Oswald Veblen
Oswald Veblen (* 24. Juni 1880 in Decorah, Iowa; † 10. August 1960 in Brooklin, Maine) war ein US-amerikanischer Mathematiker norwegischer Abstammung.
Leben
Im Jahr 1903 hat er an der University of Chicago mit der Arbeit A System of Axioms for Geometry promoviert. 1905 wurde er Mitarbeiter an der Princeton University, ab 1910 als Professor für Mathematik. 1917 ging er zur Armee und leitete als Hauptmann und später Major ein Team von Mathematikern, unter anderem Norbert Wiener und der Astronom Forest Ray Moulton, das am neu gegründeten Aberdeen Proving Ground ballistische Probleme untersuchte. Unter anderem berechneten sie Schusstafeln und entwickelten neue Berechnungsverfahren für die äußere Ballistik, über die klassischen Methoden von Francesco Siacci hinaus.
1926 wurde er Henry B. Fine Professor für Mathematik in Princeton und 1928/29 war er im Tausch mit Godfrey Harold Hardy, der dafür nach Princeton ging, Professor in Oxford. 1932 war er Gastprofessor in verschiedenen deutschen Universitäten (Göttingen, Berlin, Hamburg).
Ab 1932 war er Professor am neu gegründeten Institute for Advanced Study, das er mit aufbaute. Hier sorgte er auch dafür Emigranten, die vor den Nationalsozialisten aus Deutschland flohen, aufzunehmen. Albert Einstein, Hermann Weyl und John von Neumann kamen damals ans Institute for Advanced Study und trugen wesentlich zu dessen Ruf bei.
Veblen lieferte wertvolle Beiträge in der Topologie, der Projektiven Geometrie und der Differentialgeometrie, der er sich in den 1930er Jahren unter dem Eindruck der Allgemeinen Relativitätstheorie zuwandte. Er schrieb einflussreiche frühe Lehrbücher der Topologie und der Grundlagen der Differentialgeometrie (mit Whitehead). Später wandte er sich Spinoren in der (Allgemeinen) Relativitätstheorie zu (teilweise mit John von Neumann und Abraham H. Taub) und einer Erweiterung der Allgemeinen Relativitätstheorie, der Projektiven Relativitätstheorie.
Nach ihm ist das Axiom von Veblen-Young in der projektiven Geometrie benannt und die Veblen-Hierarchie in der Theorie großer Ordinalzahlen. Der Satz von Veblen und Young besagt, dass Projektive Räume in drei und mehr Dimensionen als Vektorräume über Schiefkörpern konstruiert werden können.[1][2] In einem Buch mit J. H. C. Whitehead (1933) gab er die erste strenge Definition differenzierbarer Mannigfaltigkeiten.
Er kritisierte den Beweis von Camille Jordan über dessen Kurvensatz und gab einen neuen Beweis.[3]
Veblen war Mitglied der National Academy of Sciences, Vizepräsident (1915) und Präsident (1923/24) der American Mathematical Society, deren Colloquium Lecturer er 1916 war (mit Vorlesungen über Topologie). 1912 wurde er in die American Philosophical Society und 1923 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. 1928 war er während seines Englandaufenthalts im Rat der London Mathematical Society, deren Ehrenmitglied er 1939 wurde. Er war Ehrendoktor unter anderem von Oxford (1929), Hamburg, Glasgow, Edinburgh und Oslo. Er war Mitglied der dänischen, französischen, polnischen Akademien der Wissenschaften und der Royal Society of Edinburgh und erhielt (wie sein Vater) den norwegischen Sankt-Olav-Orden. 1936 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Oslo (Spinors and Projective geometry) und ebenso in Bologna 1928 (Differential invariants in geometry).
Zu seinen Doktoranden zählen Alonzo Church, James W. Alexander, Harold Hotelling, Robert Lee Moore und J. H. C. Whitehead[4].
Veblen, der selbst in seinen letzten Lebensjahren teilweise erblindete, erfand auch einige Hilfsmittel für Blinde, die von der US-amerikanischen Blindengesellschaft vertrieben wurden. Er war seit 1908 mit Elizabeth Richardson, der Schwester von Owen Willans Richardson, verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.
Er war ein Neffe von Thorstein Veblen.
Am 28. März 2002 wurde der Asteroid (31665) Veblen nach ihm benannt.
Literatur
- Deane Montgomery: Oswald Veblen, in AMS History of Mathematics, Bd. 1, online hier
- Jim Ritter Geometry as Physics: Oswald Veblen and the Princeton School, in Karl-Heinz Schlote, Martina Schneider (Hrsg.) Mathematics meets physics: a contribution to their interaction in the 19th and the first half of the 20th century, Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2011, S. 145–180
Schriften
Ein Publikationsverzeichnis ist hier
- mit W.H. Bussey: Finite projective geometries, Transactions of the American Mathematical Society, Band 7, 1906, S. 241–259
- Collineations in a finite projective geometry, Transactions of the American Mathematical Society, Band 8, 1907, S. 366–368
- mit Joseph Wedderburn: Non-Desarguesian and non-Pascalian geometries, Transactions of the American Mathematical Society, Band 8, 1907, S. 379–388
- mit John Wesley Young: Projective geometry, 2 Bände, Ginn u. Co., Boston und London, 1910, 1918
- Analysis Situs, Colloquium Lectures of the American Mathematical Society 1922, 1931 (Topologie-Lehrbuch)
- The invariants of quadratic differential forms, Cambridge University Press 1927 (Riemannsche Geometrie)
- mit John Henry Constantine Whitehead: The foundations of differential geometry, Cambridge University Press 1933
- Projektive Relativitätstheorie, Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, Springer Verlag, 1933
- mit T. Y. Thomas: The geometry of paths, Transactions of the AMS, Band 25, 1924, S. 551–608
- Remarks on the Foundations of Geometry, Bull. Amer. Math. Soc., Band 31, 1925, S. 121–141
- Hilbert’s Foundations of Geometry, The Monist, Band 13, 1902, S. 303–309
- A system of axioms for geometry, Transactions AMS, Band 5, 1904, S. 343–384
- mit J. H. C. Whitehead: A Set of Axioms for Differential Geometry, Proc. Nat. Acad. Sci., Band 17, 1931, S. 551–561 (Erratum, S. 660)
- Geometry of two component spinors, Proc. Nat. Acad. Sci., Band 19, 1933, S. 462, 503
- mit John von Neumann, Taub: The Dirac equation in projective relativity, Proc. Nat. Acad. Sci., Band 20, 1934, S. 383–388
Weblinks
- Literatur von und über Oswald Veblen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Oswald Veblen. In: MacTutor History of Mathematics archive.
Einzelnachweise
- In zwei Dimensionen gibt es Nicht-Desarguesche-Ebenen, die Gegenbeispiele für das Theorem liefern.
- Veblen, Young A Set of Assumptions for Projective Geometry, American Journal of Mathematics, Band 30, 1908, S. 347–380, und Veblen/Young Projective Geometry, 1910, 1917
- Veblen Theory on Plane Curves in Non-Metrical Analysis Situs, Transactions of the American Mathematical Society, Band 6, 1905, S. 83–98
- Mathematics Genealogy Project