Misteln
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Weißbeerige Mistel (Viscum album) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Viscum | ||||||||||||
L. |
Die Misteln (Viscum) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae).[1]
Beschreibung und Ökologie
Vegetative Merkmale
Mistel-Arten sind immergrüne Halbschmarotzer, die auf Bäumen oder Sträuchern wachsen. Ihre bis zu etwa 20 Zentimeter langen Zweige verzweigen meist gegabelt weiter. Blätter erscheinen paarig oder in Wirteln. Bei einigen Arten, die ihre Nährstoffe vorwiegend von ihren Wirten beziehen, sind die grünen, zur Photosynthese fähigen Teile (Blätter, grüne Äste) sehr klein. Arten, die auf sukkulenten Wirten wachsen und so mit ihren Wirten saisonalen Wassermangel ertragen müssen, sind selbst sukkulent. Im Extremfall (bei Viscum minimum) befindet sich mit Ausnahme der Blüten die gesamte Pflanze innerhalb des Wirtes.
Generative Merkmale
Viscum-Arten sind einhäusig (monözisch) oder zweihäusig (diözisch) getrenntgeschlechtig. Die männlichen oder weiblichen Blüten sind unscheinbar, 1 bis 3 Millimeter im Durchmesser und grünlich gelb.
Die anfangs weißen oder gelben Beerenfrüchte färben sich bei Reife manchmal rot. In den Beeren befinden sich meist mehrere, selten nur ein einzelner, Samen.
Ökologie
Die Bestäubung erfolgt durch Insekten.
Eine Besonderheit der Mistel-Früchte und Samen liegt darin, dass keine Samenschale ausgebildet wird. Stattdessen bildet das Mesokarp eine klebrige Schicht aus Cellulose, Hemicellulosen und Pektinen, die als Viscin bezeichnet wird.[2] Die Samen werden von Vögeln verbreitet, die die Früchte fressen. Die klebrigen Samen können sich dabei z. B. an den Schnabel heften und werden später an Zweigen abgestreift oder passieren den Darm und werden mit dem Kot ausgeschieden.[3][4][5] Das Viscin wird nicht vollständig verdaut und sorgt dafür, dass die Samen auch nach der Passage durch den Vogeldarm an Zweigen haften. Für die Keimung der Samen ist das Verschlucken ohne Bedeutung.[6]
Bei der Keimung entsteht unter den winzigen Keimblättern ein „Schlauch“ mit endständiger Scheibe, aus der sich bei Kontakt mit einem geeigneten Wirt auf noch glatter Rinde ein Haustorium entwickelt, durch das der Keimling zu den Leitbahnen der Wirtspflanze vordringen kann.
Systematik und Verbreitung
Die Gattung Viscum wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus I, S. 1023 aufgestellt.[7]
Die Gattung Viscum gehört zur Familie der Santalaceae.[1] In der Literatur findet sich häufig die frühere Einteilung in die eigene Familie der Mistelgewächse (Viscaceae).
Viscum-Arten sind in der Alten Welt in den tropischen, subtropischen und gemäßigten Gebieten verbreitet.[1]
Die Anzahl ihrer anerkannten Arten ist umstritten und beträgt je nach Familien- oder Gattungsabgrenzung zwischen 400 und über 1400.
Es gibt 70[1] bis 130 Arten (Auswahl):
- Weißbeerige Mistel (Viscum album L.): Sie ist in mehreren Subtaxa in Eurasien und Nordafrika verbreitet.[7]
- Viscum articulatum Burm. f.: Sie kommt in Süd- und Südostasien, in China und Australien vor;[1] wächst auch parasitisch auf dem Parasiten Dendrophthoe.
- Viscum capitellatum Sm.: Sie wächst parasitisch auf den Parasiten Loranthus sowie auf anderen Viscum-Arten.
- Viscum coloratum (Kom.) Nakai: Sie wurde früher als Unterart Viscum album angesehen und in Ostasien (China, Korea, Japan und Ostrussland) verbreitet.[1]
- Viscum crassulae Eckl. & Zeyh.: sukkulente Art, die auf sukkulenten Crassula-Arten wächst.
- Rotfrüchtige Mistel (Viscum cruciatum Boiss.): Sie besitzt ein disjunktes Areal zum einen auf der Iberischen Halbinsel sowie Marokko zum anderen in Israel, Jordanien, Libanon sowie Syrien.[7] Als Neophyt kommt sie in Italien vor.[7]
- Viscum cuneifolium Baker: Sie kommt in Madagaskar vor.
- Viscum loranthi Elmer: kommt in Indien, Nepal, Indonesien, auf den Philippinen und in China (Yunnan) vor[1] und wächst parasitisch auf dem Parasiten Scurrula.
