Michail Petrowitsch Arzybaschew
Michail Petrowitsch Arzybaschew (russisch Михаил Петрович Арцыбашев; * 24. Oktoberjul. / 5. November 1878greg. in Dubroslawowka bei Ochtyrka; † 3. März 1927 in Warschau) war ein russischer Schriftsteller.
Leben
Arzybaschew kam im Gouvernement Charkow auf dem Gebiet der heutigen Ukraine als Sohn eines Provinzbeamten zu Welt. Er wollte zunächst Maler werden, widmete sich aber schließlich der Schriftstellerei und wurde mit seinen psychologischen und zeitkritischen Romanen, Novellen, Dramen und Revolutionsschilderungen als bedeutender jungrussischer Autor gefeiert. Sein bekanntester Roman Sanin erregte wegen seines gesellschaftliche Konventionen ignorierenden Titelhelden und Schilderungen freier Liebe bei seinem Erscheinen 1907 großes Aufsehen und wurde in vielen Ländern verboten (zeitweilig auch in Deutschland). Seine späteren Werke sind charakterisiert durch Pessimismus, Nihilismus und erotische Frustration. Im Gegensatz zu Sanin finden sie fast nur noch als Zeitdokumente Beachtung.
1920 musste sich Arzybaschew wegen Devisenschmuggels vor Gericht verantworten. Trotz eines Freispruchs wurde er vom Gericht als der „typische herabgekommene russische Intelligenzler“ charakterisiert, „der durch die ihm geistesfremde proletarische Revolution aus dem Geleise geschleudert“ worden sei.[1] Vorübergehend wurden ihm die Tantiemen aus seinen Veröffentlichungen und der Aufführung seiner Werke vorenthalten, 1923 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand infolge einer langjährigen Tuberkuloseerkrankung und er erblindete.[2]
1923 emigrierte er aus der Sowjetunion nach Polen, wo er eine regimekritische Zeitung herausgab. Er sandte dem Lausanner Gericht, das gegen den des Mordes am sowjetischen Diplomaten Wazlaw Worowski angeklagten Moritz Conradi ("Conradi-Affäre") verhandelte, eine Stellungnahme, in der er die Verhältnisse in der Sowjetunion als bolschewistischen Terror charakterisierte.[3]
Seine Werke und die seiner literarischen Nachfolger wurden von Sowjetkritikern als saninstwo and arzybaschewtschina verfemt und daher in Nachschlagewerken oder Darstellungen der russischen Literatur nur am Rande abgehandelt.
Michail Arzybaschew ist der Vater von Boris Artzybasheff (* 1899, † 1965), der in die Vereinigten Staaten emigrierte und dort als Illustrator (u. a. für Time, Life und Fortune) berühmt wurde.
Werke (chronologisch nach Erscheinen)
- Ssanin. Berlin: Schreiter, [1907]
- Erinnerungen eines alten Staatsanwalts und andere Erzählungen. Ins Deutsche übertr. v. M. Flor und H. Kurz. Frankfurt: Volksstimme, [1909]
- Millionen. Der Tod des Iwan Lande. Zwei Novellen. Einzig berechtigte Übertragung von André Villard und S. Bugow. München u. Leipzig: Georg Müller, 1909
- Revolutionsgeschichten. Autorisierte dt. Übertragung von S. Bugow u. André Villard. Mit e. Einl. von André Villard, e. autobiograph. Skizze u. e. Portr. von M. Artzibaschew. München u. a.: Georg Müller, 1909
- Schuster Anton. Leipzig: Reclam, 1909
- Arbeiter Schewyrjow und andere Novellen. [Russ.: Rabočij Ševyrev] Deutsch von Friedrich Krantz. Berlin: Bondy, 1910
- Aufruhr und andere Novellen. Einzig berecht. Übertr. von André Villard. München [u. a.]: Georg Müller, 1910
- Das Weib und andere Novellen. Deutsch von Adolf Hess. Berlin: Steinitz, [1910]
- Die Menschenwelle. Roman eines russischen Barrikadenkämpfers. Ins Deutsche übertragen von Heinz Kurz. Berlin [u. a.]: Schweizer & Co, [1910]
- Morgenschatten und andere Novellen. [Russ.: Teni Utra] Deutsch von Adolf Hess. Berlin: Steinitz, [1910]
- Am letzten Punkt. 1. Roman. Einzige berechtigte Übertragung aus dem Manuskript von André Villard und A. Kaprolow. München u. Leipzig, 1911
- Der Dämon. München, Leipzig: Hans Sachs-Verlag. G. Haist, 1911
- Am letzten Punkt. 2. Roman. Einzige berechtigte Übertragung aus dem Manuskript von André Villard und A. Kaprolow. München u. Leipzig, 1913
- Eifersucht. Drama in fünf Akten. Einzige, berechtigte und autorisierte Übertragung aus d. Russischen von Eduard Schiemann. München, Berlin: Georg Müller, 1914
- Der Holzklotz und andere Novellen. Übertr. von Eduard Schiemann. München & Leipzig: Georg Müller, 1914
- Der blutige Fleck. Übertragen von C. K. Roellinghoff. Berlin: H. S. Hermann, 1920
- Sturmflut (Die Menschenwelle). Roman eines russischen Barrikadenkämpfers. Berlin [u. a.]: Schweizer & Co, [ca. 1920]
- Familie Wilde. [Russ.: Dikie] München: Georg Müller, 1923
- Gesetz des Wilden. [Russ.: Zakon dikarja] Drama in fünf Akten und sechs Bildern. München: Georg Müller, 1923
- Pascha Tumanow. [Russ.: Paša Tumanov] Neu übers. unter dem Eindruck des Geschehens vom 19. April 2002 am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt u. hrsg. von Werner Engel. Nürnberg, 2003
Literatur (über den Autor)
- Е. Агафонов.Воспоминания о М.П. Арцыбашеве (1927)
- Д.В.Философов.Речь, произнесенная 7 мая 1927 года на вечере памяти М.П. Арцыбашева (1927)
- Тимофей Прокопов. Жизни и смерти Михаила Арцыбашева (1994)
- Иллюстрации/приложения: 3 шт.
- Петр Пильский.М.Арцыбашев (1927)
- М.Н.Николаев. Особенности творчества М.П.Арцыбашева (1994)
Weblinks
- Literatur von und über Michail Petrowitsch Arzybaschew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Michail Petrowitsch Arzybaschew im Projekt Gutenberg-DE
- Artikel in der Encyclopædia Britannica (engl.)
- Artikel auf online-literature.com (engl.)
- Werke im Volltext in russischer Sprache
- Artikel Michail Petrowitsch Arzybaschew in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)
- Angelika Hechtl: Sanin $ells! Zur Rezeption von Michail Arcybaševs Roman „Sanin“. Diplomarbeit. Universität Wien 2013. doi:10.25365/thesis.28134.
Einzelnachweise
- Valuta-Geschäfte eines Dichters, Salzburger Volksblatt, 2. Juli 1920, S. 3
- Michail Arzybaschew hungert nicht, Neues Wiener Journal, 5. Juli 1923, S. 9
- Das blutige Rußland. Eine Anklageschrift Arzybaschews, Neues Wiener Journal, 27. Dezember 1923, S. 5