Orgeln der Kathedrale von Nancy
Die Orgeln der Kathedrale von Nancy sind eine Hauptorgel auf der Westempore sowie eine Chororgel. Die Hauptorgel geht zurück auf ein Instrument, das 1763 von dem Orgelbauer Nicolas Dupont erbaut wurde. Er errichtete sie auf der Orgelempore über dem Hauptportal der Kathedrale Notre-Dame de l'Annonciation von Nancy. Im Jahr 1861 baute Aristide Cavaillé-Coll das Instrument tiefgreifend um. Nach weiteren Umbauten im 20. Jahrhundert verfügt die Orgel heute über 65 Register, die auf vier Manuale und Pedal verteilt sind. Sie verbindet den klassisch-französischen mit dem symphonischen Orgelbau.
Orgeln der Kathedrale von Nancy | |
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Allgemeines | |
Ort | Kathedrale von Nancy |
Orgelerbauer | Nicolas Dupont |
Baujahr | 1763 |
Letzte(r) Umbau/Restaurierung | 1861 durch Aristide Cavaillé-Coll |
Epoche | Französische Romantik |
Technische Daten | |
Anzahl der Pfeifen | 4194 |
Anzahl der Register | 65 |
Anzahl der Manuale | 4 |
Tontraktur | Mechanisch mit Barkermaschine |
Registertraktur | Mechanisch |
Anzahl der 32′-Register | 2 |
Hauptorgel
Die große Orgel von Dupont – 1763
Als Nicolas Dupont zwischen 1756 und 1763 die große Orgel schuf, war sie eines der größten Instrumente in Lothringen und die größte, die ihr Erbauer je realisierte. Dupont erbaute einige Jahre vor ihr eine vergleichbare Orgel für die Kathedrale de Toul, doch sollte diese die bischöflichen Ambitionen der Hauptstadt des Herzogtums Lothringen zeigen.[1]
44 Registern, zwei mehr als in Toul, finden in einem monumentalen Gehäuse Platz, das wahrscheinlich von Jean-Nicolas Jennesson entworfen wurde. Dupont leistete ohne Zweifel seinen Beitrag zu dem Entwurf, da der Aufbau des Gehäuses deutlich dem der Kathedrale von Toul ähnelt. Dieser Entwurf wurde später für die Orgel der Kathedrale von Verdun übernommen, die ebenfalls von Dupont erbaut wurde.
Das prächtige Gehäuse, das die ganze Breite der Empore ausfüllt, ist in mehrfacher Hinsicht originell: Die zwei großen Pfeifentürme, die das zentrale Fenster einrahmen, das heute verdeckt ist, das von der Krone eingerahmte Wappen, das die Türme übersteigt und von den schwebenden Girlanden gehalten wird, sowie der zentrale konkave und nicht konvexe Turm verleihen dem Ganzen Eleganz und Größe.[2]
Die Erweiterung durch Jean-François Vautrin – 1814
Nicolas Dupont pflegte die Orgel bis zu seinem Tod im Jahr 1781. Anschließend war sein Schüler Jean-François Vautrin beauftragt die Reparaturen im Jahr 1788 vorzunehmen und das Register grosse caisse (Große Trommel) hinzuzufügen. Nachdem die Orgel die Revolution dank des Organisten Michelot, dem „Mann des Herzens und der Güte“, der revolutionäre Melodien spielte, ohne Schaden überstanden hatte, wurde sie 1808 erneut von Vautrin repariert. Bei dieser Gelegenheit wurden der Manualumfang von 50 auf 53 Tasten erweitert, dem Schwellwerk vier Register hinzugefügt und Dispositionsänderungen im Hauptwerk und Rückpositiv vorgenommen. Die bedeutendste Ergänzung ist ohne Zweifel die der beiden Bombardes aus Holz an der Rückwand des Instruments, eine mit 16 Fuß, die andere mit 32 Fuß. Der Einbau der 32'-Bombarde, der ersten in Frankreich,[3] erforderte den Abriss eines Teils der hinteren Simse. Hierbei wurde auch das zentrale Fenster verdeckt.
