Pietro Tribuno
Pietro Tribuno, in den zeitlich nächsten Quellen Petrus († 911), war nach der historiographischen Tradition der Republik Venedig, wie die dortige staatlich gesteuerte Geschichtsschreibung genannt wird, der 17. Doge. Seine Regierungszeit dauerte von 887/888 bis 911. Von der zweiten Hälfte seiner Herrschaftszeit ist allerdings nichts überliefert.
888 und 891 gelang es, Verträge mit fränkischen Königen im umkämpften Italien abzuschließen, die dem Handel und der Rechtssicherheit der dort tätigen Venezianer dienten.
Petrus Tribunus wird die Abwehr eines Plünderzuges der Magyaren zugeschrieben, die um 898–900 nach Italien zogen. Diese hatten sich im heutigen Ungarn im Jahr 896 angesiedelt und plünderten mehrere Jahrzehnte weite Gebiete Europas. Bei ihrem Italienzug zerstörten sie die Orte um die Lagune von Venedig, wurden jedoch von Venedigs Flotte besiegt, womit sie überhaupt zum ersten Mal unterlegen waren. Vom byzantinischen Kaiser erhielt der Doge dafür einen der höchsten Ehrentitel. Der Aufbau einer umfangreichen Stadtbefestigung erfolgte in diesem Zusammenhang; auch versperrte eine Kette die Zufahrt zum Canal Grande. Zu einem unbekannten Zeitpunkt erfolgte der Ausbau von Rialto. Heinrich Kretschmayr galt dieser Doge als „eigentlicher Stadtgründer“.
Unter Petrus Tribunus wurde der Einfluss derjenigen Angehörigen der Volksversammlung bei der Dogenwahl geschwächt, die nicht den höchsten Kreisen der Gesellschaft angehörten, seien es Kleriker oder Laien. Die für Venedig typische Ableitung der immer einflussreicher werdenden Familien von den frühen Dogen und deren Frauen erfolgte auch hier. So führten sich die Sanudo auf die später zur Dogaressa überhöhte Ehefrau des Dogen zurück, die damit Teil der venezianischen Legendenbildung wurde.
Familie
Pietro war der Sohn des Domenico Tribuno und der Agnella, zugleich Neffe des Dogen Pietro Tradonico, der im Kampf gegen die Narentaner an der Ostküste der Adria ums Leben gekommen war, die aus dem Blickwinkel der Venezianer als Piraten den Handel störten. Er wurde aus den Reihen derjenigen Familien gewählt, die eben durch diesen Handel zu Reichtum gekommen waren und sich von der übrigen Bevölkerung zu unterscheiden begannen. Diese Familien wiederum bildeten den Kern der Adelsfamilien (nobili), aus denen sich die venezianische Oligarchie herausbildete.
Abkunft, Herrschaft
In den zeitlich näheren Quellen erscheint Petrus Tribunus nur als „Petrus dux“ oder „domnus Petrus“, während sein Beiname Tribuno, auch Trundomenico, wohl von Tribun abgeleitet ist. Diese Stellung hatte möglicherweise sein Vater inne, vielleicht war dies auch sein Beiname. Seit dem Chronisten Johannes Diaconus, der ihn „filium Dominici Tribuni“ nennt, wird dieser mit Domenico tribuno, dem Ehemann der Agnella, die wiederum die Nichte („neptia“) des Dogen Pietro Tradonico war, gleichgesetzt (Johannes Diaconus, ed. Monticolo, 1890, S. 129). Tribunus war demnach sein Großneffe. Von der Mutter ist nur der Name überliefert. Der schon im 12. Jahrhundert auftauchende Bei- oder Familienname „Trundomenico“ lässt sich durch Verwandtschaft mit der entsprechenden Familie nicht erklären.
Petrus folgte seinem Vorgänger mit einigen Monaten Abstand wohl Ende 887 oder im Frühjahr 888 im Amt. Er war der erste Doge, der unmittelbar von der Volksversammlung, dem arengo, als Erweiterung einer dogalen Erlaubnis (‚placitum‘) eingesetzt wurde. Er war der Nachfolger von Johannes II. Particiaco und seinem Bruder Ursus, die beide zu seinen Gunsten abtraten. Johannes II. war nur deshalb ins Amt zurückgekehrt (nachdem er schon einmal wegen schwerer Krankheit zurückgetreten war), weil der Gewählte, Petrus Candianus, am 18. September 887 bei einem Gefecht an der Küste Dalmatiens gegen Piraten ums Leben gekommen war.
Unter Petrus Tribunus entstand ein neues Wahlsystem, in dem der Kreis der Wahlberechtigten auf die höchsten Würden beschränkt wurde, nämlich auf die höchsten Kleriker, namentlich Patriarchen, Bischöfe und Äbte einerseits, andererseits Laien, nämlich iudices und primati. Der Rest der Bevölkerung partizipierte entsprechend dem gesellschaftlichen Rang, aber nunmehr in entsprechenden Gruppen.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger mied dieser Doge externe Konflikte, vor allem mit den festländischen Nachbarn. Bereits am 7. Mai 888 gelang mit Berengar von Ivrea eine Bestätigung früherer Privilegien im Reichsgebiet, die allerdings nur dessen Herrschaftsgebiet in Italien betreffen konnte. Die einzige Neuerung gegenüber früheren Verträgen war eine jährliche Abgabe von 25 Paveser Lire durch die Bewohner des Dukats im Gegenzug für Benefizien und Reisefreiheiten innerhalb des Königreichs. Mit seinem Nachfolger als König von Italien und seit wenigen Monaten Kaiser, mit Guido von Spoleto, wurde das sogenannte praeceptum am 20. Juni 891 abgeschlossen. Mit diesem Vertrag verschaffte sich Venedig eine Gleichgewichtssituation zwischen den Kaiserreichen. Darin durfte gleichfalls niemand Reisen der Venezianer behindern.
Auch mit Byzanz wurden die Beziehungen gepflegt, zumal die Lagune formal noch zum Reich gehörte. Vielleicht durch regelmäßige Tribute überzeugt, kam es zu keinerlei Konflikten größeren Umfangs mit den Slawen am Ostufer der Adria.
