Max Taut
Max Taut (* 15. Mai 1884 in Königsberg; † 26. Februar 1967 in Berlin) war ein deutscher Architekt, der zusammen mit seinem Bruder Bruno Taut und Franz Hoffmann ein Architekturbüro in Berlin unterhielt.
Leben
Familie
Max Taut war der jüngste von drei Söhnen von Julius Josef Taut (1844–1907), Kaufmann und Auguste Henriette Bertha Taut geb. Müller (1858–1933). Er heiratete 1914 Margarete Wollgast (1880–1975), die Tochter des Gastwirts und Schmiedes aus Chorin. Die Ehe dauerte bis zu Max’ Tod, blieb aber kinderlos. Da Max’ älterer Bruder Bruno Taut die ältere Schwester von Margarete, Hedwig Wollgast, heiratete, waren die Brüder gleichzeitig Schwippschwager.
Max Taut wurde auf dem Klosterfriedhof Chorin in der Gemeinde Chorin bei Eberswalde beerdigt.
Erste Bauten nach der Ausbildung
Max Taut trat 1912 als Dritter in die 1909 gegründete Architektensozietät Taut & Hoffmann ein. Er wurde besonders in den 1920er-Jahren durch seine sachlichen Bürobauten für die Gewerkschaften bekannt. Er war Mitglied der Gläsernen Kette, der Novembergruppe und der avantgardistischen Architektenvereinigung des Zehnerrings. Max Taut war ein gern gesehener Gast auf der Insel Hiddensee und konnte zwischen 1922 und 1925 vier Häuser entwerfen und bauen. Darunter ein 1923 gebautes rundes, das 1929 von der Schauspielerin Asta Nielsen gekauft und „Karusel“ genannt wurde.[1] Keines der Häuser ist mit einem der anderen vergleichbar, aber alle sind in die Landschaft integriert. Das Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker (1924–1926) in der Berliner Dudenstraße und das Warenhaus der Konsumgenossenschaften (1930–1933) am Oranienplatz gehören zu seinen wichtigsten Werken, die in der Berliner Denkmalliste enthalten sind.[2][3]
1927 wurde ein Wettbewerb für den Neubau eines Schulkomplexes an der Schlichtallee/Fischerstraße in Berlin-Rummelsburg ausgeschrieben, an dem sich Hans Scharoun, Heinz Stoffregen, Max Taut und Peter Jürgensen beteiligten. Die Pläne von Taut wurden in den Folgejahren als Pilotprojekt einer Großschule[4] umgesetzt. Der Großteil des Schulkomplexes, der zu den größten Schulneubauten der Weimarer Republik zählt, wurde 1932 fertiggestellt. 1933 wurde Max Taut aus politischen Gründen – ebenso wie sein Bruder Bruno – von der Beteiligung an allen öffentlichen Bauvorhaben ausgeschlossen und siedelte nach Chorin über.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg begründete Taut 1945 gemeinsam mit Wilhelm Büning an der damaligen Hochschule der Künste (seit 2001 Universität der Künste Berlin) eine neue Architekturschule. Im Jahr 1946 wurde das Architekturbüro Taut & Hoffmann in Berlin-Charlottenburg, jedoch ohne Bruno Taut, wiedergegründet. Zu Max Tauts Nachkriegswerken gehören u. a. der Umbau der Mendelssohn-Remise in Berlin-Mitte (1948), die Reutersiedlung (1948–1952) in Bonn, das Ludwig-Georgs-Gymnasium (1951–1955) in Darmstadt. Taut war zudem Mitglied im 1949 gegründeten, sechsköpfigen Architekturausschuß für den Aufbau der Bundeshauptstadt Bonn. (Die weiteren Mitglieder waren Eugen Blanck, Konrad Rühl, Otto Ernst Schweizer, Hans Schwippert und Robert Vorhoelzer).[5] 1964 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.[6]
Neues Bauen
