Mittelbare Gruppe

Mittelbare Gruppe i​st ein Begriff a​us dem mathematischen Teilgebiet d​er harmonischen Analyse. Es handelt s​ich dabei u​m lokalkompakte Gruppen, a​uf denen e​ine gewisse Mittelungsfunktion, e​in sogenanntes Mittel, existiert.

Der Begriff w​urde 1929 d​urch John v​on Neumann eingeführt, d​er bemerkt hatte, d​ass sich d​as Banach-Tarski-Paradoxon a​us der Unmöglichkeit e​ines Mittels a​uf nichtabelschen freien Gruppen erklären lässt. In d​er Folge stellte s​ich heraus, d​ass die Mittelbarkeit lokalkompakter Gruppen z​u zahlreichen fundamentalen Eigenschaften a​us der harmonischen Analysis äquivalent ist: d​em Følner-Kriterium, d​er Fixpunkteigenschaft o​der der Bedingung, d​ass die reguläre Darstellung d​ie triviale Darstellung schwach enthält.

Definition

Es sei eine lokalkompakte Gruppe. Auf gibt es bekanntlich ein Haarsches Maß . Unter versteht man den -Raum des Maßraums , d. h. den Vektorraum der beschränkten Funktionen, wobei fast überall übereinstimmende Funktionen identifiziert werden.

Für eine auf definierte Funktion und ein Element sei durch definiert.

Ein stetiges lineares Funktional heißt ein Mittel auf , falls gilt

  • , wobei die 1 auf der linken Seite für die konstante Einsfunktion steht,
  • für alle mit (d. h. für alle ),
  • für alle und .[1]

Die ersten beiden Eigenschaften besagen gerade, dass ein Zustand ist. Die dritte Eigenschaft nennt man auch Linksinvarianz.

Die Gruppe heißt mittelbar, falls es ein Mittel auf gibt.

Beispiele

  • Kompakte Gruppen sind mittelbar, das auf 1 normierte Haarsche Maß ist ein Mittel.
  • Kommutative lokalkompakte Gruppen sind mittelbar. Ein Mittel kann man im nicht-kompakten Fall nicht direkt angeben, der Beweis erfordert einen nicht-konstruktiven Fixpunktsatz.[2]
  • Lokalkompakte auflösbare Gruppen sind mittelbar.
  • Die von zwei Elementen frei erzeugte Gruppe ist das prototypische Beispiel einer nicht-mittelbaren Gruppe.[3]
  • Eine Gruppe mit Eigenschaft T ist genau dann mittelbar, wenn sie kompakt ist.
  • Eine hyperbolische Gruppe ist genau dann mittelbar, wenn sie elementar hyperbolisch, d. h. endlich oder virtuell ist.

Permanenzeigenschaften

  • Abgeschlossene Untergruppen mittelbarer Gruppen sind wieder mittelbar.
  • Ist ein abgeschlossener Normalteiler einer mittelbaren Gruppe , so ist auch die Faktorgruppe mittelbar.
  • Es sei ein abgeschlossener Normalteiler einer lokalkompakten Gruppe und und seien mittelbar, dann ist auch mittelbar.

Bedeutung

Die Darstellungstheorie lokalkompakter Gruppen mittels C*-Algebren ist für mittelbare Gruppen zugänglicher. Bezeichnet die Gruppen-C*-Algebra, die reduzierte Gruppen-C*-Algebra und die linksreguläre Darstellung, so sind nach einem Satz von Andrzej Hulanicki folgende Aussagen über eine lokalkompakte Gruppe äquivalent[4][5]:

  • ist mittelbar.
  • Die linksreguläre Darstellung ist ein Isomorphismus.

Eine Verallgemeinerung dieses Satzes besagt, d​ass das verschränkte Produkt e​iner C*-Algebra u​nd einer lokalkompakten Gruppe m​it der reduzierten Version d​es verschränkten Produktes zusammenfällt.[6]

Gruppen-C*-Algebren mittelbarer Gruppen s​ind nuklear, für diskrete Gruppen g​ilt die Umkehrung.[7]

Bemerkungen

Invariante Maße sind durch John von Neumann[8] eingeführt worden. Eine leicht zugängliche Einführung in die Theorie der mittelbaren Gruppen ist das Buch von Fredrick Greenleaf[9], dort finden sich auch vollständige Beweise obiger Permanenzeigenschaften. Die sogenannte Von-Neumann-Vermutung, nach der jede nicht-mittelbare Gruppe eine zu isomorphe Untergruppe enthält, ist 1980 von Alexander Olschanski widerlegt worden.[10]

Literatur

  • A. Paterson: Amenability. Mathematical Surveys and Monographs, 29. American Mathematical Society, Providence, RI, 1988. ISBN 0-8218-1529-6

Einzelnachweise

  1. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and their Automorphism Groups (= LMS Monographs. Bd. 14). Academic Press, London u. a. 1979, ISBN 0-12-549450-5, 7.3.3.
  2. Kenneth R. Davidson: C*-Algebras by Example (= Fields Institute Monographs. Bd. 6). American Mathematical Society, Providence RI 1996, ISBN 0-8218-0599-1, Korollar VII.2.2.
  3. Kenneth R. Davidson: C*-Algebras by Example (= Fields Institute Monographs. Bd. 6). American Mathematical Society, Providence RI 1996, ISBN 0-8218-0599-1, Beispiel VII.2.4.
  4. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and their Automorphism Groups (= LMS Monographs. Bd. 14). Academic Press, London u. a. 1979, ISBN 0-12-549450-5, Theorem 7.3.9.
  5. Andrzej Hulanicki: Means and Følner conditions on locally compact groups. In: Studia Mathematica. Bd. 27, Nr. 2, 1966, S. 87–104, online.
  6. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and their Automorphism Groups (= LMS Monographs. Bd. 14). Academic Press, London u. a. 1979, ISBN 0-12-549450-5, Theorem 7.7.7.
  7. Christopher Lance: On Nuclear C*-Algebras. In: Journal of Functional Analysis. Bd. 12, Nr. 2, 1973, S. 157–176, doi:10.1016/0022-1236(73)90021-9, Theorem 4.2.
  8. John von Neumann: Zur allgemeinen Theorie des Masses. In: Fundamenta Mathematicae. Bd. 13, 1929, S. 73–116, online; Zusatz zur Arbeit „Zur allgemeinen Theorie des Masses“. Bd. 13, 1929, S. 333, online.
  9. Fredrick P. Greenleaf: Invariant Means on Topological Groups and their Applications (= Van Nostrand Mathematical Studies. Bd. 16, ZDB-ID 793375-7). Van Nostrand Reinhold, New York u. a. 1969, ISBN 0-442-02857-1.
  10. Александр Ю. Ольшанский: К Вопросу о Существовании инвариантного Среднего на Группе. In: Успехи Математических Наук. Bd. 35, Nr. 4 = 214, 1980, ISSN 0042-1316, S. 199–200, online, (Über Fragen zur Existenz invarianter Mittel auf einer Gruppe.).
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