Diese vergleichsweise friedliche Situation änderte sich spätestens im Jahr 899. Der Doge organisierte die Verteidigung Venedigs und der umliegenden Lagunensiedlungen frühzeitig gegen eine Invasion ungarischer Schiffe. Venedig war nur eines der Ziele der ab 896 im heutigen Ungarn siedelnden Invasoren, die in weiten Teilen Europas Raubzüge durchführten. Nach Gina Fasoli erfolgte der hier im Mittelpunkt stehende Raubzug gegen Norditalien in den Jahren 898 bis 900.[2] Der Doge ließ, wie Johannes Diaconus ausdrücklich schreibt, im „anno sui ducatus nono“, im ‚9. Jahr seiner Dogenherrschaft‘ (ed. Monticolo, S. 131), eine Mauer zur Abwehr der „Ungrorum pagana et crudelissima gens“ errichten, die von Santa Maria Zobenigo bis Castello (Olivolo) reichte. Darüber hinaus wurde der Canal Grande durch eine Kette für Schiffe unpassierbar gemacht. Die ‚heidnischen und überaus grausamen‘ Ungarn, die mit Feuer und Raub bereits Oberitalien entvölkert hatten, drangen entlang des Westrands der Lagune bis nach Chioggia alles zerstörend vor. Dann plünderten sie Malamocco und Pellestrina auf dem Lido; wie Johannes Diaconus (ed. Monticolo, S. 130) schreibt: „primo Civitatem novam fugiente populo igne concremaverunt, deinde Equilum, Finem, Cloiam, Caputargelem incenderunt litoraque maris depopolaverunt“. Die Bevölkerung floh demnach vor den Invasoren, die erst im Juni 900 bei Albiola von der venezianischen Flotte unter Führung des „Petrus dux“ aufgehalten und zurückgeschlagen wurden.
König Berengar von Friaul, der gegen die Ungarn bereits 15.000 Mann verloren haben soll, wie der Chronist schreibt, konnte sie mit „obsidibus ac donis“ zum Abzug aus Italien bewegen, wobei sie ihre gesamte Beute mitführten.
Der byzantinische Kaiser Leo der Weise ehrte Tribuno wegen des Abwehrerfolges im folgenden Jahr mit dem Titel eines Protospatharios. Im Februar 900 berief Tribunus ein Placitum ein, während dessen das Kloster S. Stefano di Altino Exemtionen erhielt – mit Verweis auf Schäden durch die Ungarn.
Aus dem Jahrzehnt danach erfahren wir nichts. Zeitlich kaum einzuordnen sind die baulichen Maßnahmen innerhalb der Stadt. So wurden Inseln miteinander verbunden, um die Insel Rialto zu schaffen, die civitas Rivoalti. In Pietro Tribunos Zeit wurde, folgt man Francesco Sansovino, mit dem Bau eines Campanile auf dem heutigen Markusplatz begonnen, der wiederum gegen 1152 durch einen neuen Turm ersetzt wurde.[3]
Ob der Doge 910 oder 911 eines natürlichen Todes gestorben oder wegen tyrannischer Allüren einem Anschlag zum Opfer fiel, darüber sind sich die Chronisten uneins. Johannes Diaconus schreibt nur lakonisch (S. 131): „vixit autem iam dictus Petrus dux in ducatu annis .xx. et tribus, et mortuus est sepultusque in sancti Zacharie monasterio“ – er herrschte also 23 Jahre und wurde im Kloster San Zaccaria beigesetzt. Nach seinem Tod blieb das Amt des Dogen erneut vakant, nämlich acht Monate lang, bis sein Nachfolger „Ursus cognomento Particiacus“ gewählt wurde.
Der Doge hinterließ mit Domenico und Pietro (Dominicus und Petrus) zwei Söhne, doch wurden beide nicht unmittelbar in die väterliche Machtsphäre eingebunden. Stattdessen wurde Dominicus Patriarch von Grado, Petrus starb zwar früh, doch hinterließ er einen gleichnamigen Sohn, der Bischof von Olivolo wurde.
Die Mutter seiner beiden Söhne war ‚wahrscheinlich eine Angela Sanudo‘, wie Claudio Rendina noch 2006 meinte.[4] Francesco Zanotto hielt ‚Agnella oder Angela‘ 1864 für eine Nichte des zu Tode gekommenen Dogen Pietro Tradonico,[5] was den Angaben in der Istoria Veneticorum des Johannes Diaconus entsprach.[6] Die Ableitung der Sanudo von der später zur Dogaressa überhöhten Frau ist allerdings Teil der venezianischen Mythenbildung.
Rezeption
Für das Venedig zur Zeit des Dogen Andrea Dandolo war die Deutung, die man der langen Herrschaft Piero Tribunos gab, in mehrererlei Hinsicht von symbolischer Bedeutung. Das Augenmerk der Mitte des 14. Jahrhunderts längst fest etablierten politischen Führungsgremien, die vor allem seit dem Dogen Andrea Dandolo die Geschichtsschreibung steuerten, galt der Entwicklung der Verfassung (in diesem Falle der Herleitung der Herrschaftsrechte der ältesten Familien), aber auch den Machtverschiebungen innerhalb der Adria, wenn nicht ganz Europas (hier der Abwehr der Ungarn). Dabei standen die Fragen nach der politischen Unabhängigkeit zwischen den sich zersetzenden Kaiserreichen, des Rechts aus eigener Wurzel, mithin der Herleitung und Legitimation ihres territorialen und Seeherrschafts-Anspruches, stets im Mittelpunkt, denn Venedig war in dieser Zeit gezwungen, unter höchster Gefahr völlig eigenständig in einer politisch zersplitterten Umgebung zu agieren. Gegen die Ungarn war es sogar das einzige Staatswesen, dem eine militärische Abwehr gelang, mehr als 50 Jahre vor der Schlacht auf dem Lechfeld. Zudem bereitete sich Venedig durch den Bau einer Mauer und die Schaffung einer Sperrkette für den Canal Grande auf Angriffe vor, was in scharfem Gegensatz zu Dandolos Venedig des 14. Jahrhunderts stand, das ohne Stadtmauer auskam. Schließlich scheiterte der Angriff der Ungarn nach Johannes Diaconus an der gleichen Stelle, wie der fast ein Jahrhundert zurückliegende Angriff Pippins, des Sohnes Karls des Großen. Dies stellte nicht nur eine Parallelisierung der beiden Angriffe dar, sondern noch eine Steigerung im Sinne der Verteidigung des Christentums gegen die grausamen Heiden aus dem Osten. Ebenso stellte dieser Erfolg eine weitere Bestätigung für die nach Pippins Angriff erfolgte Verlagerung der Residenz des Dogen von Malamocco, das bei beiden Angriffen zerstört wurde, nach Rialto dar. Nur dort, mitten in der Lagune, war Venedigs Sicherheit gewährleistet.
