Prosperos Insel
Prosperos Insel ist ein Theaterstück von Tankred Dorst, dessen Text im Jahr 2008 bei Suhrkamp in Frankfurt am Main erschien.
Titel, Zeit und Ort
Sombarth begegnet einer Amerikanerin, die ihm den Ort der Handlung – die kleine Insel – abkaufen will, weil sie angeblich auf dem Eiland geboren ist. Er habe gehört, so plaudert der alte Mann, die Insel käme in einem Theaterstück von Shakespeare vor. Nicht ohne Anspielung auf die eigene Befindlichkeit, die des bejahrten Stückeschreibers, meint Tankred Dorst den Sturm, der als letztes Stück des großen Engländers gilt. Darin strandet der Zauberer Prospero auf einer Insel. Im Fall Sombarth war das ein wenig anders. Sombarth musste als junger Bursche im Krieg Einsätze fliegen und hatte, aus der Maschine starrend, jene Insel vor Augen. Er wollte nach dem Kriege ein Paradies daraus machen.
Tankred Dorst nennt die Guardia Civil und den Küstenort Santa Pola. Also hat es der Zuschauer mit einer spanischen Mittelmeerinsel in der Nähe des Festlandes zu tun.
Handlung
Oben war von einem Zauberer die Rede. So kann es nicht weiter wundernehmen, wenn der Protagonist Sombarth – ein Mann aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – der alten Teresa von Ávila in die Disteln nachrennt und von der Heiligen Beistand in seinem Jammer erfleht. Denn der Sohn sei in jungen Jahren umgekommen. Teresa nimmt das Faktum ungerührt hin. Der Zuschauer weiß bereits, Sombarth drückt sich um die Wahrheit: Einem alten englischen Seemann und einer alten Inselbewohnerin hatte er vorgelogen, der Junge sei auf der Straße Opfer eines Verkehrsunfalls geworden. Dabei war Sombarths Sohn Felix von alten Frauen auf der Insel ein Terrorist geschimpft worden. Zu Lebzeiten hatte Felix das väterliche Erbe – mehrere Schuhfabriken – ausgeschlagen und auf seine Bestimmung verwiesen: „Mein Tod wird der größte Augenblick in meinem Leben sein!“[1] Der alte Sombarth gibt Klaus, einem ehemaligen Freunde seines Jungen, die Schuld am Tode Felixens. Klaus habe dem Jungen damals „diese extremen Ideen in den Kopf gesetzt“.[2] Klaus, inzwischen erwachsen und überaus begütert (Klaus ist mit eigenem Schiff auf der Insel gelandet), will von den Jugendtorheiten nichts hören.
Jedenfalls steht Teresa von Ávila dem alten Sombarth in seiner Not überhaupt nicht bei. Zudem muss er mit dem Tode seiner geliebten Frau Gertrud ganz allein fertigwerden. Weder der krebskranke Bruder Simon noch die zungenfertige Schwester Roelle sind dem Witwer bei der Bewältigung der Trauerarbeit eine Hilfe. Sombarth gibt sich Mitschuld am Tode seiner Frau. Leichtfertig hatte er die Schwerbehinderte auf dem Festland aus ihrem Krankenstuhl gehoben und durchs Seichte auf die Insel tragen wollen. Bei dieser unbedachten Aktion war die Frau, auch wegen einer Unachtsamkeit des „Trägers“, unterwegs gestorben.
Höchstwahrscheinlich hat Tankred Dorst die letztgenannte Szene – sie heißt denn auch Sieh doch meine Insel – symbolisch gemeint. Denn absurd ist manches: Die Fliegerin Hella zum Beispiel, eine junge Kollegin des Fliegers Sombarth, liegt schließlich in Einzelteilen – Konglomerat aus Beinen, Armen, Gesicht und Oberkörper[3] – auf einem Stuhl. Der Schluss des Stücks fällt in der Hinsicht nicht aus dem Rahmen. Der Fabrikbesitzer Sombarth hat Gäste aus aller Herren Länder zu einem Fischessen und Weintrinken auf seine Insel geladen. Der Kaiser von Österreich, der Bischof von Toledo, Fischer-Dieskau, Dali, Otto von Habsburg, Nurejew, Franz Beckenbauer, der deutsche Bundeskanzler, Claudia Schiffer, Depardieu, ein Franco-Oberst ohne Beine, Boris Becker, Marius Müller-Westernhagen, Margaret Thatcher, die Queen, Nike Wagner und Herr Peymann sitzen eines Sturmes wegen auf dem Festland fest. Inzwischen fallen die ärmeren Inselbewohner über Fisch und Wein her. Als sich die Wogen geglättet haben und die Gäste übersetzen können, finden sie nur noch Gräten und leere Weinflaschen vor.
Literatur
Textausgaben
- Prosperos Insel. Szenen, Bilder und Dialoge um eine Geschichte zu erzählen. S. 289–341 in Tankred Dorst. Prosperos Insel und andere Stücke. Mitarbeit Ursula Ehler. Werkausgabe 8 (Inhalt: Othoon. Purcells Traum von König Artus. Die Wüste. Ich bin nur vorübergehend hier. Künstler. Prosperos Insel. Sich im Irdischen zu üben (Frankfurter Poetikvorlesungen)). Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008 (1. Aufl.), ISBN 978-3-518-42039-3, 416 Seiten (verwendete Ausgabe).
Einzelnachweise
- Verwendete Ausgabe, S. 320, 12. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 337, 3. Z.v.o.
- Verwendete Ausgabe, S. 332, 8. Z.v.o.