Partielle Spur
Die partielle Spur, auch Partialspur oder Teilspur, bezeichnet in der linearen Algebra und Funktionalanalysis eine lineare Abbildung, die der Spur verwandt ist. Ist ein linearer Operator auf dem Tensorprodukt von zwei Vektorräumen definiert, so lässt sich seine Spur in zwei Schritten bestimmen, die sich auf die zwei Faktoren beziehen. Im ersten Schritt wird die Partialspur erzeugt, der zweite ist eine Spur nach der üblichen Definition. Verwendung findet die Partialspur in der Quantenmechanik. Mit ihrer Hilfe lässt sich aus dem Dichteoperator eines Gesamtsystems der Dichteoperator eines beliebigen Teilsystems bestimmen. Anders gesagt wird aus dem (reinen oder inkohärent gemischten) Zustand des Gesamtsystems der entsprechende Zustand des Teilsystems ermittelt.
Definition
Endlichdimensionaler Fall
Es seien und endlichdimensionale Vektorräume, , dazu die linearen Räume der linearen Operatoren auf diesen, etc. Dann ist die ‚partielle Spur über ' definiert als die lineare Abbildung von nach mit der Identität auf und der Spur der Operatoren .
Für ein Operatorenprodukt mit bedeutet das
- .
Ein beliebiger Operator hat stets Darstellungen der Form
- mit ;
das setzt die lineare Abbildung fort auf ganz :
Die Bezeichnung als partielle Spur bezieht sich darauf, dass die (totale) Spur der die Verkettung ist, sowie analog .
Für konkrete Rechnungen benutzt man gewöhnlich Koordinaten. Bilden Vektoren und Orthonormalbasen in beziehungsweise , so bilden die Produkte eine solche Basis für . Ein Operator wird dann durch eine vierdimensionale Matrix dargestellt, die partiellen Spuren durch die zweidimensionalen Matrizen und die man durch Summieren über beziehungsweise erhält: für und für .
Unendlichdimensionaler Fall
Wie die Spur lässt sich auch die Partialspur auf Operatoren auf unendlichdimensionalen Räumen verallgemeinern.[1] Sie ist dann für Spurklasseoperatoren auf Tensorprodukthilberträumen in natürlicher Weise definiert und für einen Spurklasseoperator auf ist
- ,
wobei eine Orthonormalbasis von ist. Auch hier ist das Ergebnis der Konstruktion basisunabhäng für separable Hilberträume ( Spurklasse, beschränkt).
Relevanz in der Quantenmechanik
Wird eine Observable, dargestellt durch den Operator , eines quantenmechanischen Systems gemessen, so wird der Erwartungswert des Messwertes bestimmt durch den Zustand des Systems in dem weiten Sinn, der reine und inkohärent gemischte Zustände umfasst. Ein solcher Zustand wird vollständig beschrieben durch den Dichteoperator , einen linearen Operator auf dem Hilbertraum des Systems. Der gesuchte Erwartungswert ist .
Ist das System aus Komponenten, Teilsystemen zusammengesetzt, , so ist sein Hilbertraum das Tensorprodukt der Hilberträume der Teilsysteme, . Für die Messung einer Observablen der Komponente ist der Dichteoperator auf ebenso zuständig, wie auf für . Zwischen beiden besteht dann die Beziehung
- .
Die partielle Spur über ‚reduziert‘ den Dichteoperator des Gesamtsystems auf den Dichteoperator des Teilsystems . Information, die das komplementäre Teilsystem betrifft, wird ‚ausgespurt‘. Anders gesagt: Mit Hilfe des Dichteoperators bestimmt die partielle Spur aus dem Zustand des Systems den Zustand eines beliebigen Teilsystems. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Information über das komplementäre Teilsystem nicht zugänglich ist oder nicht interessiert.
Invarianz der Partialspur
ist invariant unter allen möglichen spurerhaltenden Quantenoperation (vollständig positiven Abbildungen) auf , insbesondere auch unter Messungen. Man kann daher den reduzierten Zustand auch als den Zustand auffassen, den man erhält, wenn im System eine vollständige Messung durchgeführt, das Ergebnis aber ignoriert wird: ist das statistische Mittel über zu den verschiedenen Messergebnissen gehörenden bedingten Zustände. Zum Beispiel im Fall einer Von-Neumann-Messung der Observable gilt , wobei der auf definierte, nicht-normierte Operator die folgenden Eigenschaften hat: ist die Wahrscheinlichkeit, mit der das Messergebnis auftritt und ist der auf das Messergebnis konditionierte Dichteoperator. Ebenso ist invariant unter einer Randomisierung des Systems , z. B. unter der Abbildung
wobei die identische Abbildung und ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf der Gruppe der unitären Abbildungen auf darstellt. Wählt man für das normierte Haarmaß über der unitären Gruppe, so kommutiert mit allen Operatoren der Form und es gilt .
Partialspur als Quantenkanal
Die Abbildung ist vollständig positiv und stellt damit eine spurerhaltende erlaubte Quantenoperation (einen Quantenkanal) dar, deren Kraus-Darstellung durch
- ,
wobei eine Orthonormalbasis im System und die Identität auf den anderen Teilsystemen ist.
Partialspur und Verschränkung
Wenn man einen reinen Zustand eines zusammengesetzten Systems betrachtet, kann die Partialspur als ein einfaches Verschränktheitskriterium verwendet werden: ist genau dann verschränkt, wenn nicht rein ist.[2]
Literatur
- Michael Nielsen und Isaac Chuang: Quantum Computation and Quantum information. 1. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2000, ISBN 0-521-63503-9, S. 105 (englisch).
- Michael Wilde: Quantum Information Theory. 1. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2013, ISBN 978-1-107-03425-9, S. 116, arxiv:1106.1445 (englisch).
Einzelnachweise
- Stephane Attal: Lectures in Quantum Noise Theory. Kap. 2 (englisch, univ-lyon1.fr [abgerufen am 19. Dezember 2016]).
- R., P., M. und K. Horodecki: Quantum Entanglement. In: Rev. Mod. Phys. Band 81, Juni 2009, S. 865, doi:10.1103/RevModPhys.81.865, arxiv:quant-ph/0702225 (englisch).