Die älteste volkssprachliche Chronik, die Cronica di Venexia detta di Enrico Dandolo aus dem späten 14. Jahrhundert, stellt die Vorgänge ebenso wie Andrea Dandolo auf einer in dieser Zeit längst geläufigen, von Einzelpersonen dominierten Ebene dar, was den Dogen noch einmal größere Macht zuwies. In Wahrheit sind die Entscheidungsfindungsprozesse weitgehend unbekannt.[7] Nach dieser Chronik war „Piero“ Sohn des „Demenego Tribun“. Er erhielt das „regimento“ „a clamor de tuto il povolo“, also durch ‚Akklamation des ganzen Volkes‘. Während Berengar angesichts der ungarischen Macht „volse le spalle“, er der Invasion also gleichgültig zusah, und die Invasoren das Gebiet von Treviso und Istrien, sowie Eracliana zerstörten – hier vermerkt die Chronik ausdrücklich, dass die Stadt nach ihrem Wiederaufbau den Namen „Citanova“ erhielt –, dann Chioggia eroberten. Vor der venezianischen Flotte wichen sie jedoch aus und zogen weiter in die Lombardei, wo sie alle „contrade“ zerstörten. Nur mit viel Geld – „grande moneda“ – konnte Berengar sie zum Abzug aus Italien bewegen. Auch berichtet die Chronik von der besagten Mauer und der Kette, die den Canal Grande sperren konnte. Nach 23 Jahren der Herrschaft starb der Doge und wurde in San Zaccaria beerdigt.
Mit einigen Abweichungen berichtet Pietro Marcello. Er führt 1502 in seinem später ins Volgare unter dem Titel Vite de'prencipi di Vinegia übersetzten Werk den Dogen im Abschnitt „Pietro Tribuno Doge XVI.“[8] Auch Marcello berichtet von der Mauer und der Kette zur Abwehr von Invasoren. Er bezeichnet die Ungarn als „Gli Vnni popoli di Scitia“. Diese fielen in Italien ein, „huomini tanto crudeli, che mangiavano anche carne humana“, ‚so grausame Menschen, dass sie auch Menschenfleisch aßen.‘ Nach ihm eroberten sie zahlreiche Städte und ihre Erfolge machten sie überheblich, so dass sie nun auch den Staat der Venezianer zerstören wollten. Dabei war für ihn „Vinegia“ nicht mehr die Lagune insgesamt, sondern Rialto, das die Ungarn nun angreifen wollten. Die Venezianer wiederum kämpften um ihr bloßes Leben, es kam zu einer mehrtägigen Schlacht an verschiedenen Orten, die Ungarn zogen schließlich ab. Nachdem sie „alcuni doni“, einige Geschenke von Berengar erhalten hatten, verließen sie Italien. Tribuno, der Venedig glücklich sowohl nach innen als auch nach außen regiert habe, starb im 19. Jahr seines „Prencipato“.
Der zurückgetretene Doge Johannes II. nahm, wie Gian Giacomo Caroldo berichtet, trotz seiner Krankheit auf Bitten des Volkes sein Amt wieder an, und erst nach sechs Monaten und dreizehn Tagen waren die „pubblici rumori“ soweit beruhigt, dass er das Volk dazu überreden konnte, im Jahr 888 einen neuen Dogen zu wählen. Caroldos Historie venete dal principio della città fino all’anno 1382[9] erzählen vom neuen Dogen „Pietro Tribuno“, „il quale fù figliuolo di messer Dominico Tribuno et di Madonna Angela nepote dell’Eccelso Duce Messer Pietro Candiano, che fù morto da Schiavoni“, er sei also Sohn des Domenico und der Angela gewesen, zugleich Neffe seines Vorgängers, der durch Slawen getötet worden war. Im neunten Jahr seiner Herrschaft, demnach im Jahr 897, ließ er eine Mauer errichten, die vom „Rio di Castello sin’alla Chiesa di Santa Maria Giubanico“ reichte, dazu ließ er „fine del muro una grossa catena che traversava il canale alla Chiesa di San Gregorio, acciò non potesse penetrar nella Città alcuno navilio“ – er ließ also vom Ende der Mauer eine schwere Kette über den Kanal bei der Kirche San Gregorio anbringen, damit kein Schiff in die Stadt eindringen konnte. Der Sohn des Dogen, Domenico Tribuno, wurde zum Patriarchen er- oder gewählt („eletto“). Chioggia erhielt ein Privileg, das seine Grenzen definierte, aber auch die Verpflichtungen und Dienste („obligationi et servitij“) gegenüber dem Dogen. Die Ungarninvasion erfolgte auf Pferden und in ledernen Booten („barche di cuoio“), wie Caroldo berichtet. Die Invasoren brannten „Citta Nova“ nieder, dann folgten „Equilio, Chioza et Cavarzere“. Schließlich versuchten sie über Albiola und Malamocco nach Rialto zu gelangen. Doch unter Führung des Dogen griffen die Venezianer mit zahlreichen Schiffen und Booten („navilij et barche“) die Invasoren an, so dass diese ‚am Tag des hl. Petrus‘ flohen und sich zerstreuten. ‚Einige‘, so Caroldo, hätten über den Dogen viel Schlechtes geschrieben, und hätten behauptet, er sei deshalb zu Tode gekommen, doch seien sie einem großen Irrtum verfallen. Denn alte Dokumente würden zeigen, dass er ‚umsichtig‘ und ‚friedvoll‘ regiert habe, und dies zur allgemeinen ‚Zufriedenheit‘. So sei er „secondo il corso di natura“ – eines natürlichen Todes also – nach 24 Jahren und 22 Tagen der Herrschaft gestorben. In San Zaccaria sei er „non senza lamentatione del Popolo“ beigesetzt worden.