Vautrin unternahm diese Arbeiten ohne die schriftliche Einwilligung der Verwaltung der Kathedrale. Diese weigerte sich im Jahr 1814 die Fertigstellung der Orgel zu bezahlen. Lange war keine Lösung dieser Angelegenheit in Sicht, bis 1836, nach Vautrins Tod, eine Einigung zwischen der Verwaltung der Kathedrale und den Töchtern des Orgelbauers erzielt wurde. Vor dieser Regelung wurde ein Vertrag mit Joseph Cuvillier geschlossen um vor allem das Gebläse zu ersetzen. Aber das Kultusministerium verlangte seinerseits andere Kostenvoranschläge, insbesondere von den Brüdern Callinet aus der Stadt Rufach, die andere Änderungen vorschlugen. Schließlich wurden die ursprünglich aus Mirecourt stammenden, aber in Paris wohnhaften Brüder Claude mit den neuen Arbeiten beauftragt.
Der Umbau durch Cavaillé-Coll – 1861
Trotz der Änderungen, die seit dem Tod von Dupont gemacht wurden, blieb die Hauptorgel der Kathedrale nahezu in ihrem Originalzustand erhalten und bewahrte ihre klassische Struktur. Aufgrund des seit einem halben Jahrhundert gewandelten Zeitgeschmacks wandte man sich 1857 an den berühmten französischen Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll, dem der Umbau der Hauptorgel von Saint Sulpice in Paris anvertraut worden war, um das Instrument in eine symphonische Orgel umzuwandeln.[4]
Wie auch sonst in ähnlichen Situationen verwendete Cavaillé-Coll das Gehäuse sowie einen großen Teil des Pfeifenwerks des 18. Jahrhunderts. Er verteilte die Register des Hauptwerks wieder auf zwei Manuale (Hauptwerk und Bombarde), ergänzte ein neues Register und erneuerte alle technischen Elemente des Instruments wie das Gebläse, die Traktur und den Spieltisch. Er ersetzte die beiden Holzbombarden von Vautrin durch zwei identische Register an derselben Stelle und installierte ein großes Schwellwerk auf der Spitze des Instruments. Der Schwellkasten war ursprünglich hinter Leinen versteckt. Er wurde mit zwei charakteristischen Glasseitenwänden gebaut, die ihm eine besondere Ausstrahlung und Wirkungskraft verliehen.
Unter den durch Cavaillé-Coll übernommenen Registern befanden sich zahlreiche Zungenregister. Der Orgelbauer fügte weitere (insgesamt außergewöhnliche 23 Zungenregister, also mehr als ein Drittel der Orgel) hinzu, um den höchsten Anteil zu erreichen, den er je in einer seiner Orgeln hatte. Die üblichen Labialpfeifen (Prinzipal und Weitchor) sowie die klassischen Mixturen fanden ebenfalls in dem umgebauten Instrument ihren Platz. Einzigartig ist die hohe Zahl der Pedalregister (15) sowie die gesamte Anzahl der Zungenregister im Pedal, die in keinem anderen großen Instrument von Cavaillé-Coll übertroffen wurden.
Hærpfer-Erman – 1965
Im Jahr 1881 nahm Aristide Cavaillé-Coll kleine Restaurierungen vor und 1921 reparierte sein Nachfolger Charles Mutin die Schäden, die durch die vor der Kathedrale gefallenen Granaten verursacht wurden. Ein Elektrifizierungsprojekt der mechanischen Traktur durch das Haus Rœthinger aus Straßburg, unter Aufsicht von Marcel Dupré, wurde durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs verhindert. Dieses Projekt hätte den Abbau der Mechanik, der Windladen und des Spieltisches vorgesehen und eine Veränderung der Disposition und tiefgreifende Neuintonation der Orgel nach sich gezogen. Dadurch wäre dieses Meisterwerk von Cavaillé-Coll verloren gegangen, wie es bei vielen anderen französischen Instrumenten der Fall war.
