Poststadt
Die Nürnberger Poststadt ist ein unter Denkmalschutz stehendes ausgedehntes Betriebsgelände der ehemaligen Reichspost mit Betriebswohnungen für Postangehörige in der Nürnberger Südstadt, entlang der Allersberger Straße. Die Poststadt entstand zwischen 1928 und 1931 nach Plänen des im Dienst der Reichspost stehenden Architekten Georg Kohl.
Gebäude und städtebauliche Konzeption
Die Poststadt besteht aus dem ehemaligen die Blickachse der Allersberger Straße von Norden her dominierenden fünfgeschossigen Telegrafenamt, kleineren Kraftfahrzeughallen, einem zweischenkligen gebogenen Büro- und Garagentrakt zur rückwärtigen Gudrunstraße, einem Werkstattgebäude mit steil aufragendem prismatischem Glassatteldach und einer flachen weitgespannten Fahrzeughalle, die freitragend im Zeiss-Dywidag-Schalenbauweise errichtet wurde, über Sheddächer verfügt und von ingenieurgeschichtlicher Bedeutung ist. Zeilenartig sind in rhythmischer Reihung neun dreigeschossige Wohngebäude stirnseitig zur Allersberger Straße hin angeordnet, erstmals wurde damit in Nürnberg von der administrativ vorgegebenen Blockbauweise zugunsten der Zeilenbauweise abgewichen.
Architektursprache
Insbesondere das fünfgeschossige kubische Telegrafengebäude zeigt formal die typischen Gestaltmuster des Neuen Bauens im Stil der der süddeutschen Postbauschule. Die Wohnbauten zeigen eine von der Fassadengliederung her streng moderne Gestaltung, erhalten dann aber nicht – wie die Nichtwohngebäude – Flachdächer, sondern Satteldächer. Kohl gestaltet die Fassaden der Gebäude aber nicht im Sinne der Gestaltmaximen der Postbauschule als weiße Putzfassaden, sondern verwendet Hartbrandbacksteine und Klinker, wodurch die Gebäude eine an den norddeutschen Backsteinexpressionismus erinnernde Anmutung bekommen. Kohl beschreitet damit einen ähnlichen Weg wie der Nürnberger Baureferent Walter Brugmann, der für städtische Gebäude zwar ebenso Elemente des Bauhaus-Stiles aufnimmt aber mit Backsteinoberflächen die materielle Einpassung der Baukörper in das Nürnberger Stadtbild versucht. In der Materialität korrespondiert die Poststadt mit der ebenfalls etwa zeitgleich nach den Plänen von German Bestelmeyer in Ziegelbauweise errichteten modern-expressiven Gustav-Adolf-Gedächtniskirche, stadteinwärts unterhalb der Poststadt.
Die Poststadt gehört zu den wichtigen Neubaukomplexen aus der Zeit der Weimarer Republik in Nürnberg. Beispielhaft ist die nach funktionalen Gesichtspunkten klare Unterscheidung der einzelnen Bauwerke in der Gestaltung nach ihrer Zweckbestimmung. Trotzdem entstand ein in sich stimmiges und einheitliches Gesamtbild. Die Gebäude sind äußerlich weitgehend unverändert erhalten; der Gesamtcharakter der Anlage sind auch nach der Umgestaltung infolge der Betriebsaufgabe durch Post und Telekom erhalten geblieben. Das Ensemble steht als eines der ersten neuzeitlichen Objekte bereits seit den frühen 1980er Jahren unter Denkmalschutz.
Umnutzung „Postlofts“
Die zentral im Gelände gelegene ehemalige Fahrzeughalle stand seit den 1990er Jahren leer. Pläne zur Einrichtung eines Postmuseums sowie zu sonstiger Umnutzung schlugen wegen der anspruchsvollen und erhaltenswerten Schalenbauweise sowie der großen Gebäudetiefe von 47 Metern fehl. Erste Pläne zur Wohnnutzung für das zentrumsnah in der Stadt gelegene Gebäude wurden bereits um das Jahr 2000 herum diskutiert und vom Nürnberger Architektenbüro GP Wirth ausgearbeitet. Dieses Vorhaben scheiterte aber vorerst, als das Handelsunternehmen Lidl den mittleren Hallenriegel der Poststadt kaufte. Da Lidl jedoch nur die nordwestliche Halle für eine Filiale nutzte, stand die Fahrzeughalle kurz darauf wieder zum Verkauf.