In der 1574 erschienenen Chronica das ist Warhaffte eigentliche vnd kurtze Beschreibung, aller Hertzogen zu Venedig Leben des Frankfurter Juristen Heinrich Kellner, die auf Marcello aufbauend die venezianische Chronistik im deutschen Sprachraum bekannt machte, ist „Peter Tribun der Sechtzehende Hertzog“.[10] Knapp vermerkt Kellner, der neue Doge sei „erwehlet worden / im 888. jar.“ Wegen der „Seeräuber oder Meerräuber“ „ließ er ein Mauwer auffführen/ zur befestigung der Statt/ vom Schloß Canal biß zu S.Maria Giubenico/ und zuvorkommen der unversehenen eynfellen der Feinde ward ein Ketten gezogen/ von der obgemeldeten Mauwren biß zu S.Georg.“ Dann setzt Kellner fort, dass „etliche Völcker aus Scitia/Hunni genannt/grausame tyrannische Leut / die auch Menschenfleisch assen / uberfielen Italien mit grosser ungestüme.“ Ihre Schlachtensiege machten sie „stoltz und auffgeblasen“, sie plünderten Friaul und wollten auch Venedig „zerstören“. Sie „hatten derwegen etliche Schifflein gesamlet/ir Volck uberzuführen / unnd griffen die Neuwstatt an / welche zuvor Heraclea genennt ward.“ Diese Stadt brannten sie nieder, ebenso wie „Equilo und Jesolo“ und „machten Chiogia und Capo d argere auch zu Eschen“. Dann rüsteten sie sich für den Angriff auf Venedig. Angesichts solcher „rohen wilden Leute“ wussten die Venezianer, dass es um ihr Überleben ging. Sie zogen den ‚Barbaren‘ auf „gar leichten kleinen Schifflein“ entgegen, als diese Rialto angreifen wollten, und es wurde „etliche tag gekämpfft“. Als die Angreifer „müde und lassz“ wurden, mussten sie fliehen und „liessen den Venetianern ein lobwirdige grosse Victorien und Sieg.“ Berengar konnte sie schließlich mit „Geschencken“ zum Abzug aus Italien bewegen. Ähnlich wie die früheren Chronisten, so berichtet auch Kellner, außer dem Tod des Dogen, der „glücklich / in Fried und Kriegszeiten“ geherrscht hatte, nur noch, dass er „im neuntzehenden jar seines Hertzogthumbs“ starb. Rechnerisch kann der Autor damit nur das Jahr 907 gemeint haben, jedoch erfolgte die Wahl seines Nachfolgers laut der Chronik erst im Jahr 909.
In der Übersetzung von Alessandro Maria Vianolis Historia Veneta, die 1686 in Nürnberg unter dem Titel Der Venetianischen Hertzogen Leben / Regierung, und Absterben / Von dem Ersten Paulutio Anafesto an / biss auf den itzt-regierenden Marcum Antonium Justiniani erschien,[11] wird der Doge „Petrus Tribunus, der Siebenzehende Hertzog“ genannt. Als der kranke Doge Johannes „verspüret / daß er die Gemeine / wegen Abnehmung der Kräfften / nicht mehr regieren kunte“ übergab er sein Amt an Petrus Candianus, der jedoch im Kampf gegen die Narentaner ums Leben kam. Johannes nahm auf Bitten des Volkes sein Amt erneut an, doch nach sechs Monaten, als er sah, „daß das Vatterland in einem sichern Port angelendet“ war, trat er erneut zurück, „worauf dann mit überaus grossem Frohlocken/ den Regierungs-Wagen zu führen / im Jahr achthundert und acht und achtzig/benennet worden Petrus Tribunus“. „Unter seiner Regierung ist der Stadt eine andere grosse Furcht und Schrecken eingejaget worden ; sintemalen die Hunnen zum andernmal in Italien gekommen“. Auch bei Vianoli wurden die Ungarn, die er gleichfalls als „Hunnen“ bezeichnet, „übermüthig“, so dass sie sich „unterstanden / das Venedische Gebiet zu zerstören und zu verderben“. Sie brannten Eraclea und Jesolo, „Chiozza und Capo d'Argere“ nieder „und allbereits di Insul Rialto auf gleiche Weise zu tractiren in denen Gedancken bey sich entschlossen gehabt“. Im Gegensatz zu anderen Autoren geschah der Mauerbau und die Aufhängung einer Kette über den Canal Grande erst jetzt, und außerdem erhielten auch andere Kanäle eine solche Kette. Zudem griffen die Venezianer mit „gar kleinen und leichten Schifflein“ an. Zwei Tage lang wurde gekämpft, bis die Ungarn abzogen und noch Geschenke von Berengar mitnahmen. Danach stiegen die Einnahmen, so Vianoli, und es wurden zahlreiche Kirchen gebaut, die er alle aufzählt. Über die Zeit nach dem Ungarnsieg weiß auch dieser Autor nichts, nur, dass der Doge 23 Jahre regiert habe, als ihm „Ursus II. Badoarius“ im Amt folgte (mithin vier Jahre länger, als bei Marcello und Kellner).