- Zwergmistel (Viscum minimum Harv.): Sie ist die kleinste Viscum-Art und ist bis auf Blüten und Früchte vollkommen endoparasitisch verborgen in sukkulenten Euphorbia-Arten.
- Viscum monoicum Roxb. ex DC.: Sie kommt in Indien, Bangladesch, Bhutan, Sikkim, Myanmar, Sri Lanka, Thailand, Vietnam und China (Guangxi, Yunnan) vor[1] und wird häufig von den eigenen Sämlingen parasitisch befallen.
- Viscum nudum Danser: Sie gedeiht in Wäldern an Berghängen in Höhenlagen von 2000 bis 3800 Metern in den chinesischen Provinzen westliches Guizhou, Sichuan sowie Yunnan.[1] Wirtspflanzen sind Corylus ferox, Platycarya strobilacea, Prunus persica, Pyrus pashia, Quercus schottkyana und Betula-, Populus- sowie Salix-Arten.[1] In China wird sie als Heilpflanze verwendet.[1]
- Viscum orientale Willd.: in Asien verbreitete Art.
- Viscum ovalifolium DC.: kommt in Indien, Bhutan, Indonesien, Malaysia, Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand, Vietnam, in China und auf den Philippinen vor;[1]
- Viscum rotundifolium L. f.: kommt in Südafrika vor.
- Viscum triflorum DC.
- Viscum yunnanense H.S.Kiu: Dieser Endemit gedeiht in Wälder an Berghängen in Höhenlagen von 900 bis 1000 Metern nur in Mengla in Yunnan.[1]
Etymologie
Das Name Mistel (mhd. mistel, ahd. mistil) ist mit Mist (ahd. mist) verwandt. Mistelsamen werden von Vögeln gefressen und gelangen mit ihren Ausscheidungen („Vogelmist“) wieder auf die Bäume.[8] Zugrunde liegt eine urgermanische Wurzel „mihst“ (‚Mist; Harn, Kot, Dünger‘), deutbar auch als ‚(klebrige) Ausschwitzung bzw. krankhafter Auswuchs‘ (‚Saft, Pflanzenschleim, Sekretionsstoff‘) auf der Wirtspflanze.[9][10]
Der botanische Gattungsname Viscum ist identisch mit dem lateinischen Wort viscum für „Leim“. Von den Römern wurde aus den klebrigen Beeren Vogelleim hergestellt, der dem Vogelfang diente. Der Begriff Viskosität (Maß für Zähflüssigkeit) geht auf spätlateinisch viscosus „klebrig“ zurück und damit ebenfalls auf viscum, den klebrigen Schleim der Mistelbeeren (Mistelleim).[11]
Kulturgeschichte und Populärkultur
Siehe dazu den Hauptartikel Weißbeerige Mistel (Viscum album), da es dabei immer um diese eine Art geht.
Einzelnachweise
- Huaxing Qiu, Michael G. Gilbert: In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 5: Viscaceae. Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis 2010, ISBN 978-1-930723-91-7. Viscaceae Batsch. S. 240–245, - textgleich online wie gedrucktes Werk.
- Jun-ichi Azuma, Nam-Hun Kim, Laurent Heux, Roger Vuong, Henri Chanzy: The cellulose system in viscin from mistletoe berries. In: Cellulose. 7, S. 3–19, doi:10.1023/A:1009223730317.
- Nierhaus-Wunderwald, Dagmar, Lawrenz, Peter: Zur Biologie der Mistel. In: Merkblatt für die Praxis 28, 1997, S. 1–8. ISSN 1422-2876 Herausgeber: Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Birmensdorf
- Tony Hall, Steve Davis: Viscum album (mistletoe). Royal Botanic Garden Kew, abgerufen am 7. Juni 2015.
- Kahle-Zuber, Doris: Biology and evolution of the European mistletoe (Viscum album) Doktorarbeit, ETH Zürich, Zürich 2008
- Ana Mellado, Regino Zamora: Generalist birds govern the seed dispersal of a parasitic plant with strong recruitment constraints. In: Oecologia. 176, 2014, S. 139–147, doi:10.1007/s00442-014-3013-8.
- P. Uotila, 2011+: Loranthaceae. Viscum Datenblatt In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
- Duden online: Mistel
- Lars Hermodssin: Der Name der Mistel. In: Studia neophilologica 43, 1971, S. 173–179.
- Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (1967), S. 481 f. (Mist und Mistel).
- Vgl. Duden online: viskos
Weiterführende Literatur
- Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993.
- H. S. Heide-Jorgensen: Parasitic Flowering Plants. Brill Academic Publishers, 2008, ISBN 978-90-04-16750-6.
Weblinks
- heimat-pfalz.de: Die Mistel – eine alte Zauber- und Heilpflanze
- Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfalen Regional, Wilfried Stichmann, Ursula Stichmann-Marny, lwl.org: Mistellandschaften zwischen Lippe und Haarstrang