Mount Washington Cog Railway
Die Mount Washington Cog Railway war die weltweit erste Zahnradbahn, die – überwiegend aus touristischen Gründen – auf einen Berg geführt wurde. Sie wurde 1869 eröffnet und ist bis heute in Betrieb.
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Mount Washington Cog Railway | |||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | gesamt: 4,8 km | ||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1422 mm | ||||||||||||||||||||||||
Stationen und Kunstbauwerke | |||||||||||||||||||||||||
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Geografische Lage
Die Bahn führt auf den im US-Bundesstaat New Hampshire gelegenen Mount Washington. Der Talbahnhof, Marshfield Base Station[Anm. 1], liegt 10 km östlich der Route 302 in der Nähe von Bretton Woods auf 823 m Höhe. Die Strecke verläuft an der Westflanke des höchsten Berges von Nordost-Amerika.
Geschichte
Die Bahn wurde ab 1866 nach Plänen von Sylvester Marsh gebaut. Dafür wurde 1858 die Mount Washington Railway Company gegründet und in New Hampshire eingetragen. Im Jahr zuvor war Marsh bei einer Ersteigung des Mount Washington in einen Sturm und dabei in Lebensgefahr geraten. Daraus entwickelte sich die Idee, nicht zuletzt für Touristen eine weniger beschwerliche und vor allem ungefährlichere Möglichkeit, auf den Gipfel des höchsten Berges der USA östlich der Rocky Mountains zu gelangen. Um den Verkehrsanschluß seines Unternehmens zu sichern, setzte sich Marsh mit Vertretern der in New Hampshire tätigen Eisenbahngesellschaften in Verbindung, besonders mit John E. Lyon, dem Vorsitzenden der Boston, Concord & Montreal Railroad (BC&M). Nach einer erfolgreichen Demonstration seines Entwurfes auf einer auf eigene Rechnung gebauten, kurzen Teststrecke am Berg wurde aus der anfänglichen Ablehnung Zustimmung, und mit der gesicherten Finanzierung und Verbindung zum Verkehrsnetz der damaligen Zeit konnte der Bau beginnen. Zuvor beantragte und erhielt Marsh noch eine Konzession für den Bau des Mount Washington Turnpikes, einer Mautstraße von der nächstgelegenen Straße, der heutigen NH-302, zur geplanten Talstation. Die BC&M übernahm nicht nur einen großen Teil der Finanzierung, sondern stellte auch den Bauleiter für Straße und Bahnstrecke, den Superintendenten und ehemaligen Brückenbauer John Jarvis Sanborn. 1863 wurde die Konzession für den Bau der Bahn verlängert. Als auch diese Frist auslief, wurde die Strecke am 14. August 1868 für fertiggestellt erklärt und der Ausflugsverkehr bis zum oberen Ende von "Jacob's Ladder" aufgenommen, dem Streckenstück mit der größten Steigung. Das restliche Stück bis zum Gipfel wurde im folgenden Frühjahr fertiggestellt und die Bahn am 3. Juli 1869 mit der ersten offiziellen Fahrt bis zur Gipfelstation eröffnet.
Zunächst erreichten die Passagiere die Talstation mit Kutschen vom White Mountain oder dem Crawford House, den zwei nächstgelegenen Grandhotels, in denen zu dieser beginnenden Blütezeit des Hoteltourismus in den White Mountains die meisten wohlhabenden Gäste abstiegen. Sowohl die An- und Abfahrt zur Station wie die Auf- und Abfahrt auf den Berg kosteten jeweils drei Dollar für beide Richtungen. Die Anreise wurde einfacher, nachdem die Eisenbahngesellschaft von ihrer Strecke zum Fabyan House eine Stichstrecke zur Talstation gebaut und am 4. Juli 1876 eröffnet hatte. Danach begann die Zahnradbahn Gewinn abzuwerfen, und die Gesellschafter bekamen 9 % Dividende im folgenden Jahr.