1687 schrieb Jacob von Sandrart in seinem Werk Kurtze und vermehrte Beschreibung Von Dem Ursprung / Aufnehmen / Gebiete / und Regierung der Weltberühmten Republick Venedig lakonisch: „... ward Im Jahr 888. zum (XVI.) Hertzog erwehlet Petrus Tribunus, welcher die Stadt Venedig mit Mauren befestigte/wo es schien nöthig zu seyn.“[12] Es „fielen nicht allein Berengarius und Guido in Italien von den Francken ab; sondern es thaten auch die Ungarn im Lande grossen Schaden/ drungen fort biß auf Meyland zu“ (S. 21 f.). „So geriethen sie auch über Venedig / rüsteten geschwind nothdürfftige Schiffe zu/brachen daselbst ein/ und plünderten ein zimlich Theil der Stadt“. Außer, dass der Doge 21 Jahre herrschte, erfahren wir hierüber abermals nichts weiter – möglicherweise stand der Autor dem Abwehrerfolg, den die venezianische Historiographie kannte, skeptisch gegenüber.
Nach Johann Friedrich LeBret, der ab 1769 seine vierbändige Staatsgeschichte der Republik Venedig publizierte,[13] war es die Initiative seines schwer kranken Vorgängers, die Tribunus auf den Dogensitz brachte. „Das Volk folgete seinen [Johannes II.] Vorstellungen, und erwählete den Peter Tribunus“, der wiederum „sorgete für die innere Sicherheit der Stadt, und ihre Befestigung wider die Einfälle der Seeräuber“. „Weil das griechische Reich zu ohnmächtig war“ wurde der Schutz der Adria zur Aufgabe der venezianischen Dogen, denen „die griechischen Kaiser gemeiniglich die Würde eines Protospatharien übertrugen.“ Für LeBret war die Uneinigkeit der Franken die Ursache für die Einfälle „der fremden Völker“. „Peter Tribun ließ Olivolo befestigen, welches daher den Namen Castello erhielt“, von der Mauer wurden nach LeBret „hin und wieder Spuren gefunden“. Und manche Autoren, so LeBret, setzen die Geburt Venedigs in diese Zeit, da die Stadt vorher aus verstreuten Siedlungen bestanden habe. Im Osten wurden die Narentaner zwar christianisiert, doch ihre Raubfahrten setzten sie fort, von vielen Schiffen verlangten sie „einen gewissen Zoll“. In den Kämpfen im Karolingerreich erklärten sich die Venezianer für Guido. „Nachdem dieser von Rom nach Pavia zurück gekommen war, so schickte der Doge Peter Tribunus seinen Capellan Driokus, und zween vom Adel, Morizen und Vitalen an ihn, welche um die Bestätigung der alten Verträge anhielten […] Der Kaiser willigte in ihr Gesuch“. Nach dem Tod Widos, dem sein Sohn Lambert nachfolgte, hielten sich die Venezianer an Berengar, der gleichfalls ihre Privilegien bestätigte, während sich die Venezianer um Arnolf von Kärnten gar nicht erst bemühten, der sich zudem der „Hunnen“ oder „Hungarn“ bedient hatte. „Ihre Geschichtsschreiber selbst scheinen den Berengarius sehr zu rühmen, und der Priester Johannes schreibt ihm gewisse Thaten zu, welche wir in anderen Schriften der damaligen Zeit vergeblich suchen.“ Die Ungarn verglich er mit den Hunnen der Spätantike: „Diejenigen Völker, die sich über den oberen Theil von Italien ausbreiteten, waren würdige Söhne ihrer wilden Väter, die sich in Pannonien niedergelassen hatten.“ Sie besiegten das 15.000-Mann-Heer des Berengarius an „der Brenta“, und nun reizte sie der Reichtum Venedigs. „Sie nahmen eben den Weg, welchen Pippin genommen hatte“, womit Pippin, der Sohn Karls des Großen gemeint war, der um 806 versucht hatte, Venedig zu erobern. Aus Eraclea waren die Bewohner nach Venedig geflohen, ebenso aus den anderen zerstörten Städten, was der Stadt nun einen besonderen Wert verlieh. An „Peter und Paul“ kam es zur Schlacht, der Doge wurde zum „Erretter seines Vatterlandes“. Nach LeBret schickte der Doge Bogenschützen und Schiffe an Berengar, um die Flussübergänge zu blockieren. Die Ungarn zogen schließlich gegen Geschenke ab. Venedig und Berengar arbeiteten nun eng zusammen, was sich im Kampf gegen Ludwig von Niederburgund, der Pavia besetzte, bewährte. Während sich Berengar zunächst in Verona einschloss, und sein Gegner nach Rom zur Kaiserkrönung weiterreiste, siegte schließlich Berengar 905. „Bey allen diesen Zufällen blieb Peter Tribunus ein getreuer Freund des Berengarius.“ Venedig war ein schwacher König am nützlichsten. Nach 23 Jahren und 23 Tagen starb der Doge, wie LeBret vermerkt.
Ähnlich ausführlich schildert Samuele Romanin 1853 im ersten der zehn Bände seiner Storia documentata di Venezia die Machtkämpfe im Karolingerreich.[14] Die Ungarn, so glaubt er, habe bereits Karl der Große gezähmt („domi da Carlo Magno“), seien aber dann von Arnolf gegen Mähren gerufen worden. In ihrer Wildheit glichen sie Slawen, Sarazenen und Normannen. Nach Romanin zogen die Ungarn, auch bei ihm auf die Hunnen zurückzuführen, im April 900 durchs Friaul. Berengar, der kaum den Namen dieses Volkes gekannt habe, zwang die Ungarn zunächst zur Flucht, unterlag jedoch, nachdem er ein Friedensangebot ausgeschlagen hatte, ‚an der Brenta‘. Auf dem Weg nach Mailand hörten sie vom Reichtum Venedigs, das außerdem bei ihrem Zug noch nicht ausgeplündert worden war. Nun baute man in Venedig alte Kastelle aus, wie Brondolo, ein neues entstand als Torre delle Bebbe, weitere in Caorle und Bibione. Die Mauer um Olivolo erstreckte sich weiter westwärts entlang der Riva degli Schiavoni. Ähnlich wie LeBret sieht auch Romanin eine Parallele zum Vorgehen Pippins. Ein Ort bei Mestre trug laut Romanin lange den Namen Campo degli Ungari, eine Straße nicht weit von Piove di Sacco trug den Namen Via degli Ungari (S. 213). Deren Boote bestanden aus Leder und Korbgeflecht, doch nach einem Jahr mussten sie aufgeben. Romanin zitiert aus einer Chronik namens Barbara Berengar, der dem Dogen zum Sieg gratulierte und ihn „conservatore della pubblica libertà ed espulsore dei Barbari“ genannt haben soll, also ‚Retter der Freiheit und Vertreiber der Barbaren‘. Für Romanin geschah dies in einer Zeit, in der Europa immer barbarischer wurde, das Unwissen extrem, die Sitten in allen Klassen verfallen waren, in Erwartung des Weltenendes. Wälder und Sümpfe bedeckten fast den ganzen Kontinent, der Handel lag darnieder. Nur die Venezianer seien in der Lage gewesen, weite Handelsreisen nach Afrika und Asien zu unternehmen. Romanin widerspricht einigen Autoren, die von der Ermordung des Dogen schrieben, denn diese Behauptung sei „totalmente falso“, also ‚völlig falsch‘. Allerdings gab es wohl tatsächlich Streit um den Bischofsstuhl von Olivolo, auf den 909 ein anderer Kandidat gelangte, als der, den der Doge favorisiert hatte. Johannes Diaconus zitierend nahm Romanin an, der Tod des Dogen sei vom gesamten Volk beweint worden.
