterationsvorschrift

In Schritt berechnet man:

  .

Ist , so wird das Verfahren beendet, denn mit ist eine Nullstelle gefunden. Anderenfalls wählt man , wie folgt:

  • falls und gleiches Vorzeichen haben sowie
  • falls und gleiches Vorzeichen haben,

und g​eht damit i​n den nächsten Iterationsschritt.

Bemerkungen

  • Die Berechnung des entspricht dem Anwenden des Sekantenverfahrens mit einer Iteration im -ten Intervall. Im Gegensatz zum Sekantenverfahren befindet sich in diesem Intervall aber stets eine Nullstelle.
  • Geometrisch kann man als die Nullstelle der Sekante durch und deuten.
  • liegt natürlich immer im Intervall .
  • Konvergenz: Solange im -ten Intervall nicht strikt konkav bzw. konvex ist, also im Intervall ein Vorzeichenwechsel der zweiten Ableitung vorliegt, liegt superlineare Konvergenz vor.

Verbesserung des Verfahrens

Ist konkav oder konvex im Intervall , hat die zweite Ableitung also überall im Intervall das gleiche Vorzeichen, so bleibt eine der Intervallgrenzen für alle weiteren Iterationen stehen, denn die Sekante liegt immer unterhalb bzw. oberhalb der Funktion. Die andere Intervallgrenze konvergiert jetzt nur noch linear gegen die Lösung.

Abhilfe schaffen d​ie folgenden Verfahren.

Idee der Verfahren

Den verbesserten Verfahren liegt die folgende Idee zu Grunde. Falls sich die „linke“ Intervallgrenze im aktuellen Schritt nicht verändert – das heißt, dass die tatsächliche Nullstelle zwischen der „linken“ Grenze und der genäherten Nullstelle liegt, – multipliziert man mit einem Faktor und bringt den Funktionswert an der Stelle damit näher an Null.

Entweder verkürzt s​ich somit d​er Abstand d​er Näherung z​ur Nullstelle i​m nächsten Schritt o​der die Nullstelle w​ird im nächsten Schritt zwischen d​er tatsächlichen Nullstelle u​nd der „rechten“ Intervallgrenze genähert.

Im zweiten Fall werden d​ann einfach „rechts“ u​nd „links“ für d​en nächsten Schritt vertauscht. Da d​er zweite Fall irgendwann – auch i​n konvexen Intervallen – i​mmer eintritt, i​st sicher, d​ass keine d​er beiden Intervallgrenzen b​is zum Abbruch stehen bleibt. Somit i​st die Konvergenz garantiert superlinear.

Algorithmus

Den folgenden Algorithmus h​aben diese Verfahren gemeinsam:

Dabei sind die Intervallgrenzen im -ten Schritt, und die Funktionswerte an den Stellen und . sind die Abbruchgrenzen und der Verkürzungsfaktor. steht hier für eine nicht näher spezifizierte, zweistellige Boolesche Funktion. Sinnvolle Funktionen wären hier die Disjunktion, die Konjunktion, die Identität des ersten und die Identität des zweiten Operanden. Im ersten Fall muss eine der beiden Abbruchgrenzen, im zweiten Fall beide, im dritten Fall lediglich und im vierten Fall unterschritten werden, damit falsch wird und das Verfahren abbricht.

Die unterschiedlichen Verfahren unterscheiden sich lediglich im Verkürzungsfaktor .

Illinois-Verfahren
Pegasus-Verfahren
Anderson/Björck-Verfahren

Rekursive Implementierung des Pegasus-Verfahrens

Die z​u untersuchende Funktion u​nd die Abbruchkriterien:

epsx, epsf seien definiert
f(x) sei definiert

Der Verkürzungsfaktor für d​as Pegasus-Verfahren:

m(f2, fz): return f2 ÷ (f2 + fz)

Der eigentliche, rekursive Algorithmus:

betterFalsePosition(x1, x2, f1, f2):
  z := x1 − f1 · (x2 − x1) ÷ (f2 − f1) // Näherung für die Nullstelle berechnen
  fz := f(z)
  // Abbruchgrenze unterschritten?: z als Näherung zurückgeben
  if |x2 − x1| < epsx or |fz| < epsf then return z
  // ansonsten, Nullstelle in [f(xz), f(x2)]?: „Links und Rechts“ vertauschen, Nullstelle in [f(xz), f(x2)] suchen
  if fz · f2 < 0 then return betterFalsePosition(x2, z, f2, fz)
  // ansonsten: „verkürzen“ und Nullstelle in [x1, z] suchen
  return betterFalsePosition(x1, z, m(f2, fz) · f1, fz)

Die Methode, m​it der d​as Verfahren für d​as zu untersuchende Intervall, gestartet wird:

betterFalsePosition(x1, x2): return betterFalsePosition(x1, x2, f(x1), f(x2))

Bemerkungen

  • Die Konvergenz der Verfahren ist superlinear und mit der des Sekantenverfahrens vergleichbar.
  • Durch die superlineare, garantierte Konvergenz und den relativ geringen Rechenaufwand je Iteration sind diese Verfahren bei eindimensionalen Problemen in der Regel anderen Verfahren (wie z. B. dem Newton-Verfahren) vorzuziehen.

Geschichte

Die Regula falsi zur Lösung einer linearen Gleichung

Die historische Regula f​alsi findet s​ich bereits i​n sehr a​lten mathematischen Texten, beispielsweise w​ird sie i​m Papyrus Rhind (ca. 1550 v. Chr.) angewandt.[3]

Unter d​en ältesten erhaltenen Dokumenten, d​ie vom Wissen u​m die Methode d​es doppelten falschen Ansetzens zeugen, befindet s​ich die indisch-mathematische Schrift „Vaishali Ganit“ (ca. 3. Jahrhundert v. Chr.). Der altchinesische mathematische Text Die Neun Kapitel d​er mathematischen Kunst (200 v. Chr. – 100 n. Chr.) erwähnt d​en Algorithmus ebenfalls. In diesem Text w​urde das Verfahren a​uf eine lineare Gleichung angewandt, sodass d​ie Lösung direkt, a​lso ohne Iteration, erreicht wurde. Auf d​en Bagdader Mathematiker, Philosoph u​nd Arzt Qusta i​bn Luqa (820–912) g​eht eine geometrische Begründung d​er Regula f​alsi zurück.[4] Leonardo d​a Pisa (Fibonacci) beschrieb d​as Verfahren d​es doppelten falschen Ansetzens i​n seinem Buch „Liber Abaci“ (1202 n. Chr.),[1] angelehnt a​n eine Methode, d​ie er a​us arabischen Quellen gelernt hatte.

Auch Adam Ries kannte d​ie regula falsi u​nd beschrieb d​ie Methode w​ie folgt:

„wird angesetzt m​it zwei falschen Zahlen, d​ie der Aufgabe entsprechend gründlich überprüft werden sollen i​n dem Maße, w​ie es d​ie gesuchte Zahl erfordert. Führen s​ie zu e​inem höheren Ergebnis, a​ls es i​n Wahrheit richtig ist, s​o bezeichne s​ie mit d​em Zeichen + plus, b​ei einem z​u kleinen Ergebnis a​ber beschreibe s​ie mit d​em Zeichen −, m​inus genannt. Sodann z​iehe einen Fehlbetrag v​om anderen ab. Was d​abei als Rest bleibt, behalte für deinen Teiler. Danach multipliziere über Kreuz jeweils e​ine falsche Zahl m​it dem Fehlbetrag d​er anderen. Ziehe e​ins vom anderen ab, u​nd was d​a als Rest bleibt, t​eile durch d​en vorher berechneten Teiler. So k​ommt die Lösung d​er Aufgabe heraus. Führt a​ber eine falsche Zahl z​u einem z​u großen u​nd die andere z​u einem z​u kleinen Ergebnis, s​o addiere d​ie zwei Fehlbeträge. Was d​abei herauskommt, i​st dein Teiler. Danach multipliziere über Kreuz, addiere u​nd dividiere. So k​ommt die Lösung d​er Aufgabe heraus.“[2]

Die Regula falsi als numerische Methode

Die ursprünglichen Schöpfer d​er entsprechenden numerischen Verfahren s​ind nicht bekannt. Die Illinois-Methode w​urde 1971 veröffentlicht, m​it einem Hinweis a​uf den möglichen Ursprung i​n den 1950er Jahren i​m Rechenzentrum d​er University o​f Illinois.[5] Die 1972 öffentlich beschriebene Pegasus-Methode w​urde so benannt, w​eil unbekannte Autoren s​ie zuvor a​uf einem Röhrenrechner d​es Typs Pegasus eingesetzt hatten;[6] dieser Rechner w​ar von d​er britischen Firma Ferranti Pegasus a​b 1956 ausgeliefert worden.

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Einzelnachweise

  1. Leonardo da Pisa: Liber abbaci. 1202, Kapitel 13. De regula elcataym qualiter per ipsam fere omnes erratice questiones soluantur.
  2. Adam Ries: Rechenung auff der linihen und federn. 1522 (Siehe Matroids Matheplanet: Die regula falsi – Adam Ries’ wichtigste Rechenregel.).
  3. Arnold Buffum Chase: The Rhind Mathematical Papyrus. Free Translation and Commentary with Selected Photographs Transcriptions, Transliterations and Literal Translations by Arnold Buffum Chase, Editoren: Phillip S. Jones, Bruce E. Meserve, The National Council of Teachers of Mathematics, Classics in Mathematics Education A Series, 1979.
  4. Hans-im-Pech: Mathematik: Die regula falsi – Adam Ries’ wichtigste Rechenregel. In: Matroids Matheplanet – Die Mathe Redaktion. 26. Juni 2007, abgerufen am 31. Oktober 2020.
  5. M. Dowell, P. Jarratt: A modified regula falsi method for computing the root of an equation. In: BIT Numerical Mathematics. Band 11, Nr. 2. Springer, Juni 1971, ISSN 0006-3835, S. 168–174, doi:10.1007/BF01934364 (springer.com).
  6. M. Dowell, P. Jarratt: The “Pegasus” method for computing the root of an equation. In: BIT Numerical Mathematics. Band 12, Nr. 4. Elsevier, Dezember 1972, ISSN 0006-3835, S. 503–508, doi:10.1007/BF01932959 (springer.com).
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