Nicolaes Tulp
Nicolaes Tulp, auch Nicolaas Tulp und latinisiert aus seinem Geburtsnamen Claes Pieterszoon auch Nicolaes Petreius (* 9. Oktober 1593 in Amsterdam; † 12. September 1674 ebenda) war ein niederländischer Chirurg und Anatom sowie einer der bekanntesten Ärzte des 17. Jahrhunderts sowie Bürgermeister in Amsterdam.
Leben
Der Begründer der Familie Tulp wurde mit dem Namen Claas Pieterszoon als viertes Kind des Tuchhändlers Pieter Dirckszoon und dessen Ehefrau Gherytgen Dircksdr. Poelenburch geboren. Sein Studium der Medizin absolvierte er von 1611 bis 1614 an der Universität Leiden und am 30. September 1614 wurde er promoviert. Als er zurück nach Amsterdam als niedergelassener Arzt in ein Haus an der Keizersgracht zog, änderte er seinen Nachnamen auf Tulp (holl.: Tulpe), da vor dem Haus ein Schild mit einer Tulpe angebracht war. Seinen Vornamen änderte er ebenfalls von Claes in die Langform Nicolaes. Die Tulpe machte er zu seinem Familienwappen.[1] 1617 heiratete er Eva van der Voech.[2] Als Arzt, aber auch durch den Einfluss als Stadtrat seit 1622 machte er sich bald einen Namen in der wachsenden Stadt. Dank seiner guten Kontakte wurde Tulp 1628 zum Praelector Anatomiae (Dozent für Anatomie) im Kollegium der Amsterdamer Chirurgen mit Vorlesungen in der Waag von Amsterdam. Als seine Frau Eva im selben Jahr starb, hinterließ sie ihm fünf gemeinsame Kinder. 1630 heiratete er Magaretha de Vlaming van Oudshoorn, die Tochter des Bürgermeisters Dirck de Vlaming van Oudshoorn, die ihm weitere drei Kinder gebar.
Tulps Sohn Diederick heiratete Anna Burgh, die Tochter des Amsterdamer Bürgermeisters Albert Burgh, seine Tochter Margaretha heiratete Jan Six. 1673 wurde Tulp Abgeordneter in Den Haag, wo er 1674 verstarb. Sein Leichnam liegt begraben in der Nieuwe Kerk von Amsterdam. Neben Rembrandts bekanntem Werk zu Dr. Tulp, befindet sich in der Sammlung von Jan Six in Amsterdam das Bildnis der Familie Tulp, das 1635 von Nicolaes Eliaszoon Pickenoy gemalt wurde.[3][4]
Wirken
Seine alljährlich in den Wintermonaten stattfindenden anatomischen Demonstrationen an Leichen öffentlich Hingerichteter im Theatrum anatomicum (lat.: anatomisches Theater) waren sehr beliebt und wurden mit Einverständnis des Gerichts nicht nur vor Ärzten und Kommunalpolitikern, sondern auch vor den Augen eines zahlenden Publikums in hinterster Reihe durchgeführt. Zu dieser Zeit waren Obduktionen bzw. Dissektionen in Europa nur bei männlichen Kriminellen und abseits der Kirche erlaubt. Der Verwesungsgeruch der Leichen wurde durch Kräuter und Weihrauch überdeckt, während der Vorlesungen wurde Musik gespielt, gegessen und getrunken. Die Vorführungen dienten in erster Linie dem Austausch anatomischer Kenntnisse der anwesenden prominenten Mediziner, durch die Eintrittsgelder wurden aber auch Gala-Essen der Amsterdamer Chirurgen und Richter finanziert. Nach einer dieser Vorlesungen vom 16. Januar 1632 entstand auch das Bildnis Rembrandts Die Anatomie des Dr. Tulp.
Tulp war ebenfalls für die Kontrolle der ortsansässigen Apotheken zuständig, die dank der guten Seewegsverbindungen über ein reichhaltiges Spektrum an Kräutern und Gewürzen der östlichen Welt verfügten. Nach Ausbruch der Pest in der Stadt im Jahr 1635 beschloss Tulp, gemeinsam mit den Fachkundigen aus seinem Bekanntenkreis die Krankheit zu bekämpfen. Dabei verfassten sie 1636 die Pharmacopoea Amstelredamensis, das erste Arzneibuch der Stadt, das eine einheitliche Zubereitung von Arzneimitteln vorschrieb und zum Standardwerk und Vorbild weiterer holländischer Arzneibücher wurde.
1641 veröffentlichte Dr. Tulp sein Werk Observationeum medicarum libris tres (lat.: Medizinische Beobachtungen), dessen erste Auflage er seinem Sohn Pieter widmete, der gerade in Leiden sein Medizinstudium zu Ende gebracht hatte. Aufgrund dessen Todes widmete Tulp auch die zweite Auflage seinem Sohn. Er schrieb das Werk wohl bewusst in lateinischer Sprache, um das Volk von pseudomedizinischen Konsequenzen abzuhalten. Das Buch schildert detailliert 231 seiner beobachteten Fälle von Leiden und Tod, unter anderem auch von sezierten Tieren aus den holländischen Kolonien, wodurch es von vielen auch als "Buch der Ungeheuer" bezeichnet wurde. Tulp beschrieb unter anderem detailliert das heute als Migräne bekannte Phänomen und vermutlich den Cluster-Kopfschmerz[5][6], die negativen Auswirkungen des Rauchens auf die Lunge und im Ansatz die Erkenntnisse zur psychischen Wirkung des Placeboeffekts. Ferner entdeckte Tulp 1639 als erster die menschlichen Lymphgefäße und unwissend von Caspar Bauhin die Ileozökalklappe. Seine Beschreibung von Symptomen der Beriberi-Krankheit bei einem Seemann wurde nicht weiter verfolgt.
Bürgermeister
Als Kommunalpolitiker wurde er 1654 für vier Legislaturperioden Bürgermeister von Amsterdam.
Literatur
- Barbara I. Tshisuaka: Tulp, Nicolaas. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1425.
Einzelnachweise
- Klaus Thoms: Anatomie des Dr. Tulp (Memento des Originals vom 27. Januar 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 1,9 MB) in Mitteilungen der Deutschen Exlibris-Gesellschaft, März 2006.
- Sebastian A. C. Dudok van Heel: Nicolaes Tulp - The life and work of an Amsterdam physican and magistrate in the 17. century, Amsterdam, 1998, S. 84 / 85
- E. M. Kniels: Pädagogische Bildbetrachtung "Bildnis der Familie Tulp" von N. E. Pickenoy (1635) (Memento des Originals vom 23. Januar 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Hausarb., Univ. Berlin, Inst Erz. Wiss., 2004
- 20 Eeuwen Nederland: Afstammingsreeks Nicolaes Tulp - Dirk Doude van Troostwijk (Memento des Originals vom 9. Oktober 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (niederl.)
- Koehler PJ.: Prevalence of headache in Tulp's Observationes Medicae (1641) with a description of cluster headache. Cephalalgia. (1993); 13(5): 318-20. PMID 8242723
- P. J. Köhler: Neurology in Tulp's Observationes Medicae. In: Journal of the History of Neuroscience. Band 5, 1996, S. 143–151.
Weblinks
- Bildnis der Familie Tulp (PDF-Datei; 741 kB)