In dieser Verkaufsrunde griff das Architektenbüro seine Wohn-Entwürfe erneut auf und gewann das Fürther Bau- und Immobilienunternehmen P+P als Geldgeber (Eigenmittel sowie Fremdkapital) sowie Bauträger. 2004 erfolgte der Kauf der Fahrzeughalle mit rund 11.500 Quadratmetern Bruttogrundfläche und einem rund 15.000 Quadratmeter großen Grundstück.
Besondere Herausforderungen der Planungsphase waren der Erhalt der äußeren Gebäudehülle sowie der besonderen freitragenden Ingenieurskonstruktion bei gleichzeitiger Einteilung in Wohneinheiten und deren ausreichenden Versorgung mit Tageslicht. Die Denkmalbehörde lehnte zunächst jedoch die vorgeschlagenen Eingriffe in die Tragwerkskonstruktion ab, so dass das Projekt zum Erliegen kam. Nachdem die Planer jedoch nachgewiesen hatten, dass das Tragwerk wegen einer Sanierung in den 1960er Jahren nicht mehr im Originalzustand war, nach die Behörde ihre Ablehnung zurück.
Von 2006 bis 2008 vollzog P+P die Umbauten, die durch eine Absenkung des Fußbodens Wohnungen im Erdgeschoss sowie darüber liegende Maisonetten ermöglichte und die Fassade der Halle weitgehend bewahrte. Die ehemaligen Fahrzeugtore wurden durch gleich große Fensterfronten ersetzt. Diese enthalten die Eingangstüren und tragen zur Beleuchtung der Wohnungen bei. Mehrere runde Abluftöffnungen wurden in Fenster umgewandelt sowie zusätzliche runde Fenster ergänzt. Die tiefgreifendste äußere Veränderung war das Entfernen eines Mittelstreifens im Hallendach, wodurch ein Innenhof entstand, der als Gartenfläche sowie zur Tageslichtversorgung der Wohnungen dient. Darüber hinaus verfügen die Maisonettewohnungen dort über Dachterrassen auf in den Hof hineinragenden Anbauten. Ein einzelnes zentrales, durchgängiges Hallenelement blieb erhalten, um den vorherigen Gebäudezustand sichtbar zu machen.
Die für den Denkmalschutz weniger wertvollen Gebäudeteile der ehemaligen Dreherei und Schlosserei im Nordwesten wurde zu Gewerberäumen umgestaltet und enthält einige weitere Wohnungen, der ähnlich geringwertige Gebäuderiegel im Südosten der Halle wurde in Lagerräume für die Bewohner eingeteilt.
Nach dem Umbau beherbergt die ehemalige Fahrzeughalle 55 Einheiten mit 6800 Quadratmetern Wohnfläche, die ehemalige Schlosserei weitere acht Wohnungen. Die Wohnungen in der Halle sind teilweise wie Reihenhäuser zweigeschossig angelegt, teilweise getrennt als Erdgeschoss- und Maisonette-Wohnung erschlossen. Die Größen erstrecken sich über 70 bis 200 Quadratmeter Wohnfläche.
P+P vermarktete die Wohnungen unter dem Namen „Postlofts“ als Verkaufsobjekte. Anfangs waren rund 40 Prozent der Objekte von Eigennutzern bewohnt, während 60 Prozent weitervermietet wurden. Inzwischen ist der Anteil der Eigennutzer gestiegen. Die ursprünglichen Kaufpreise gibt das Unternehmen mit 2600 bis 2800 Euro pro Quadratmeter an. Nach Eigentümerangaben seien diese inzwischen deutlich gestiegen. Das Gesamt-Verkaufsvolumen wird mit 21 Millionen Euro benannt.
Literatur
- Centrum Industriekultur (Hrsg.): Architektur in Nürnberg : 1904 - 1994. Tümmels, Nürnberg 1994, ISBN 3-921590-21-3, Seite 92 bis 97.
- Nürnberg, Postlofts. in: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.): Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohnimmobilien – Dokumentation der Fallstudien, 2015, Seite 58 bis 69. PDF-Version
Weblinks
- Poststadt Nürnberg auf der Webseite der Nordbayerischen Industriestraße
- Poststadt auf Baukunst Nürnberg