PH 16
Das PH 16 (Punkthochhaus mit 16 Geschossen) war einer von mehreren Typen des industriellen Wohnungsbaus der DDR[1], dessen Ursprünge im Wohnungsbaukombinat Erfurt liegen. Somit gehört es zur Wohnungsbaureihe „Erfurt“ (WBR Erfurt), welche überwiegend nur in Erfurt gebaut wurde. Das PH 16 ist das einzige Gebäude, welches in Serie auch außerhalb Thüringens gebaut wurde. Es erreichte eine Höhe von 16 Etagen. Die Entstehung derartiger Siedlungen wurde durch ein 1973 beschlossenes Wohnungsbauprogramm der SED in die Wege geleitet.[2]
Aufbau des Gebäudes
Das PH 16 fasste 132 Ein- bis Fünf-Raum-Wohnungen, ein oder zwei Kleingewerbeeinheiten im Erdgeschoss, sowie Abstell- und Müllräume innerhalb des Gebäudes. Ungefähr 400 Personen leben in einem voll vermieteten Gebäude. Konstruktiv besteht das Gebäude aus 3 Blocksegmenten, mit je 3 Wohnungen, welche über ein H-förmiges Gangsystem angebunden sind. Die Erschließung erfolgt hauptsächlich über zwei innenliegende Aufzüge bis in das 14. OG. Die Häuser stehen meist so, dass die Blocksegmente nach Osten, Süden und Westen ausgerichtet sind. Aufgrund der Konzeption des Gebäudes sind die meisten Wohnungen nach nur einer Himmelsrichtung orientiert und besitzen nur Fenster in diese Richtung.[3] Ein hinter dem nördlichen Aufzug liegendes Treppenhaus dient vornehmlich als Fluchtweg. Im Erdgeschoss befinden sich im Westsegment keine Wohnungen. Hier befindet sich der Eingangsbereich, links daneben befand sich oft ein Trafo- und ein Müllraum. Rechts neben dem Eingang befand sich der Briefkastenraum. Durch Verlegung der Briefkästen in den Eingangsbereich und Auslagerung der Mülltonnen entstanden teils Abstellräume, ein Hausmeisterbüro oder Kleingewerbeeinheiten. An den Außenenden der Erschließungsgänge gab es Fenster sowie Notbalkone zum Anleitern bei Brandgefahr.
Städtebaulich diente das PH 16, oft in Gruppen mit mindestens zwei Gebäuden errichtet, als Tor oder Hochpunkt innerhalb der Plattenbausiedlungen. Mit 50,485 Meter Höhe (über Gelände) ist es einer der höchsten in Serie gebauten Plattenbautypen der DDR.
Wohnungen
Die Wohnungen besaßen einen rechteckigen Grundriss mit Nasszellen direkt neben dem Wohnungseingang und der klassischen Küchenzeile mit Durchreiche zum Wohnzimmer. Die Zwei- und Drei-Raum-Wohnungen besaßen, erschlossen durch das Wohnzimmer, das als Durchgangszimmer ausgelegt war, ein weiteres Zimmer. Letztere besaßen außerdem ein Zimmer gegenüber dem Bad. In der Südwestecke war das dritte Zimmer über das zweite Zimmer erschlossen, sodass zwei der drei Zimmer Durchgangszimmer waren. Da es keine Balkone in den Wohnungen gab, wurden die Fenster teilweise als Französisches Fenster ausgebildet, mit besonders niedriger Brüstung.
Vom Erd- bis zum 14. Obergeschoss sind die Wohnungen als Ein-, Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen ausgebildet, wobei letztere etwa 60 m² Wohnfläche messen und in den Gebäudeecken liegen. Im 14. OG besitzt nur das Westsegment diese Aufteilung. In jedem der 3 Blocksegmente dient ein Raum den Abstellboxen der Mieter, denn Kellerboxen gibt es nicht. In mindestens einem der Abstellboxenräume (im westlichen) befand sich ein Müllschlucker, welcher selten genutzt wurde.
Eine Besonderheit bilden die im Ost- und Süd-Segment angeordneten Maisonettenwohnungen, welche über eine im Wohnzimmer liegende Treppe das 15. OG erschließen. Der Grundriss entspricht den darunter liegenden Wohnungen. Das Treppenhaus dient auch hier als Fluchtweg, erschließt aber auch den hier liegenden Aufzugsmaschinenraum und die darüber liegende Lüftungszentrale.
Die Stromversorgung innerhalb der Wohnungen war in 220-Volt-Leitungen und Steuerleitungen mit 24 oder 48 Volt geteilt, wobei die Schaltung aller Lampen über Klingeldraht-Taster erfolgte. Ein zentrales Relais steuerte alle Deckenlampen in der Wohnung.
Geschichte
In Erfurt entstand bereits 1969 das erste PH 16. Als das Punkthochhaus am Juri-Gagarin-Ring, am 7. Oktober 1969, dem 20. Jahrestag der ehemaligen DDR, als Bauarbeiterhotel eröffnet wurde, sprach man von „höchster ökonomischer Bauweise“ und „Spitzenleistungen im Bauwesen“. Denn es wurde innerhalb von nur 100 Tagen Bauzeit vollkommen schlüsselfertig errichtet. Eine Besonderheit war die Dachterrasse mit Pergola und der Anbau eines großen Saals, der dem Hotel als Gastraum diente. 1990 übernahm die Kowo das Gebäude, ein Hotel zog ein. 1998 meldete der Betreiber Konkurs an. Seitdem stand das Haus leer. Im Januar 2002 begann der Rückbau mit anschließender Vollsanierung. Die drei Segmente des Punkthochhauses wurden dabei so abgetragen, dass ein gestaffeltes Haus entstand. Der östliche Block wurde auf 7, der südliche Block auf 5 und der westliche Block auf 3 Etagen zurückgebaut. Am 7. November 2002 wurde hier der neue Hauptsitz der Kowo mbH eröffnet. Die übrigen fünfzehn PH 16 entstanden bis 1973. Ebenfalls eine Dachterrasse erhielten die Eislebener Straße 3 und 5, die Mainzer Straße 21 und 22, die Kassler Straße 2 und nachträglich durch die Sanierung im Jahr 1995 außerdem die Gebäude des Juri-Gagarin-Ring 126 a und b.