August Friedrich Gfrörer († 1861) nimmt in seiner, erst elf Jahre nach seinem Tod erschienenen Geschichte Venedigs von seiner Gründung bis zum Jahre 1084 an, dass Byzanz nach wie vor größten Einfluss in der Lagune ausübte, und dass es dort eine pro-fränkische und eine pro-byzantinische Partei gab, die innerhalb der Lagune in bestimmten Orten dominierten.[15] Gfrörer vermutet, dass sich Johannes II. gänzlich von Byzanz ab und dem Karolinger Karl III. zugewandt habe, auch weil seine Geschäfte sich vielleicht eher auf das Frankenreich erstreckten. Dann folgte die Wiedereinsetzung Johanns, der jedoch mangels fränkischer Unterstützung sein Amt nicht mehr halten konnte – eine Abhängigkeit vom Karolinger, die später Pinton widerlegte. Wie immer bei Gfrörer steckte hinter der Einsetzung von Mitdogen und dem Rücktritt des Dogen Konstantinopel. In diesem Falle deute auch die Herkunft der Dogenfamilie aus „dem byzantinischen Feuerheerde Heracliana“ auf ein entsprechendes Vorgehen hin, das jedoch zunächst durch den frühen Tod des Dogen Pietro Candiano obsolet wurde, um unter Tribuno wieder virulent zu werden. Gfrörer berechnete, dass Pietro Tribuno im Mai 911 gestorben sein muss, dass sein Nachfolger jedoch erst acht Monate später, wie Andrea Dandolo schreibt, „bestätigt“ wurde, was sich nach Gfrörers Auffassung „sonnenklar“ nur auf eine Bestätigung vom Kaiser in Konstantinopel beziehen konnte (S. 225). Die Stadtbefestigung gegen die Ungarn, die ab 896 in Pannonien siedelten, begann bereits ein Jahr später. Dabei zitiert Gfrörer aus der Chronik des Andrea Dandolo. Nach Gfrörer fand der Angriff der Ungarn jedoch erst 906 statt (S. 219), die entscheidende Schlacht am 29. Juni 906, am „Peter und Paulsfeste“. Die Einsetzung des Dominicus als Bischof von Olivolo, „von der die Sage geht, daß er dem Dogen Peter … zu Trotz eingesetzt worden ist“, wie Dandolo berichtet, veranlasst Gfrörer zu der weit reichenden Annahme, es habe eine „katholische Partei“ gegeben, die sich gegen die Abhängigkeit der Kirche und ihre Nutzbarmachung durch den Staat (was er als „Byzantinismus“ bezeichnet) wehren wollte. Gfrörer zitiert abermals Andrea Dandolo, der von Chronisten berichtet, die schreiben, „Peter sei ein harter und ungerechter Regent gewesen, und darum vom Volke umgebracht worden“. Dandolo müsse also verschollene Chroniken gekannt haben, und der Doge habe vor allem aus Urkunden geschöpft. Daher sei er zum Urteil gekommen, Pietro Tribuno sei ein „weiser, gütiger, friedfertiger Fürst“ gewesen.
Pietro Pinton übersetzte und annotierte Gfrörers Werk im Archivio Veneto in den Jahresbänden XII bis XVI. Pintons eigene Darstellung, die jedoch erst 1883 erschien – gleichfalls im Archivio Veneto –, gelangte zu stark abweichenden, weniger spekulativen Ergebnissen, als Gfrörer.[16] Für Pinton war es nicht die Anlehnung zweier verfeindeter Fraktionen an eines der beiden Kaiserreiche, sondern vielmehr der Kampf gegen die Ungarn, der Kaiser Leo dazu veranlasste, dem Dogen den Titel eines Protospatharios zu verleihen. Diese Reihenfolge jedenfalls berichtet Johannes Diaconus, während bei Andrea Dandolo diese Titelverleihung bereits nach der Amtseinsetzung erfolgt sei. Außerdem argumentiere Gfrörer unlogisch, wenn er einerseits behaupte, die Konfrontation sei mäßiger geworden, andererseits seien die meist minderjährigen Kandidaten für die Ämter von Bischöfen und Patriarchen als Exponenten ihrer Familie vielfach ermordet worden – was in den Quellen gar nicht auftaucht. Pinton betont eher die Gegensätze innerhalb der Lagune, wie den zwischen Rialto und Malamocco, denn letzteres war ja bis etwa 811 Sitz des Dogen, und die Stadt geriet gegenüber dem Residenzort Rialto immer mehr ins Hintertreffen. Anhand eines Dokuments vom 14. Januar 932 widerlegt Pinton auch Gfrörers Annahme eines längeren Interregnums nach Tribuno, aus dem er harte Konflikte ableitet, so dass sich dieses durch Nachberechnung der Herrschaftsjahre auf wenige Monate reduziere.