Die Idee des Neuen Bauens bestand vor allem darin, Architektur in ihrer Funktionalität sichtbar zu machen. Das bedeutete für Max Taut insbesondere, die Konstruktionsweise eines größeren Gebäudes durch das Zeigen und die auf der Fassade nicht kaschierte Rahmenkonstruktion. Für die innenarchitektonische Veränderung sorgte vor allem die Betonung der bis dahin als wenig gestaltungsfähig betrachteten Räume, wie den Speisekammern, Abseiten oder Liftschächten. Gerade in kleinen Wohnungen und Mehrfamilienhäusern wurden sie im Verhältnis zu den Treppenhäusern, die bereits im abgelösten Architekturdogma des Jugendstil schon betont wurden, weiter zur Geltung gebracht. Auch das bis dahin vornehmen Villen vorbehaltene Auflösen des streng rechtswinkeligen Bauens beim Städtebau wurde als Demokratisierung der Architektur und Neue Urbanität verstanden.[7] In den Romanen der Neuen Sachlichkeit wird dieser neue Baustil für die Protagonisten als identitätsstiftend benannt.[8] Die von Max Taut, wagemutiger jedoch bei seinem Bruder Bruno, gepflegte Vorliebe für Heterotopien als der Suche nach räumlichen Alternativen ist die nachhaltigste Wirkung des Taut'schen Baustils.[9]
Werke (Auswahl)
Bauten
- Konfessionelle Knabenschule und Kinderheim in Finsterwalde (1913)
- Kalksteinstele der Grabstätte von Erwin Reibedanz (1878–1919) auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin-Kreuzberg, Bergmannstraße (1919)
- Haus Müller (Bauherr) später 'Karusel' auf der Insel Hiddensee (1922–1923)
- Bundeshaus des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin-Mitte, Wallstraße (1922–1923)
- Zwei Häuser in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart (1927)
- Ehemaliges Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker in Berlin-Kreuzberg, Dudenstraße (1924–1926)[10][11]
- Oberlyzeum Dorotheenschule in Berlin-Köpenick, Oberspreestraße (1928–1929), heute (Stand 2015) Alexander-von-Humboldt-Gymnasium
- Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main (1929–1931)
- Schulkomplex in Berlin-Rummelsburg, Schlichtallee/Fischerstraße (1929–1932), heute (Stand 2020) Oberstufenzentrum Max-Taut-Schule
- Warenhaus der Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend (1929–1932) in Berlin-Kreuzberg, Oranienplatz
- Reichsknappschaftshaus am Breitenbachplatz in Berlin-Wilmersdorf, Rüdesheimer Straße (1930), im Bauhaus-Stil errichtetes Gebäude in Stahlskelettbauweise, Fassade mit Keramikplatten verkleidet, heute (Stand 2015) Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin
- Berufsschule in der Calauer Straße in Senftenberg (1932/1933)[12]
- Mendelssohn-Remise in Berlin-Mitte, Jägerstraße (1948)
- Reutersiedlung in Bonn (1949–1952)
- Ludwig-Georgs-Gymnasium (1952–1955) in Darmstadt
- Goethe-Gymnasium in Nauen
- Wohnhaus Methfesselstr. 45 und 49 in Berlin-Kreuzberg (1954–1955)[13]
- Wohnhaus Interbau 1957 in Berlin-Tiergarten (1957)[13]
- Zinkhüttensiedlung in Duisburg (1957–1963)[14]
- Umbau des Jagdschlosses Glienicke in Berlin-Wannsee, Königstraße (1963/64), bei dem in die beiden unteren Geschosse ein Glaserker eingefügt wurde
- Hauptkinderheim in Berlin-Kreuzberg, Ritterstraße (1964–67), Ausführung durch Fritz Bornemann und Hermann Mattern, heute (Stand 2015) Waldorfschule Kreuzberg
Schriften
- Max Taut: Bauten und Pläne. Berlin 1927 (Nachdruck), Gebr. Mann Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-7861-1866-3.
- Max Taut: Neues Bauen in Deutschland. In: Deutsche Zeitgenössische Architektur Bildende Kunst und Architektur. Zagreb 1931.
- Max Taut: Berlin im Aufbau. Berlin 1946.
Literatur
- Alfred Kuhn: Max Taut – Bauten. Berlin 1932.
- Peter Pfankuch (Hrsg.): Max Taut. Ausstellungskatalog, mit Texten von Julius Posener. ADK Berlin 1964.
