Newweling
Der Newweling (Pl.: die Newweling) ist eine traditionelle Mainzer Kerze, die zum Totengedenken an Allerheiligen und Allerseelen verwendet wird. Er zeichnet sich durch seine Kegelform aus und besteht nur aus spiralförmig gedrehten und mit Kerzenwachs überzogenen Dochten. Es werden traditionell die fünf Farben Rot, Weiß, Blau, Gelb und Grün für das Kerzenwachs verwendet. Durch die Kombination verschiedenfarbiger Wachsstränge ergibt sich das charakteristische, bunte Erscheinungsbild des Newweling.
Herkunft
Geschichte
Die Kerze wurde erstmals 1367[1] (oder bereits 1347) in einer Urkunde erwähnt, in der die Dame Richildis von Sobernheim festlegte, dass von ihrem Nachlass zwanzig Pfund Wachs gekauft werden und am 1., 7. und 30. Tag nach ihrem Tod „in cereis et in nebeling“, also in Form von Kerzen und Nebelingen verbrannt werden solle, die Kerzen am Altar während des Gedächtnisgottesdienstes, die Nebelinge auf dem Grab.[2]
1424 ordnete Hamann zum Widder (auch Humbert zum Widder[1]), ein führender Vertreter der wohlhabenden Patriziergeschlechter in der Stadt, an, „daß man vier nebelinge uff sine Grab legen soll uff aller seelen tag, und die bornen die meß us.“[2] (dass man vier Nebelinge auf sein Grab an Allerseelen legen solle und die Kerzen während der Messe brennen sollen).
Namensherkunft
Der Name Newweling leitet sich nach dem Mainzer Wörterbuch von Nebel ab,[3] des Weiteren können auch Nebellicht und Nebelring gedeutet werden[1] und verweisen so vermutlich auf das trübe und neblige Wetter, das zu Allerheiligen und Allerseelen meist herrscht. Das 1347 erwähnte Nebeling ähnelt dem Nebelung (Nebelmonat), einem alten deutschen Namen für den November.
Sagen und Legenden
In die Welt der Sagen und Legenden gehören Deutungen, die den Newweling mit dem verwandten Nibelungen in Verbindung bringen oder die hutähnliche Form als eine Art Tarnkappe deuten.[1] So soll ein Nibelung im Monat November die Stadt Mainz unsicher gemacht haben und mit Hilfe des Lichtes vom Newweling vertrieben worden sein.
Nach einer weiteren Deutung wird die traditionelle Form mit einem spitzen Hut (vergleiche Hennin), wie ihn mindestens seit dem 17. Jahrhundert Hexen und Zauberer auf Bildern tragen, in Verbindung gebracht. Der Newweling wäre demnach der Zauberhut eines Nebelkindes und soll an die unsichtbar machende Tarn- oder Nebelkappe der Nibelungen erinnern.[4]
Herstellung
Seit Anfang der 1970er Jahre wird der Newweling nur noch von der Mainzer Wachswarenfabrik Tusar (vormals: Wachszieherei Lorenz Werner Ww.) in Handarbeit hergestellt und von der Familie Krohn, die die Kerze seit 1927 (in vierter Generation) vertreibt, zu Allerheiligen und Allerseelen vor dem Hauptfriedhof, dem Mombacher Waldfriedhof und dem Gonsenheimer Friedhof verkauft (Stand: 2019). Zuvor gab es mindestens in Mainz-Weisenau mit Kunz&Zeiträger einen zweiten Newwelingproduzenten.
Rund 14 Tage vor dem Feiertag beginnt die Produktion. Für 1000 Newweling werden 3000 Meter Wachsschnüre in fünf Farben (rot, weiß, grün, blau und gelb) benötigt. Auf der Ziehmaschine können auf einmal 200 Meter Docht eingespannt und durch eine Wanne mit dem flüssigen Wachs gezogen werden, bis die Stärke von drei Millimetern erreicht ist. Wenn die Wachsschnüre erkaltet sind, geht es an die Wickelarbeit, wobei die Schnüre von Hand in knapp einer Minute um einen Holzkegel gewickelt werden.[5][6] Für die sogenannten Show- und Sammlerexemplare wird als Wickelform eine Schultüte genommen, die zur Stabilität darunter bleibt.
- Trommel mit weißen Schnüren
- Trommel mit weißen Schnüren und roter Wachswanne
- Docht wird in die Wachswanne versenkt
- rote Wachsschnüre erkalten auf der Rolle
- Wachsschnüre werden von der Trommel abgerollt
- Wachsschnüre werden von der Trommel abgerollt
- vierfarbiger Newweling beim Legen auf dem Holzkegel
- vierfarbiger Newweling beim Legen auf dem Holzkegel
- fast fertiger Newweling auf Holzkegel
Verwendung und Handhabung
Den Newweling gibt es ausschließlich in Mainz. Er wird an Allerseelen und Allerheiligen bei Prozessionen benutzt, auf Gräbern aufgestellt und auch im Mainzer Dom angezündet.
