Martin Wagener (Politikwissenschaftler)
Martin Wagener (* 20. Oktober 1970 in Lüneburg) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und seit Oktober 2012 Professor für Internationale Politik, Sicherheitspolitik und Ostasien am Fachbereich Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.[1] Er lehrt am Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung[2] in Berlin.
Leben
Wagener machte 1990 Abitur am Johanneum Lüneburg. Zum Wintersemester 1991 begann er an der Georg-August-Universität Göttingen ein Magister-Studium der Fächer Politikwissenschaft, Völkerrecht und Geschichtswissenschaft, das er 1997 abschloss. Anschließend war er ein Jahr als Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Spezialforschung der Universität Göttingen tätig. 1999 erhielt er zwei Jahre ein Promotions-Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung. 2001 wechselte er auf eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier; 2006 wurde er dort Lehrbeauftragter, und vertrat – noch vor Abschluss seiner Promotion – die Juniorprofessur von Sebastian Harnisch, der an die Universität Heidelberg gewechselt war.
2008 wurde Wagener mit seiner Dissertation über den machtpolitischen Aufstieg Chinas in Südostasien als sicherheitsstrategische Herausforderung der Vereinigten Staaten promoviert. Anschließend war er ein weiteres Jahr als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Trier beschäftigt, bevor er zum Wintersemester 2009 die Juniorprofessur antreten konnte.
Wagener ist Verantwortlicher für das Modul Regionale Sicherheit 1 im Studiengang Master in Intelligence and Security Studies an der Universität der Bundeswehr München.[3]
Kontroversen
Im August 2018 veröffentlichte Wagener im Selbstverlag das Buch Deutschlands unsichere Grenze: Plädoyer für einen neuen Schutzwall. Aufgrund von Wageners Aussagen ließ der Bundesnachrichtendienst (BND) das Buch durch einen externen Gutachter überprüfen, was in größerem Ausmaß öffentliche Aufmerksamkeit hervorrief.[4] Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass kein Dienstvergehen festzustellen sei.[5] Der BND äußerte sich nicht zum Ergebnis der Untersuchung. Im März 2019 kündigte Wagener u. a. wegen Rufschädigung rechtliche Schritte gegen seinen Arbeitgeber an.[6]
Sein 2021 vom Olzog Verlag verlegtes Buch Kulturkampf um das Volk: Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen wurde vom Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber im sozialdemokratischen Blick nach Rechts unter der Überschrift „Ein Gespräch mit Martin Sellner“ – Interview mit dem Identitären als Selbstdarstellung[7] sowie im Humanistischen Pressedienst unter der Überschrift Absonderliche Deutungen zur „Ersetzung der deutschen Kulturnation“[8] kritisch besprochen. Vermutlich aufgrund dieses Buches wurde die Sicherheitseinstufung Wageners herabgesetzt und er erhielt am 25. Oktober 2021 „ein Zutrittsverbot zum Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung auf dem Gelände der BND-Zentrale in Berlin“.[9] Zuvor hatte sich bereits der Fachbereichsrat des Fachbereichs Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes, dem Wagener angehört, in einer Stellungnahme von seinen Meinungsäußerungen distanziert und Methodenkritik geübt.[10] Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit äußerte am 12. November 2021 angesichts des Vorgehens gegen Wagener „gewisse Sorge“. Der Eingriff in die Freiheit der Lehre dürfe nicht auf wissenschaftliche Kritik an der Behörde allein, wie sie jüngst von Wagener geäußert worden sei, gestützt werden.[11] Martin van Creveld, der von Wagener 2011 an der Universität Trier nach umstrittenen Aussagen verteidigt worden war[12], lobte in einer Rezension das Buch Wageners und verteidigte ihn nun seinerseits gegen Vorwürfe.[13]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Hegemonialer Wandel in Südostasien? Der machtpolitische Aufstieg Chinas als sicherheitsstrategische Herausforderung der USA. Trier 2009 (martin-wagener.org [PDF] zugl. Dissertation, Universität Trier 2008).
- mit Hanns W. Maull (Hrsg.): Ostasien in der Globalisierung. Baden-Baden 2009.
- Deutschlands unsichere Grenze: Plädoyer für einen neuen Schutzwall. München: CreateSpace Independent Publishing Platform (Selbstverlag), 2018. ISBN 978-1724782403
- Kulturkampf um das Volk: Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen. Reinbek: Olzog, 2021. ISBN 978-3-95768-228-4
- Aufsätze
- Lessons from Preah Vihear: Thailand, Cambodia, and the Nature of Low-Intensity Border Conflicts. In: Journal of Current Southeast Asian Affairs. Nr. 3, 2011, S. 27–59 (sub.uni-hamburg.de).
- Nicht auf Augenhöhe. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. Dezember 2013.
- Die Macht des Faktischen. Warum Ostasien Donald Trump zu einer realistischen Sicherheitspolitik zwingen wird, Süddeutsche Zeitung, 7. Februar 2017, Seite 2
- Der Bundesverfassungsschutz lässt sich politisch instrumentalisieren, in Neue Zürcher Zeitung. 19. August 2021.
Weblinks
Einzelnachweise
- Lehrende am Fachbereich Nachrichtendienste: Prof. Dr. Martin Wagener. In: hsbund.de. Abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Silvio Duwe, Markus Pohl: Was an Hochschulen alles gesagt werden kann: Von wegen Meinungsfreiheit in Gefahr. In: Kontraste. 14. November 2019, abgerufen am 1. November 2020 (wiedergegeben auf rbb.de).
- Modulhandbuch des Studiengangs Intelligence and Security Studies (Master of Arts) an der Universität der Bundeswehr München (Version 2020). UniBw München, 25. März 2020, abgerufen am 1. November 2020.
- Schutzwall-These: BND prüft Rechtsextremismus-Verdacht bei Ausbilder. In: welt.de. 8. September 2018, abgerufen am 27. März 2019.
David Ruch: Rechtsextremismusverdacht bei BND-Ausbilder. In: t-online. 8. September 2018, abgerufen am 28. Oktober 2021.
BND-Ausbilder fordert „Schutzwall“ für Deutschland – Geheimdienst prüft Maßnahmen. In: Münchner Merkur. 7. September 2018, abgerufen am 28. Oktober 2021. - Roman Lehberger: Nach Rechtsextremismus-Verdacht: Umstrittener BND-Ausbilder darf weiter lehren. In: Spiegel Online. 15. März 2019, abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Ralf Schuler: Nach Vorwurf von Rechtsextremismus: Geheimdienst-Professor geht gegen BND vor. In: Bild.de. 16. März 2019, abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Armin Pfahl-Traughber: „Ein Gespräch mit Martin Sellner“ - Interview mit dem Identitären als Selbstdarstellung. In: bnr.de. 2. August 2021, archiviert vom Original am 9. August 2021; abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Armin Pfahl-Traughber: Absonderliche Deutungen zur „Ersetzung der deutschen Kulturnation“. In: hpd.de. 9. August 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Wolf Wiedmann-Schmidt: Extremismusverdacht: BND-Ausbilder erhält Hausverbot. In: Spiegel Online. 28. Oktober 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.
- Fachbereich Nachrichtendienste: Stellungnahme des Fachbereichsrats des Fachbereichs Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung zu Publikationen von Herrn Prof. Dr. Martin Wagener. Abgerufen am 4. November 2021.
- Pressemitteilung vom 12.11.2021 "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit zur Causa Verfassungsschutz / Martin Wagener". In: netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de. 12. November 2021, abgerufen am 14. November 2021 (deutsch).
- Süddeutsche Zeitung: "Viele Frauen genießen es, wenn Männer sich abschlachten". Abgerufen am 23. Februar 2022.
- Warum die Vorwürfe gegen Martin Wagener haltlos sind von Martin van Creveld, in: Die junge Freiheit, vom 16. November 2021.