Schon 1861 hatte Francesco Zanotto in seinem Il Palazzo ducale di Venezia berichtet, dass der Doge die Stadt habe befestigen lassen.[17] Auch um den Dogenpalast, den Markusdom und den Markusplatz bestanden Mauern. Bei ihm kamen die Ungarn in Booten, die sie auf ihrem Weg erbeutet hatten, die aber dennoch aus Korbgeflecht und Leder bestanden. Auch eine Widerlegung der Mordthese fügt Zanotto an, sowie den Kontrast des reichen Venedig zum zerfallenden Frankenreich.
Für Emmanuele Antonio Cicogna gehörte im ersten, 1867 erschienenen Band seiner Storia dei Dogi di Venezia der 17. Doge der Familie Memia oder Memma an.[18] Für ihn waren die Invasoren „Tartari, Ugri“, gegen die der Doge Anfang 900 die besagten Mauern erbauen ließ; nachts wurde jene Kette hochgezogen. Die Angreifer ‚folgten dem Beispiel Pippins‘, wurden jedoch so geschlagen, dass sie es nie wieder wagten, die Lagune anzugreifen, auch wenn sie andernorts noch lange alljährlich ihre Plünderzüge durchführten. Der ‚Sieg von Albiola‘ war nach Cicogna einer der bedeutendsten der Venezianer.
Heinrich Kretschmayr skizzierte die Epoche als vollkommen chaotisch, es versagten alle Ordnungen, während über das „innerlich zerrissene und verkommene Land die Magyarennot hereinbrach.“[19] Hingegen „konnte Venedig sich eines, wenigstens nach außen, fast ungebrochenen Friedens erfreuen“. Tribunus galt als „eigentlicher Stadtgründer“, Chioggias Grenzen gegen Loreo und Cavarzere wurden abgesteckt. Doch in Booten aus Tierhäuten erschienen die „Magyaren“ und wurden – nach Kretschmayr vielleicht eine Verwechslung mit dem Schlachtenort Pippins von 810 – bei Albiola besiegt. Ansonsten betrachtet der Autor „die Zeit des Petrus Tribunus und Ursus Paureta als eine Ära des Friedens“.
In seiner History of Venice betont John Julius Norwich zunächst die Verträge mit den italienischen Königen von 888 und 891, Abmachungen, die schon 883 erneuert worden waren. Venedig, so Norwich, konnte nur so verhindern, in eines der beiden Kaiserreiche ‚aufgesaugt‘ zu werden. Dabei stärkte Venedig regelmäßig seine Sonderrechte. Wurde 883 ein Dogenmörder noch mit einer Geldstrafe bedroht, dazu Exil, so blieb dieser ab 888, wie nunmehr alle Venezianer, unter der Rechtsprechung des neuen Dogen und blieb den Gesetzen Venedigs unterworfen, nicht denen des Kaiserreichs. Dies diente vor allem der Rechtssicherheit der venezianischen Händler. Dies wiederum brachte der Schiffbauindustrie einen Aufschwung, brachte aber auch den Ausbau der Stadt voran. Das letzte Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts galt Norwich als das für Venedig „happiest and most prosperous of all“. Dann folgte 899 eine Krise durch die Ungarn, die einige Chronisten für Kannibalen hielten, „which, on occasion, they may well have been“, wie Norwich spekuliert. Doch ihre Niederlage in ihren „portable coracles“ war angeblich „quick and complete“. Um weitere Invasionen von womöglich besser ausgestatteten Völkern zu verhindern, erbaute Venedig nun erst seine Festungswerke. Wie Johannes Diaconus schon ein Jahrhundert nach diesen Ereignissen festgestellt habe, wurde Venedig nun erst eine „civitas“. Ansonsten gibt der Autor seiner Hoffnung Ausdruck, dass die „authorities“ mit den zerbröckelnden Überresten der Mauer, die sich am südlichen Ende des Rio dell'Arsenale gefunden hätten, so respektvoll umgehen würden, wie sie es verdient hätten.[20]
Quellen
Erzählende Quellen
- La cronaca veneziana del diacono Giovanni, in: Giovanni Monticolo (Hrsg.): Cronache veneziane antichissime (= Fonti per la storia d'Italia [Medio Evo], IX), Rom 1890, S. 129–131, 133, 178 (Digitalisat).
- Luigi Andrea Berto (Hrsg.): Giovanni Diacono, Istoria Veneticorum (=Fonti per la Storia dell’Italia medievale. Storici italiani dal Cinquecento al Millecinquecento ad uso delle scuole, 2), Zanichelli, Bologna 1999 (auf Berto basierende Textedition im Archivio della Latinità Italiana del Medioevo (ALIM) der Universität Siena).
- Origo civitatum Italiae seu Venetiarum (Chronicon Altinate et Chronicon Gradense), Hrsg. Roberto Cessi, Rom 1933, S. XXVII, XXXI, XLII, 29, 45 f., 125, 134 f., 138.
- Ester Pastorello (Hrsg.): Andrea Dandolo, Chronica per extensum descripta aa. 460-1280 d.C., (= Rerum Italicarum Scriptores XII,1), Nicola Zanichelli, Bologna 1938, S. 164–168, 172, 358 f. (Digitalisat, S. 164 f.)
- Roberto Cessi, Fanny Bennato (Hrsg.): Venetiarum historia vulgo Petro Iustiniano Iustiniani filio adiudicata, Venedig 1964, S. 50–52.
- Marino Sanudo, Le vite dei dogi, Hrsg. Giovanni Monticolo, in Rerum Italicarum Scriptores XXII, 4, Città di Castello 1900–1911, S. 123.
- Șerban V. Marin (Hrsg.): Gian Giacomo Caroldo. Istorii Veneţiene, Bd. I: De la originile Cetăţii la moartea dogelui Giacopo Tiepolo (1249), Arhivele Naţionale ale României, Bukarest 2008, S. 66 f.
Rechtsetzende Quellen, Briefe
- Roberto Cessi (Hrsg.): Documenti relativi alla storia di Venezia anteriori al Mille, 2 Bde., Bd. II, Padua 1942, S. 28–30, 33 f., 36.
