Muxe
Eine Muxe oder Muxhe (Aussprache: [muʃeʔ], Mehrzahl Muxes; vermutlich von spanisch mujer „Frau“)[1] ist eine Person dritten Geschlechts (jenseits von männlich/weiblich) bei den Zapoteken im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca, vor allem in der Stadt Juchitán de Zaragoza. Muxes identifizieren sich nicht mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen biologischen Geschlecht und können sich – oft ab jungen Jahren – dem anderen Geschlecht entsprechend kleiden und verhalten. Muxes wurden als Jungen geboren und geben sich als Frau und nehmen weibliche Geschlechterrollen ein. Ein Marimacha ist eine Person, die als Mädchen geboren wurde und sich mehr wie ein Mann gibt und verhält. Ein Muxa ist eine Person, die sich als Frau fühlt, aber keine Frauenkleider trägt.
Die Zwischengeschlechtlichkeit der Muxes und Marimachas wird in der Ethnologie (Völkerforschung) verstanden als eigenes Gender („soziales Geschlecht“), das auf einer jahrhundertelangen Tradition bei der indigenen Volksgruppe der Zapoteken beruht und gesellschaftlich anerkannt ist. Die Region Oaxaca ist aber auch streng katholisch geprägt, womit eine strikte Ablehnung von Homosexualität einhergeht. Sexuelle Beziehungen von Muxes oder Marimachas mit Männern oder Frauen werden ungerne gesehen und nur unter eingeschränkten Bedingungen hingenommen. Es gibt Fälle, in denen sie Ziele von homophoben Angriffen werden. Während in Mexiko-Stadt die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt ist, bleibt sie im Bundesstaat Oaxaca noch verboten. Untereinander gehen Muxes keine sexuellen Beziehungen ein, stattdessen pflegen sie Liebesbeziehungen mit verheirateten Männern. Einige der Muxes und Marimachas entscheiden sich im weiteren Leben für die Geschlechterrolle, die ihrem biologischen Geschlecht entspricht, und gründen Familien.[2][1][3]
Neben Frauenkleidern haben viele Muxes vor allem Interesse an der Arbeit und den Tätigkeiten, die Frauen traditionellerweise bei den Zapoteken ausüben. Während Männer zumeist in Industriebetrieben oder als Fischer arbeiten, sind Frauen tätig als Handwerkerinnen und Händlerinnen. Oft erwirtschaften sie den Hauptteil des Familieneinkommens und sichern die Familie ab. In den Arbeitsbereichen der Frauen werden Muxes geschätzt, sie gelten als besonders fleißig und hilfsbereit. Viele Muxes wollen bei ihrer Mutter leben, sich um sie kümmern und sie im Alter pflegen. Marimachas können in Männerberufen Karriere machen, ohne diskriminiert zu werden.[2][1][3]
Siehe auch
- Liste von dritten Geschlechter(rolle)n
- Amarete (Ort in Bolivien mit zehn sozialen Geschlechtern)
Literatur
Neueste zuerst:
- Stefanie Graul: Der Anerkennungskonflikt bei den drei Geschlechtern der Binnizá: eine ethnopsychoanalytische Studie. Utz, München 2017, ISBN 978-3-8316-4630-2 (Doktorarbeit Hochschule für Philosophie München 2016; über die drei Geschlechter „Frauen, Muxe’ und Männer“ bei den Binnizá, den isthmischen Zapoteken im Süden Mexikos).
- Barbara Bachmann: „Authentische unerschrockene Gefahrsuchende“: Im mexikanischen Juchitán sind „Muxes“ als drittes Geschlecht anerkannt. In: Lateinamerika Nachrichten. Nr. 443, Mai 2011 (freie Reisereporterin; online auf lateinamerika-nachrichten.de).
- Lynn Stephen: Sexualities and Genders in Zapotec Oaxaca. In: Latin American Perspectives. Band 29, Nr. 2, Artikel 123, März 2002, S. 41–59 (englisch; Professorin für Anthropologie, University of Oregon; online auf researchgate.net).
- Veronika Bennholdt-Thomsen (Hrsg.): Juchitan – Stadt der Frauen: Vom Leben im Matriarchat. Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-13396-2 (Aufsatzsammlung).
Dokumentationen
- The Guardian: Muxes – Mexico’s third gender auf YouTube, 27. Oktober 2017 (12:40 Minuten; spanisch, mit englischen Untertiteln; Shaul Schwarz reconnects with the characters and culture he photographed extensively from 2002–2006).
- Ivan Olita: Define Gender – Muxes auf 99.media, April 2017 (9:22 Minuten; spanisch, mit englischen Untertiteln).
Weblinks
- Tanja Krüger, Johanna Rubinroth: Das Feature: Queer, katholisch, mexikanisch. In: NDR.de. 2019 (mit Audio: 53:35 Minuten; Muxes sind beliebt, aber es gibt auch brutale Überfälle).
- Stefanie Graul (Ethnologin) im Gespräch: Transsexualität in Mexiko: Muxe – ein drittes soziales Geschlecht. In: Deutschlandfunk Nova. 21. November 2019 (mit Audio: 6:12 Minuten; ursprüngliche Aufgabe der Muxe ist, den Müttern eine Hilfe zu sein).
- Thomas Schlittler: In Juchitan soll es Menschen geben, die weder Mann noch Frau sind. Wir haben sie gefunden. In: Watson.ch. Februar 2017.
- Veronika Bennholdt-Thomsen: Muxe: das dritte Geschlecht. In: Humboldt. Nr. 149/97, Goethe-Institut, 2008 (Juchitán, Stadt mit mehr als zwei Geschlechtern).
Englisch:
- Jasmine Aguilera: Vogue Mexico’s December Issue Cover Features an Indigenous Trans Woman for the First Time. In: MSN.com. 23. November 2019 („will feature an openly transgender ‘Muxe’ on its cover“).
- Rafa Fernandez de Castro: Meet the Muxes: How a remote town in southern Mexico reinvented sex & gender. In: Fusion.net. 28. April 2016 (mit Fotostrecke).
- Marc Lacey: A Lifestyle Distinct: The Muxe of Mexico. In: The New York Times. 6. Dezember 2008 („Mexico can be intolerant of homosexuality; it can also be quite liberal“).
Einzelnachweise
- Veronika Bennholdt-Thomsen: Muxe: das dritte Geschlecht. In: Humboldt. Nr. 149/97, Goethe-Institut, 2008, abgerufen am 8. März 2020.
- Stefanie Graul (Ethnologin) im Gespräch: Transsexualität in Mexiko: Muxe – ein drittes soziales Geschlecht. In: Deutschlandfunk Nova. 21. November 2019 (mit Audio: 6:12 Minuten).
- Barbara Bachmann: „Authentische unerschrockene Gefahrsuchende“: Im mexikanischen Juchitán sind „Muxes“ als drittes Geschlecht anerkannt. In: Lateinamerika Nachrichten. Nr. 443, Mai 2011 (online auf lateinamerika-nachrichten.de).