Sylvester Marsh wurde jedoch von Lyon aus dem Geschäft verdrängt und fungierte noch als Galionsfigur. Als er 1870 von Hitchcock und Huntington um die Erlaubnis gebeten wurde, die Einrichtungen der Bahn auf dem Gipfel zur ersten Überwinterung auf dem Berg benutzen zu dürfen verwies er sie mit der Begründung, er habe nicht die Autorität, für die Gesellschaft zu sprechen, an Lyon. Dieser stimmte umgehend zu.
Als im späten 19. Jahrhundert das Eisenbahngeschäft konsolidierte und aus den vielen kleineren Gesellschaften nach und nach wenige große Unternehmen wurden, wechselte auch die Cog Railway wiederholt ihren Eigentümer. Nacheinander gehörte sie der Boston and Lowell Railroad, der Boston, Concord and Montreal Railroad, der Concord and Montreal Railroad und gelangte 1895 in den Besitz der Boston and Maine Railroad (B&M). Diese betrieb die Stichstrecke bis 1930 und war Eigentümer des Summit House, dem Hotel auf dem Gipfel des Mount Washington. Dessen Betreiber erbaute nahe der Talstation eine kleine Sommerhaussiedlung. 1931 beendete die B&M die Geschäftsbeziehung und übergab das Management von Siedlung, Hotel und Bahn einem einzelnen Mann, dem Hotelier Henry N. Teague. Dieser übernahm 1939 alle drei Einrichtungen.
Die B&M hatte die Bahn verwaltet, aber als sie die Kontrolle an Teague abgab, galt immer noch der Fahrplan aus Postkutschzeiten mit zwei Fahrten am Tag. Obwohl mitten in der Weltwirtschaftskrise führte Teague zusätzliche Fahrten ein. Als er die Bahn als Eigentümer übernahm, wurden neun Fahrten pro Tag durchgeführt, die erste um sechs Uhr am Morgen. Für die Passagiere, die nicht mit dem eigenen Auto zur Bahn kamen, gab es Zubringerdienste.
Das Geschäft florierte, und es wurden Überlegungen angestellt, die Strecke zweigleisig auszubauen. Die Eröffnung der Cannon Mountain Aerial Tramway im Jahr 1937 beendete diese Überlegungen. Cannon Mountain lag weniger abgelegen und hatte besseres Wetter als der Mount Washington. Das Geschäft lief dennoch weiter, und es wurden Weichen entwickelt, um Ausweichstellen einrichten zu können. Diese wurden 1941 installiert. Bis dahin war jeder Streckenabschnitt von einem eigenen Zug befahren worden, und Passagiere, die mit der Bahn kamen, mussten auf dem Weg zum Gipfel dreimal umsteigen.
Nachdem Ableben Teagues im Jahr 1951 kam die Bahn testamentarisch an seine Alma Mater, das Dartmouth College, das ihm mit einem Darlehen den Kauf ermöglicht hatte. Das College behielt Teagues Manager, Arthur Teague (nicht verwandt), verkaufte einen Teil des Landes am Berg unter anderem an den Staat New Hampshire und 1961 mit Ausnahme des letzten Stückes die Bahn an Teague. Von ihm erbte sie seine Witwe, die sie 1983 an eine Gruppe von Geschäftsleuten aus Littleton verkaufte.[1]
Technische Parameter
Infrastruktur
Die eingleisige Strecke ist 4,8 km lang und wurde in einer Spurweite von 4' 8'' (1422 mm) errichtet.[2] Die Angaben zur Spurweite der Strecke widersprechen sich allerdings in den Primärquellen.[Anm. 2]
Die Zahnradtechnik ist dem 1863 von Niklaus Riggenbach patentierten und nach ihm benannten System sehr ähnlich.
Vom Talbahnhof überwindet die Strecke den knapp fünf Kilometer langen Aufstieg mit einem Höhenunterschied von ca. 1200 Metern mit einer mittleren Steigung von 25 %. Der Oberbau besteht aus einer aus Baumstämmen gezimmerten Fachwerkkonstruktion (Trestle).