1965 wurde eine Restaurierung durch die Orgelbaufirma Hærpfer-Erman durchgeführt.[5] Diese wurde von Gaston Litaize überwacht und mündete schließlich in große Veränderungen entsprechend der neo-klassischen Ästhetik, die in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Zwar blieben das Gebläse, die Mechanik, der Spieltisch und die Windladen vollständig erhalten, aber die Disposition wurde neu gestaltet und das Pfeifenwerk teilweise neu intoniert. Die harmonischen Register und die charakteristischen Gamben der romantischen Orgel sowie die zahlreichen 16-Fuß-Register wurden zu Gunsten von höheren Registern (Mixturen und Aliquotstimmen), die auf die klassische Orgel verweisen, entfernt. Wie in dieser Zeit üblich benutzte Hærpfer-Erman für seine neuen Register keine edlen Materialien, die dem historischen Charakters des Instruments entsprochen hätten.
Die Orgel seit 2012
2012 führten Laurent Plet und Bertrand Cattiaux Arbeiten an der Orgel durch. Diese bestanden aus einer Ausreinigung, Wartung der mechanischen Trakturen und der Abdichtungen, einer Neuintonation des Positivs und einer Restaurierung der Zungenregister.
Auch wenn die Disposition seitdem etwas an der neo-klassischen Ästhetik orientiert ist, behält die Orgel aus klanglicher Perspektive die deutliche Note Cavaillé-Colls, und dies trotz der Änderungen, die von Hærpfer-Erman im Jahr 1965 vorgenommen wurden. Es sind noch 24 Register (37 %) von Dupont, 23 (35 %) von Cavaillé-Coll, sowie zwei Register von Vautrin erhalten. Einige Register (17) wurden ersetzt, andere wie die Flöten oder die Zungenregister des Positivs wurden verändert, letztere neu intoniert. Dank des Pedals und des einzigartigen Schwellwerks, das am stärksten verschont wurde, bewahrt das Ensemble seinen deutlich symphonischen Charakter. Die völlig neuartige Disposition des größten Instruments, das von Cavaillé-Coll außerhalb Paris gebaut wurde, verbunden mit der gleichzeitig voluminösen wie präzisen Akustik der Kathedrale, verleiht dem Instrument seine besondere Majestät, Macht und Tiefe.
Das Gehäuse ist seit dem 9. August 1906 und der instrumentale Teil der Orgel seit dem 22. September 2003 in der Kategorie Monument Historique eingestuft.
Disposition seit 2012
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- Koppeln: I/II, III/II, IV/II, I/P, II/P, IV/P
- Spielhilfen: Introduction II, Appel anches I, IV, Appel anches 32′, Appel anches Pédale
Anmerkungen
- Die erste Bombarde 32′ in Frankreich
- Holz
- Metall
Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch. Die Trakturen im Hauptwerk sind mit einer Barkermaschine ausgestattet.
Organisten
- Johann Vexo ist Titularorganist seit 2009
- Guillaume Beaudoin ist zweiter Titularorganist seit 2014
Chororgel
Auf der linken Seite des Chores befindet sich daneben eine Chororgel von Kühn aus dem Jahre 1912 mit 17 Registern.
Einzelnachweise
- René Depoutot, Christian Lutz: Inventaire des orgues de Lorraine, Meurthe-et-Moselle. Vol. 1. Serpenoise, Metz 1990, S. 235–244.
- Edgar Auguin: Monographie de la cathédrale de Nancy. Berger-Levrault, Nancy 1882, S. 149–151.
- http://www.uquebec.ca/musique/orgues/france/nancynda.html
- Gilbert Huybens: Aristide Cavaillé-Coll – Verzeichnis der ausgeführten Arbeiten. Orgelbau-Fachverlag Rensch, Lauffen/Neckar 1985, S. 40.
- Félix Raugel: Les orgues de la cathédrale de Nancy, l'Orgue, n° 122. 1967, S. 131.
Weblinks
Johann Vexo spielt in der Kathedrale von Nancy: