Pestruper Gräberfeld
Gräberfeld von Pestrup | ||
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Pestruper Gräberfeld | ||
Lage | Niedersachsen, Deutschland | |
Fundort | Landgemeinde Wildeshausen | |
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Wann | (Bronzezeit und Eisenzeit), um 900 bis 200 v. Chr. | |
Wo | Landgemeinde Wildeshausen, Landkreis Oldenburg/Niedersachsen |
Das Pestruper Gräberfeld im westlichen Niedersachsen liegt ca. 2,5 km südsüdöstlich des Wildeshauser Ortskerns, auf halbem Wege zur Wildeshauser Bauerschaft Pestrup und ist eine unter Natur- und Denkmalschutz stehende Heidefläche des Naturparks Wildeshauser Geest. Das etwa 30 ha große Gebiet liegt innerhalb des Naturschutzgebietes Pestruper Gräberfeld und Rosengarten. Mit über 530 größeren und kleineren Grabhügeln[1] ist es die größte bronze- und eisenzeitliche Nekropole des nördlichen Mitteleuropas. Das Gräberfeld ist Teil der Straße der Megalithkultur und liegt rund 1 km westlich der Hunte; im Osten wird es vom Pestruper Moor begrenzt.
Grabungen, Befunde und Fundmaterial
Schon im 19. Jahrhundert erfolgten eher unkontrollierte Untersuchungen und Grabungen durch Pfarrer, Lehrer und Apotheker. Kleinere Grabungen erfolgten durch das Oldenburger Museum in den Jahren 1876, 1880 und 1882, eine größere Grabung 1938. Unter Leitung von Johannes Pätzold erfolgte 1958 bis 1959 eine weitere größere Grabung. Das Gebiet wurde 1992 zum „unbefristeten Grabungsschutzgebiet“ erklärt.[2] Ein Zusammenhang zu den beiden sogenannten „Großen Steinen“, als Hünenbetten einzustufende Ganggräber, etwa einen Kilometer südlich des Gräberfeldes, ließ sich nicht erweisen.
Die archäologische Grabung von 1938 konnte unterhalb des Gräberfeldes eine spätneolithische Siedlung belegen; diese zeitliche Einordnung gilt ebenfalls für sechs große Hügel, von denen drei als „Königshügel“ bezeichnet wurden. Für die meisten Hügel mit etwa 8 m Durchmesser wird eine früheisenzeitliche Entstehungszeit angenommen. Der zumindest bis 2003 älteste bronzezeitliche Fund ist ein Schwert, das bereits 1909 südlich der Hügelgrabkonzentration entdeckt wurde. Während die Ausstattung der Gräber Einflüsse aus den südlicheren, keltischen Kulturen aufweist, basiert die Keramiktradition auf heimischen Techniken und Ausgangsstoffen.[3]
Grabhügel
Die etwa einen Meter hohen kreisrunden Grabhügel stammen aus der Zeit um 900 bis 200 v. Chr., gehören also der späten Bronze- und der Eisenzeit an. In den Erdhügeln wurden während dieser sieben Jahrhunderte die Überreste der zuvor verbrannten Leichname beigesetzt, die während der Grabungen in Urnen in situ entdeckt wurden. Die Hügel haben einen Durchmesser von 6 bis 12 Metern. Einzelgrabungen ergaben, dass in der Regel die Grabhügel je eine Urnengrabbestattung bargen; in einigen Hügeln konnten auch mehrere Bestattungen nachgewiesen werden.
Im Nordteil des Gräberfeldes findet man einige deutlich größere, tellerartig geformte Hügel von etwa 1,20 m Höhe, bei Durchmessern von etwa 30 m, weshalb sie auch Königshügel genannt werden. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch nicht um Gräber, sondern um bronzezeitliche Verbrennungsplätze, in die erst später Gräber gegraben wurden.