Ursprünglich gab es keine Kreuzungsstellen auf der Strecke. Der bergauf fahrende Zug traf sich mit dem bergabfahrenden Zug etwa in Höhe der heutigen Ausweichstelle am Wasserturm. Die Fahrgäste stiegen in den jeweils anderen Zug um und setzen darin die Fahrt fort. Heute gibt es zwei Kreuzungsstellen, in denen die Züge aneinander vorbei fahren können. Die dafür erforderlichen Weichen wurden 1941 eingebaut und mussten von Hand umgestellt werden. Sie wurden 2003 und 2005 durch automatische Hydraulikweichen auf einer Stahlträger-Plattform ersetzt.
Die erste Ausweiche befindet sich auf 1200 m Höhe, die zweite in 1890 m Höhe. Weiter oben folgt die rund 100 Meter lange Jakobsleiter, die mit 37,41 % Steigung weltweit von Zahnradbahnen mit Personenbeförderung nur noch von der Pilatusbahn in der Schweiz mit 48 % an Steilheit übertroffen wird.[Anm. 3]
Dampflokomotiven
Die erste Dampflok der Bahn, schon beim Streckenbau seit 1866 eingesetzt, hieß Hero („Held“), wurde aber allgemein als „Old Peppersass“ (Dialekt für „pepper sauce“) bekannt, da ihr vertikaler Kessel an eine Flasche Tabascosauce erinnerte. 1878 wurde sie ausgemustert und nach mehreren Ausstellungen und mehrjähriger Abstellung restauriert. Bei einem Einsatz am 20. Juli 1929 brach bei der Talfahrt ein Zahn aus dem Antriebsrad, die Maschine geriet außer Kontrolle und bewegte sich ungebremst talwärts. Bis auf einen mitreisenden Fotografen konnten alle Passagiere abspringen und so ihr Leben retten. Die herumliegenden Trümmerteile wurden später zusammengesucht und nahe der Base Station wieder zusammengesetzt, wo „Old Peppersass“ noch heute als technisches Denkmal erhalten ist.
Zwischenzeitlich gab es sieben Dampflokomotiven mit geneigt montiertem Kessel, mit denen die Bahn betrieben wurde. Diese benötigen pro Fahrt etwa eine Tonne Kohle und 3800 Liter Wasser. Die Lokomotive ist im Zug immer talseitig eingestellt, Wagen und Lok sind nicht miteinander gekuppelt. Der Vortrieb wird bei der Bergfahrt nur durch den Zahnstangeneingriff bewerkstelligt, der über die Antriebsachsen erfolgt. Sie sind dann durch einen Sperrhebel gegen Zurückdrehen gesichert. Die übrigen Räder werden nicht angetrieben. Bei der Talfahrt bremst sich die Lokomotive alleine, hauptsächlich über die Dampfkolben (Gegendruckbremse).
Heute sind noch zwei Dampflokomotiven regelmäßig im Einsatz: Nr. 2, „Ammonoosuc“ (Baujahr 1875), und Nr. 9, „Waumbek“ (Baujahr 1908).[3]
Diesellokomotiven
Ein neuer Manager führte ab 1973 zunächst die "speeder" ein, die dem unabhängigen Mannschafts- und Materialtransport dienten, und entwickelte und baute dann auf eigene Kosten eine "Spirit of '76" genannte erste Diesellok, die nur für betriebliche Zwecke gedacht war. Ehe das Konzept seine Kinderkrankheiten überwunden hatte, wurde der Manager aus diesem Grund 1976 entlassen und die Lokomotive verschrottet.[1] Am 31. Mai 2008 nahm die Bahngesellschaft eine erste Diesellokomotive in Betrieb, die in der eigenen Werkstatt gebaut worden war.[4] Geplant wurden insgesamt acht Lokomotiven mit Inbetriebsnahmen in den folgenden Jahren.[5] Als Antrieb wurde ein John-Deere-Dieselmotor mit 600 PS eingesetzt, die Kraftübertragung erfolgt hydraulisch. Als Treibstoff dient mit B-20-Biodiesel, der Verbrauch beträgt etwa 68 Liter pro Rundfahrt.[1] Die Betriebskosten liegen dabei deutlich niedriger als beim Betrieb einer Dampflok.
