Naftali Aronowitsch Frenkel
Naftali Aronowitsch Frenkel (russisch Нафталий Аронович Френкель; * 1883 nach unterschiedlichen Angaben entweder in Konstantinopel, Odessa oder Haifa; † 1960 in Moskau) war ein sowjetischer Funktionär. Er war in den 1920er Jahren einer der Hauptverantwortlichen für die Entwicklung der Lagerstrukturen im Solowezki-Gulag sowie verantwortlicher Organisator beim Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals.
Biografie
Frenkel war jüdischer Herkunft und stammte ursprünglich aus dem Osmanischen Reich oder Odessa, der Geburtsort ist unklar. Er wurde wegen „illegalen Grenzübertritts“ entweder als Schmuggler oder als erfolgreicher Geschäftsmann im Jahr 1923 zu 10 Jahren Zwangsarbeit auf den Solowezki-Inseln verurteilt. Dort traf er 1924 oder 1925 ein und brachte es innerhalb kürzester Zeit zum Chef der Betriebs- und Handelsabteilung.
In dieser Zeit erdachte er einen Plan zur „wirtschaftlicheren“ Ausbeutung der Häftlinge. Von ihm stammt der Ausspruch: „Aus dem Häftling müssen wir alles in den ersten drei Monaten herausholen – danach brauchen wir ihn nicht mehr.“[1] Dazu kam die Idee, die Essensrationen an die Erfüllung der Arbeitsnormen beziehungsweise die Arbeitsleistung zu koppeln.
Ob es jemals zu einem Gespräch zwischen Frenkel und Stalin kam, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass Frenkel mit den Oberen der OGPU zusammenkam, ihnen seine Pläne vorstellte und man ihm danach freie Hand ließ.
Zwischen 1931 und 1933 hatte er die Aufsicht über den Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals und war Arbeitsaufseher im BelBaltLag – „für einen ehemaligen Gefangenen ein unerhörter Aufstieg“.[2] Dort nahm seine Karriere einen weiteren Aufstieg. Beim Bau des Kanals starben mindestens 25.000 Menschen[3]. Die Arbeitssklaven bekamen etwa 1.300 Kilokalorien täglich an Nahrung.[4] Nach Fertigstellung des Kanals kam er zur Baikal-Amur-Magistrale, bis er später für die Leitung der Hauptverwaltung der Lager für den Bau von Eisenbahnstrecken (GULShDS) verantwortlich wurde.
Frenkel wurde mit dem Orden Held der sozialistischen Arbeit und dreimal mit dem Leninorden ausgezeichnet.
Über seine Persönlichkeit ist nicht viel bekannt. Es wird berichtet, dass er gerne nachts die Baustellen aufsuchte, in Eisenbahnwaggons übernachtete und ähnlich wie Stalin die Legende nährte, dass er niemals schlafe. „Hart war sein Umgang mit den Ingenieuren und absichtlich erniedrigend.“ (Zitat aus: Der Archipel Gulag).
Literatur
- Anne Applebaum: Der Gulag. Aus dem Englischen von Frank Wolf. Siedler, München 2003, ISBN 3-88680-642-1.
- Lukáš Babka: K jednomu z příběhů bolševického vězeňství (Úloha Naftalije A. Frenkela v sovětském Gulagu) [One of the Stories of the Soviet Penal System (The Role of Naftalij A. Frenkel in the Soviet Gulag)], in: Slovanský přehled (Slavic Survey) 92, 2006, S. 321–351
- Alexander Solschenizyn: Der Archipel GULAG, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 31. Auflage, 1974
Weblinks
Einzelnachweise
- Zitiert nach Friedrich Pohlmann: Stätten des Terrors im Kommunismus und Nationalsozialismus – Archipel Gulag und Konzentrationslager; in: Zeitschrift für Politik, 52. Jg. (2005), Heft 3, S. 297–317, hier S. 308.
- Applebaum: Der Gulag, S. 93.
- Applebaum: Der Gulag, S. 102 und S. 104.
- Timothy Snyder: Bloodlands. 2. Aufl. 2014, S. 49.