Einen weiteren Grabtypus bilden etwa 14 hochackerähnliche, lange Wälle in der Mitte des Gräberfeldes. Ein 1959 untersuchter „Langhügel“, der 40 cm hoch, 8 m breit und 33 m lang war, barg ein Knochenlager, dazu eine eiserne Nadel. Darunter befand sich ein nahezu vollständig überdeckter, weiterer Grabhügel. Unter diesem wiederum befand sich ein Scheiterhaufen nebst Leichenbrand und eisernen Beigaben, nämlich Gürtelhaken und Schnallen, sowie zwei Tongefäße. Die Bestattungen fanden in kurzer Abfolge um 400 v. Chr. statt. Grabungsleiter Johannes Pätzold deutete die unter dem Grabhügel nachgewiesenen Pflugfurchen als Anzeichen rituellen Pflügens im Kontext des Totenkultes. Eine etwa 50 cm lange Schwertklinge wurde in die ältere Bronzezeit datiert.
Grabbeigaben
Neben dem Leichenbrand in den über 500 Grabstellen fanden sich Beigaben. Neben Tontöpfen waren dies vor allem Schmuck und ein ganzer Wagen. Allerdings sind diese Grabbeigaben durch den Akt der Verbrennung, aber auch durch Korrosion stark lädiert. Bei den Schmuckbeigaben handelt es sich um teils recht große, bronzene Hals- und Armreifen, die oftmals einen Tonkern enthielten. Auch fanden sich Ketten aus Bronze und Glasperlen. Gewandnadeln und Fragmente von Gürtelbeschlägen repräsentieren den seinerzeitigen Eisengebrauch. Während die Beschaffung von Bronze weiträumige Handelsbeziehungen erforderte, ließ sich Eisenerz lokal gewinnen, was möglicherweise auf eine Kontraktion der Handelsbeziehungen hinweist. Einige Schmuckbeigaben ähneln stilistisch solchen aus Süddeutschland und verweisen auf keltische Ursprünge.
Der einzige bisher nachgewiesene Wagen, dessen Existenz eine herausgehobene Stellung des Toten belegt, ist nur in wenigen eisernen Artefakten belegt, darunter durch einen typischen Achsnagel.
Interpretation in der Zeit des Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus erwartete man schon aufgrund der Größe des Gräberfeldes Aufschlüsse über zahlreiche Fragen der „germanischen“ Kultur, bevor die ersten systematischen Grabungen erfolgt waren. Man versuchte, sich der Bedeutung der Stätte im Zusammenhang mit denjenigen Vorstellungen zu vergewissern, die seit geraumer Zeit gepflegt, und unter den Nationalsozialisten zu einem Germanenkult zugespitzt wurden. Entsprechend diesen Vorstellungen interpretierte man, so Hermann Wille 1933, unter überschießender Phantasie die geringsten Anhaltspunkte. So wurde etwa eine ganze Reihe von Erwartungen mit der volkstümlichen Bezeichnung „Rosengarten“ für das Gräberfeld verbunden. Kurzerhand wurde der „Rosengarten“ als „Roßgarten“ gedeutet und auf dieser Grundlage einer ausufernden Verkettung von Schlussfolgerungen im Zusammenhang mit Pferden unterworfen:
- „Es ist vielmehr anzunehmen, daß ein in unmittelbarer Nähe gelegenes Roßgehege am Fluß die Benennung für diesen Platz gegeben hat. Es dürfte kaum in Deutschland eine gleich gut erhaltene Anlage geben. Eine Bahn von einigen Metern Breite umgibt die große, ovale, 140 Meter zu 100 Meter messende eingeebnete Fläche. Auf dem mittleren Platz werden an den Kultfesten Kampfspiele aufgeführt worden sein. Speerwerfen, Ringen, Fechten und Steinwerfen sowie die von Tacitus erwähnten kultischen Waffentänze der Jünglinge zwischen aufgestellten Schwertern und Speeren müssen an dieser Stätte statt gefunden haben. In Friedenszeiten werden hier die Hundertschaften der anliegenden Gaue ihre Wettspiele abgehalten haben. Die um das Kampffeld herumführende äußere Bahn wird für Wettläufe und Pferderennen benutzt worden seien. Ringsum bot eine von Natur vorhandene, amphitheatralisch absteigende Böschung Tausenden von Menschen Platz. Die Fläche war so angelegt, daß an der ansteigenden Ovalseite, der „Haupttribüne“ vergleichbar, die Zuschauer um die Mittagszeit die Sonne im Rücken hatten. Dieser Kampfspielplatz schließt sich an den größten vorgeschichtlichen Friedehof Nordwestdeutschlands, an das „Pestruper Gräberfeld“ an. Unzählige Grabhügel reihen sich, so weit das Auge reicht, in der Heide aneinander. Es ist das Totenfeld desselben Volkes, das auf dem nahen Kampfspielplatz Kultfeste zu Ehren der Gottheit und der Toten gefeiert hat. Wie zahlreich dieses Geschlecht gewesen sein muß, läßt nicht allein dieses bedeutende Feld erkennen, auch die nähere Umgebung birgt in der ausgedehnten Heide und im Walde kleinere verstreut liegende Friedhöfe. Die Wohnstätten, Äcker und Weideplätze dieses Volkes müssen in nächster Nähe gelegen haben. Wenn auch ihre Spuren vergangen sind, so lassen sie sich doch im Gelände erkennen. Es ist außerordentlich bedeutsam, solche Sippenverbände mit ihren Wohnungen, Kultplätzen und Begräbnisfeldern heute noch im Weser-Ems-Lande festzustellen.“[4]
1934 wurde der 1. Vorsitzende des Heimatvereins Düngstrup Hauptlehrer Wohlers vom Staatsministerium zum Denkmalpfleger bestellt. Alle Vereinsmitglieder sollten ein Auge darauf haben, dass keinerlei Verschandelung von Natur, Denkmälern und Gedenkstätten vorkäme. Wohlers stellte den Antrag, auch den Schafskoben unter Schutz zu stellen.[5]
1938 wurde das Areal zum Naturschutzgebiet erklärt, und zwar gemeinsam mit dem benachbarten Rosengarten.
Traditionelle Heidewirtschaft: der Schafskoben
Um 1938 errichtete Dietrich Schwarting am Pestruper Gräberfeld einen Schafstall und begann mit der Zucht von Heidschnucken. Nach seinem Tod führte sein Sohn Georg die Zucht weiter. 1968 plante der Heimatverein Düngstrup einen neuen Koben zu bauen, der an anderer Stelle, auf einem Grundstück der evangelischen Kirche am Gräberfeld entstand. Auf dem gepachteten Grund entstand durch Sponsorengelder und -mittel sowie unter Mithilfe der Bevölkerung ein Bauwerk, das am 22. November 1969 an Schäfer Schwarting übergeben wurde. Doch im April 1973 verkaufte Schwarting die Herde und sein Eigentum um nach Kanada auszuwandern. Doch andere Schäfer übernahmen die Beweidung. Spielende Kinder setzten am 10. April 1976 den Bau in Brand, der jedoch bereits am 15. Oktober desselben Jahres wieder eingeweiht werden konnte. 1981 entstand eine Scheune für Stroh, Futter und Heu, doch wurde danach der Schafkoben nicht mehr genutzt. Nun stellte die Familie Teerling zweimal jährlich ihre Schafherde zur Verfügung. Die Schäferin Regina Kolhoff aus Wildeshausen übernahm die Hütung, der Heimatverein erwarb das Grundstück von der Kirche, das bis dahin nur gepachtet war.[6]
Erhaltung der Heidelandschaft, Ausdehnung
Die „trockene Sandheide“, die das Flora-Fauna-Habitat-Gebiet kennzeichnet, soll erhalten bleiben. Doch nachdem 2006 festgestellt wurde, dass sich eine Reihe neuer Gräser auf der Fläche angesiedelt hatte, und der Heideblattkäfer massenhaft aufgetreten war, wurde die Heidebeweidung im Jahr 2007 wieder aufgenommen. Zudem entstand auf einer Fläche von 7 ha neue Heidefläche. Mittlerweile bringt ein Schäfer im Auftrag der Niedersächsischen Landesforsten[7] mit seinen 100 bis 150 Diepholzer Moorschnucken das Gebiet in den angestrebten Zustand, so dass ihm 2009 im Erhaltungs- und Entwicklungsplan ein guter Zustand attestiert werden konnte. 2017 wurde das Pestruper Gräberfeld erneut kartiert, um den besagten Plan fortzuschreiben. Dabei geht es auch um den Schutz der dort lebenden Zauneidechsen und anderer Tierarten.