- Alfred Boretius, Victor Krause (Hrsg.): Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, in: Monumenta Germaniae Historica, Legum sectio II, Capitularia regum Francorum, II, Hannover 1897, S. 143, 147.
- Vittorio Lazzarini: Un privilegio del doge Pietro Tribuno per la badia di S. Stefano d’Altino, in: Vittorio Lazzarini: Scritti di paleografia e diplomatica, Padua 1969, S. 133, 135, 137 f., 145, 147.
- Luigi Schiaparelli (Hrsg.): I diplomi di Berengario I, Rom 1903, S. 15 f.
- Luigi Schiaparelli (Hrsg.): I diplomi di Guido e di Lamberto, Rom 1906, S. 21.
Literatur
- Marco Pozza: Tribuno, Pietro, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 96 (2019)
- Mario Brunetti: Tribuno, Pietro, in: Enciclopedia Italiana (1937)
Weblinks
Anmerkungen
- „Il presupposto di continuità genealogica su cui si basava la trasmissione del potere in area veneziana ha portato come conseguenza la già accennata attribuzione ai dogi più antichi di stemmi coerenti con quelli realmente usati dai loro discendenti.“ (Maurizio Carlo Alberto Gorra: Sugli stemmi di alcune famiglie di Dogi prearaldici, in: Notiziario dell'associazione nobiliare regionale veneta. Rivista di studi storici, n. s. 8 (2016) 35–68, hier: S. 41).
- Vgl. Gina Fasoli: Le incursioni ungare in Europa nel sec. X, G. C. Sansoni, Florenz 1945, S. 91 ff: La grande spedizione in Italia dell' 898-900.
- Giuseppe Toaldo: Del conduttore elettrico Posto nel Campanile di S. Marco in Venezia. Memoria, in cui occasionalmente si ragiona dei Conduttori, che possono applicarsi ai vascelli, Ai magazzini da polvere, ed altri Edifizj, Venedig 1776, S. IX (Digitalisat).
- Claudio Rendina: I dogi. Storia e segreti, Newton Compton, 1984, S. 60.
- Francesco Zanotto: Storia della Repubblica di Venezia, Venedig 1864, S. 402.
- Dort heißt es (Istoria Veneticorum III, 35): „Qui videlicet Petrus natus fuerat de Agnella neptia Petri superioris ducis, quem ad monasterium diximus interfectum.“
- Roberto Pesce (Hrsg.): Cronica di Venexia detta di Enrico Dandolo. Origini - 1362, Centro di Studi Medievali e Rinascimentali «Emmanuele Antonio Cicogna», Venedig 2010, S. 40 f.
- Pietro Marcello: Vite de'prencipi di Vinegia in der Übersetzung von Lodovico Domenichi, Marcolini, 1558, S. 28–30 (Digitalisat).
- Șerban V. Marin (Hrsg.): Gian Giacomo Caroldo. Istorii Veneţiene, Bd. I: De la originile Cetăţii la moartea dogelui Giacopo Tiepolo (1249), Arhivele Naţionale ale României, Bukarest 2008, S. 66. (online).
- Heinrich Kellner: Chronica das ist Warhaffte eigentliche vnd kurtze Beschreibung, aller Hertzogen zu Venedig Leben, Frankfurt 1574, S. 11r–11v (Digitalisat, S. 11r).
- Alessandro Maria Vianoli: Der Venetianischen Hertzogen Leben / Regierung, und Absterben / Von dem Ersten Paulutio Anafesto an / biss auf den itzt-regierenden Marcum Antonium Justiniani, Nürnberg 1686, S. 114–114, Übersetzung (Digitalisat).
- Jacob von Sandrart: Kurtze und vermehrte Beschreibung Von Dem Ursprung / Aufnehmen / Gebiete / und Regierung der Weltberühmten Republick Venedig, Nürnberg 1687, S. 21 f. (Digitalisat, S. 21).
- Johann Friedrich LeBret: Staatsgeschichte der Republik Venedig, von ihrem Ursprunge bis auf unsere Zeiten, in welcher zwar der Text des Herrn Abtes L'Augier zum Grunde geleget, seine Fehler aber verbessert, die Begebenheiten bestimmter und aus echten Quellen vorgetragen, und nach einer richtigen Zeitordnung geordnet, zugleich neue Zusätze, von dem Geiste der venetianischen Gesetze, und weltlichen und kirchlichen Angelegenheiten, von der innern Staatsverfassung, ihren systematischen Veränderungen und der Entwickelung der aristokratischen Regierung von einem Jahrhunderte zum andern beygefügt werden, 4 Bde., Johann Friedrich Hartknoch, Riga und Leipzig 1769–1777, Bd. 1, Leipzig und Riga 1769, S. 182–187 (Digitalisat).
- Samuele Romanin: Storia documentata di Venezia, 10 Bde., Pietro Naratovich, Venedig 1853–1861 (2. Auflage 1912–1921, Nachdruck Venedig 1972), Bd. 1, Venedig 1853, S. 206–215 (Digitalisat).
- August Friedrich Gfrörer: Geschichte Venedigs von seiner Gründung bis zum Jahre 1084. Aus seinem Nachlasse herausgegeben, ergänzt und fortgesetzt von Dr. J. B. Weiß, Graz 1872, S. 217–225 (Digitalisat).
- Pietro Pinton: La storia di Venezia di A. F. Gfrörer, in: Archivio Veneto 25,2 (1883) 288–313, hier: S. 298–301 (Teil 2) (Digitalisat).
- Francesco Zanotto: Il Palazzo ducale di Venezia, Bd. 4, Venedig 1861, S. 40–42 (Digitalisat).
- Emmanuele Antonio Cicogna: Storia dei Dogi di Venezia, Bd. 1, Venedig 1867, o. S.
- Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig, 3 Bde., Bd. 1, Gotha 1905, S. 103 f.
- John Julius Norwich: A History of Venice, Penguin, London 2003.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Pietro I. Candiano | Doge von Venedig 888–911 | Orso II. Particiaco |