- Achim Wendschuh; Ursula Reich (Hrsg.): Max Taut – Zeichnungen, Bauten. Ausstellungskatalog. ADK Berlin 1984.
- Christoph Fischer: Frühlicht in Beton. Das Erbbegräbnis Wissinger von Max Taut und Otto Freundlich in Stahnsdorf. Geschichte und Hintergründe der Entstehung, Dokumentation der Restaurierung 1987/88. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-7861-1574-5.
- Christine Hoh-Slodczyk: Max-Taut-Schule Lichtenberg. Bezirksamt Lichtenberg, Abt. Bau- und Wohnungswesen – Hochbauamt, Berlin 1997.
- Heinz Deutschland: Max Taut. Architekt und Lehrer (1884–1967). Hochschule der Künste, Berlin 1999.
- Annette Menting: Max Taut. Das Gesamtwerk. DVA, München 2003, ISBN 3-421-03440-0.
- Ulrike Seeger: Max Tauts expressionistische Sommerhäuser auf Hiddensee, dem "geistigste[n] aller deutschen Seebäder. In: Architectura. Bd. 41, Nr. 2, 2011, S. 159–194.
- Unda Hörner: Die Architekten Bruno und Max Taut. Zwei Brüder – zwei Lebenswege. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-7861-2662-1.
- Annette Menting: Taut, Max. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 817 f. (Digitalisat)..
- Pepper Stetler: Reading Max Taut. Bauten und Pläne. In: The journal of architecture. Bd. 20, Nr. 4, 2015, S. 648–674.
- Roland Günter: Eine dramatische Rettung. Das Max-Taut-Quartier im Duisburger Norden. In: ISG-Magazin. Nr. 3, 2016, S. 10–14.
- Michael Hammermeister: Max Taut auf Hiddensee. Die einzigen Taut-Bauten in Pommern – Kunstwerke aus den 20ern. In: Die Pommersche Zeitung. Jahrg. 66, Folge 50 vom 17. Dezember 2016, S. 16.
- Deutscher Werkbund Berlin (Hrsg.): Taut Baut. Geschichten zur Architektur von Max Taut. Mit Fotografien von Stefan Müller, Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2017.
Weblinks
Einzelnachweise
- Asta Nielsen Haus auf Hiddensee
- Baudenkmal Haus der Buchdrucker
- Baudenkmal Konsum-Warenhaus
- Christine Hoh-Slodcyk: Max-Taut-Schule Lichtenberg. Nicolai, Berlin 1997, S. 11–40.
- Kerstin Kähling; Stadt Bonn, Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek (Hrsg.): Aufgelockert und gegliedert: Städte- und Siedlungsbau der fünfziger und frühen sechziger Jahre in der provisorischen Bundeshauptstadt Bonn. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn. Bd. 63). Bonn 2004, ISBN 3-922832-34-2, S. 71.
- Im Schatten des Bruders: Wie Bruno war auch Max Taut ein bedeutender Architekt – zeigt der Schulkomplex am Nöldnerplatz. In: Berliner Woche. 20. Juni 2020.
- Jürgen Hasse: Was Räume mit uns machen - und wir mit ihnen. Kritische Phänomenologie des Raumes. Verlag Karl Alber, Freiburg/Breisgau 2016, ISBN 978-3-495-48638-2.
- Ines Laufer: Poetik des Privatraums. Der architektonische Wohndiskurs in den Romanen der Neuen Sachlichkeit. Transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8394-1498-9.
- Stanislaus von Moos (Hrsg.): Wohnkollektiv, Hospiz und Dampfer. Technische Universität München, München 1999.
- Kurzinformation zum Buchdruckerhaus beim heutigen Nutzer
- Abb. in: Walter Müller-Wulckow: Deutsche Baukunst der Gegenwart. Wohnbauten und Siedlungen. Königstein i.T., Langewiesche 1929, S. 85.
- Historische Streifzüge - Denkmale der Stadt Senftenberg
- Ulrike Eichhorn: Taut & Hoffmann in Berlin. Edition Eichhorn, Berlin 2014, ISBN 978-3-8442-8120-0.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Juli 2012; Beschreibung beim LV Rheinland