Er wird vor dem Anzünden auf- und um einen Stock gewickelt: „… dort dreht man die Schnüre auf und wickelt sie einzeln um einen Stock oder einen kleinen Ast und zündet die Dochte an. Man behält den Stock in der Hand oder steckt ihn in die Erde, … Manche stellen auch den ganzen Newweling auf das Grab und zünden den obersten Docht an, … Dann gibt es eine große Stichflamme und der Newweling brennt in kurzer Zeit ab.“[7]
In Geschichten aus dem alten Mainz schreibt Prälat Adam Gottron:
„Niemals kamen die Buben so pünktlich zum Gottesdienst wie zur Armseelenandacht in den Dom. Schon auf dem Weg verglich man Größe und Gestalt des Wachsfadenröllchens und prahlte, dass das eigene am hellsten und am längsten brenne.“
Der Newweling ist nicht zum Abbrennen in Laternen oder in geschlossenen Räumen geeignet.
Musik
In der dritten Strophe des Liedes „Määnz bleibt Määnz“ (Text: Karl Schramm) heißt es: „Ich will dohin, wo Newweling duhn brenne“, übersetzt mit: Ich will dahin, wo Newweling [tun] brennen.
Ähnlichkeiten
Es bestehen Ähnlichkeiten zum Wachsstock, wie er heute teilweise noch in Bayern weit verbreitet ist, und der jüdischen Hawdala-Kerze.[8]
Siehe auch
Der Haddekuche, ein mürbhartes Gewürzgebäck in Rhombenform, wurde bis vor wenigen Jahren ebenfalls an Allerseelen und Allerheiligen von den Brezelverkäufern vor den Friedhöfen verkauft.[1]
Literatur
- Karl Schramm: Mainzer Wörterbuch. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2003, ISBN 3-87439-651-7, S. 123.
- Marlene Hübel: „Newwelinge und Haddekuche“. In: Nekropolis Moguntia, von der Kraft der Endlichkeit Ort der Stille. / 2000 Jahre Heiliges Tal, 200 Jahre Mainzer Aureus, Vitruv. S. 397.
- Ursula Pfistermeister: Wachs Volkskunst und Brauch – Ein Buch für Sammler und Liebhaber alter Dinge. Band 1, Verlag Hans Carl, Nürnberg 1982, ISBN 3-418-00468-7.
- Beate Rakowski-Sudrow: „Newwelinge“. In: Geschichtscher un Gedichtscher aus Meenz – Hand uff’s Herz. Fachverlag Fraund, S. 21–22.
- Allgemeine Zeitung Mainz
- Alexandra Klein: Zwei Familien erhalten die Tradition – Was wäre Allerheiligen ohne »Newweling«? / Sage rankt sich um den bunten Kegel. 31. Oktober/1. November 1995.
- Fastnachtsfarben auf dem »Newweling«. 1. November 2006.
- Martin Höcker: Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten − Mainzer Kerzen-Manufaktur Tusar stellt kegelförmige Newwelinge her, 29. Oktober 2013; S. 11.
- Rund und bunt in der Mittelbayerischen Zeitung vom 29. Oktober 2007
- Hildruth Schaubruch: Wie ein spitzer Hut – Der sagenhafte Newweling. In: Mainz. Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte. Nummer 1. Jahrgang 1991. Verlag H. Schmidt Mainz, S. 21, ISSN 0720-5945
Weblinks
- Bild eines vierfach brennenden Newweling; Stand: 27. November 2009
- Newwelinge, eine Mainzer Spezialität auf den Seiten der Kerzeninnung (Bayerische Wachszieher-Innung); Stand: 2. November 2009
- Der Newweling - Eine besondere Kerze aus Mainz auf swr.de vom 30. Oktober 2019
Einzelnachweise
- Marlene Hübel; S. 397
- Ursula Pfistermeister; S. 98
- Karl Schramm; S. 123.
- Hildruth Schaubruch; S. 21.
- Alexandra Klein: Zwei Familien erhalten die Tradition - Was wäre Allerheiligen ohne »Newweling«? / Sage rankt sich um den bunten Kegel. Mainzer Zeitung: 31. Oktober/1. November 1995.
- Kennen Sie Newwelinge? Pressemitteilung auf openpr.de von der Kerzeninnung (Bayerische Wachszieher-Innung / Bundesinnung) vom 29. Oktober 2008.
- Bunt gewickelte Allerheiligen-Tradition – Stirbt der Mainzer Newweling bald aus? (Memento des Originals vom 25. Oktober 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. von Alice Gundlach, in Der Mainzer; Heft 253 vom Oktober 2011
- Ursula Pfistermeister; S. 95 und S. 98.