Zwei dieser PH 16 entstanden in Internatbauweise. Eines diente der Ingenieurschule für Bauwesen, das andere der Erfurter Universität als Wohnheim. Sie unterschieden sich hauptsächlich darin, dass die beiden Maisonetten-Etagen als Gemeinschaftsräume ausgebaut waren. Hier befanden sich ein großer Saal, Fernseh-, Club-, Hobby- und Sporträume, eine Teeküche, eine Bar, ein Musikzimmer und eine kleine Bibliothek. Die beiden Gebäude standen seit 1999/2003 leer, bis sie als letzte im März 2016 als vollsanierte Wohnhäuser der Cavere-Gruppe den Mietern übergeben wurden.
Hinter den beiden ehemaligen Wohnheimen steht ein drittes Wohnhaus. Dieses wurde noch als letztes, im Rahmen des Masterplans, bis 2012 leer gezogen, um anschließend abgerissen zu werden. Grund dafür war die nicht vollständige Sanierung und das ungepflegte Umfeld der, zu diesem Zeitpunkt, leerstehenden Wohnheime. Genau zum Zeitpunkt des Leerzugs veränderten sich jedoch die Einwohnerzahlen Erfurts zum Positiven, was den Abriss verhinderte. Nach langem Leerstand soll das Gebäude bis 2020 vollständig saniert und wieder nutzbar gemacht werden. Die beiden letztgebauten PH 16 in der Györer Straße hatten nicht so viel Glück. Trotz bereits ausgeführter Teilsanierungen, u. a. mit teurer Keramik-Fassade, wurden sie 2004 abgetragen.
Standorte
Alleinstehende Lagen in den Großstädten der DDR[4][5]:
- Erfurt
- Johannesplatz (alle 5 erhalten)
- Juri-Gagarin-Ring (4 von 5 erhalten, das 5. wurde abgestockt)
- Rieth (4 von 6 erhalten)
- Gera
- De-Smit-Straße 8 (abgewandelte Bauform mit Balkon saniert)
- Leipzig[6]
- Straße des 18. Oktober (alle 8 erhalten)
- Grünau (5 von ursprünglich 19 erhalten)[7]
- Marienbrunn (beide erhalten)
- Mockau (4 von ursprünglich 7 erhalten)
- Musikviertel (alle 3 erhalten)
- Schönefeld (5 von ursprünglich 8 erhalten)[8]
- Magdeburg
- Von ehemals 25 Bauten des Typs PH-16 sind hier 13 Gebäude saniert und 10 abgerissen worden. Die beiden übrigen Gebäude sind derzeit unsaniert und stehen leer.[veraltet] Eins davon soll ab 2012 saniert werden. (Stand: 11. September 2015)
- Stadtmitte (3, davon 1 saniert, 2 abgerissen)
- Leipziger Straße (3, davon 2 saniert, 1 abgerissen)
- Universitäts-Campus (1 saniert, „Campustower“, ehemals Uni-Hochhaus)
- Kannenstieg, Milchweg (2, davon 1 saniert und 1 abgerissen)
- Neustädter Feld (alle 5 abgerissen)
- Neustädter See (7 von 9 erhalten, davon 6 saniert, 1 wird saniert, )
- Werder (2 saniert)
- Tscherkassy (Ukraine).
Einzelnachweise
- Grosswohnsiedlungen in Deutschland. In: www.wohnsiedlungen-in-deutschland.de. Abgerufen am 17. August 2015.
- museumsmagazin online: Traum und Tristesse (Memento vom 10. April 2014 im Internet Archive)
- WHH Wohnhochhäuser. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, 1993, abgerufen am 17. August 2015.
- Hochhaus in Berlin-Mitte: World Trade Center der DDR - Berlin - Tagesspiegel. In: www.tagesspiegel.de. Abgerufen am 17. August 2015.
- infas 360 - Wo Menschen in Hochhäusern leben. In: infas360.de. Abgerufen am 17. August 2015.
- LVZ-Online: Nach Gold und Silber kommt Bronze: Drittes LWB-Hochhaus im Musikviertel wird saniert. In: www.lvz.de. Abgerufen am 17. August 2015.
- Matthias Bernt: Die politische Steuerung des Stadtumbaus in Leipzig-Grünau. In: UFZ-Diskussionspapiere. 2005, archiviert vom Original am 12. Juli 2016; abgerufen am 17. August 2015.
- Zur Sanierung des PH 16 in der Bästleinstraße durch die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft von 1995 bis 1996 siehe Engelbert Lütke Daldrup (Hrsg.): Leipzig. Bauten 1989–1999 / Leipzig. Buildings 1989–1999, Birkhäuser Verlag Basel / Berlin / Boston 1999, S. 170–173, ISBN 3-7643-5957-9