Wagen
Die Personenwagen fassen 56 bis 70 Passagiere. Bei der Talfahrt wird der Wagen von einem mitfahrenden Bremser händisch gebremst – unabhängig von der voranfahrenden Lokomotive. Der Bremser beobachtet bei der Bergfahrt auch die Strecke, da die Sicht des Lokführers dann eingeschränkt ist.
Betrieb
Die Bahn fährt zwischen Mai und Anfang Oktober auf den Gipfel. Wenn das Wetter es zulässt, wird bis Ende Oktober oder im Frühling noch bis zur Skyline gefahren. Der Bahnhof Waumbek wird ganzjährig betrieben. Eine Lokomotive verkehrt immer zusammen mit einem Wagen. Die Fahrzeit beträgt rund 60 Minuten.[6] In der Ausweiche auf 1200 m Höhe wird bei Dampfbetrieb nochmals Wasser genommen.
Die meisten Züge werden inzwischen mit Diesellokomotiven betrieben, die Dampflokomotiven dienen als Reserve. Nur der erste Zug des Tages um 9:00 Uhr wird planmäßig mit Dampfloks gefahren. Ab 2019 sollen planmäßig täglich zwei Dampfzüge verkehren.
Literatur
- deg: Neue Lokomotive für die Mount Washington Cog Railway. In: Eisenbahn-Revue International 4/2018, S. 208.
- Günter Koch: Die erste Gipfel-Zahnradbahn der Welt – Eisenbahn auf den Mount Washington. In: Lok Magazin 132 (1985). Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co. Stuttgart. ISSN 0458-1822, S. 189–201.
- Lorenz Degen: Mount Washington Cog Railway – Das Vorbild der Vitznau–Rigi-Bahn. In: Eisenbahn Amateur 2/2019. Schweizerischer Verband Eisenbahn-Amateur. ISSN 0013-2764, S. 52–55.
Anmerkungen
- Benannt nach Sylvester Marsh sowie Darby Field, dem vermutlich ersten Weißen, der den Mount Washington bestieg.
- • Das Kursbuch von 1893 gibt eine Spurweite von 5 Fuß und 3 Zoll (1600 mm) an (Travelers' Official Guide of the Railway and Steam Navigation Lines in the United States and Canada. Ausgabe Juni 1893. New York: National Railway Publication Company. S. VIII).
• Spätere Kursbücher listen die Strecke als normalspurig mit 1435 mm (Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Porto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe Juni 1916. New York: National Railway Publication Company. S. XII).
• Das Poors Manual of Railroads von 1911 führt eine Spurweite von 5 Fuß 7½ Zoll (1715 mm) auf (New York, S. 23).
• Die Ausgabe des gleichen Handbuchs von 1931 gibt eine Spurweite von 4 Fuß 7½ Zoll, 1410 mm, an (New York, S. 1145.)
• Der Weltfahrplan von 2009 führt 1397 mm an (Thomas Cook Publishing (Hg.): Overseas Timetable. Sommer 2009, S. 74).
• Die Angabe der Bahngesellschaft lautet 4 Fuß 8 Zoll, 1422 mm. - Die nicht für den Personenverkehr bestimmten Treidelloks am Panamakanal befahren Streckenabschnitte mit 50 % Steigung.
Referenzen
- Robert W. Bermudes, Jr.: Cog Railway. Abgerufen am 20. Januar 2022 (englisch).
- deg: Neue Lokomotive.
- deg: Neue Lokomotive.
- Technology Articles – The Cog Railway’s first biodiesel engine was featured in the John Deere Power Systems Publication, “Power Source” in 2008.
- deg: Neue Lokomotive.
- Website der Betreibergesellschaft.
Weblinks
- Website der Mount Washington Cog Railway
- Winterbetrieb (Memento vom 17. September 2004 im Internet Archive)
- Willkommen an Bord... (zahlreiche Details und Fotos)
- Berg und Bahn (Memento vom 17. Oktober 2007 im Internet Archive)
- Online-Plattform für Historische Wertpapiere mit Geschichte der Mount Washington Cog Railway