Auf dem südlich angrenzenden, 7 ha umfassenden Acker wurde gezielt Mais angepflanzt, um dem Boden Nährstoffe zu entziehen, ein Boden, wie ihn Heide und Borstgrasweide bevorzugen. Nährstoffarmut ist typisch für Heideboden, womit die Heidefläche insgesamt ausgeweitet werden soll.[8]
Historische Kulturlandschaft
Das Gräberfeld liegt innerhalb der 2 km² großen historischen Kulturlandschaft Pestruper Gräberfeld, die von landesweiter Bedeutung ist. Diese Zuordnung zu den Kulturlandschaften in Niedersachsen hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) 2018 getroffen. Ein besonderer, rechtlich verbindlicher Schutzstatus ist mit der Klassifizierung nicht verbunden.[9]
Vandalismus
Im September 2006 wurden Informationstafeln am Gräberfeld aufgestellt, die jedoch drei Wochen später von Unbekannten zerstört wurden. Die Tafeln wurden einige Wochen später erneuert und nur wenige Tage später erneut zerstört. Ende Januar 2008 wurden die Tafeln am Schafkoben zum dritten Mal wieder aufgebaut. In der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2011 wurde Feuer an den Schafkoben gelegt, der bis 2012 wieder aufgebaut wurde.[10]
Literatur
- Anette Bußmann: Steinzeitzeugen. Reisen zur Urgeschichte Nordwestdeutschlands. Isensee Verlag, Oldenburg 2009, ISBN 978-3-89995-619-1, S. 92–94.
Weblinks
- Jana Esther Fries, Michael Wesemann: Das Pestruper Gräberfeld – Typisch und herausragend im Denkmalatlas Niedersachsen
- Das FFH-Gebiet NI-167 Pestruper Gräberfeld/Rosengarten, Website Niedersächsische Landesforsten (PDF)
- steinzeitreise.de - Pestruper Gräberfeld
- Beschreibung des Pestruper Gräberfeldes auf einer privaten Website
- Wildeshausen Navigator: auf die Hohen Steine fokussierter interaktiver LGLN bequellter amtl. Kartendienst der Stadt Wildeshausen
Anmerkungen
- Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 22, 2. Aufl., de Gruyter, 2003, S. 623–625, hier: S. 623.
- Dietmar Vonend: Pestruper Gräberfeld zum Grabungsschutzgebiet erklärt. In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 12,1 (1992) 39 f.
- Rosemarie Müller: Pestruper Gräberfeld. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd. 22, 2. Aufl., de Gruyter, Berlin/New York 2003, S. 623–625.
- Hermann Wille: Germanische Gotteshäuser zwischen Weser und Ems, Leipzig 1933, S. 60–62. (Digitalisat).
- Der Schafkoben auf dem Pestruper Gräberfeld, Website des Heimatvereins Düngstrup e.V.
- Der Schafkoben auf dem Pestruper Gräberfeld, Website des Heimatvereins Düngstrup e.V.
- Herbstbeweidung beginnt, Website der Niedersächsischen Landesforsten, 13. Oktober 2017.
- Mehr Heidefläche für das Pestruper Gräberfeld, in: Delme Report, 20. November 2016.
- Christian Wiegang: HK36 Pestruper Gräberfeld in: Kulturlandschaftsräume und historische Kulturlandschaften landesweiter Bedeutung in Niedersachsen. Landesweite Erfassung, Darstellung und Bewertung, Hannover, 2019, S. 178–179
- Das Pestruper Gräberfeld, Website des Fördervereins Urgeschichtliches Zentrum Wildeshausen e.V.