Abendmahlsgottesdienst
Ein Abendmahlsgottesdienst – auch Gottesdienst mit Abendmahl oder Sakramentsgottesdienst – ist eine der Grundformen des sonntäglichen Gottesdienstes in den evangelischen Kirchen, neben dem Predigtgottesdienst. Zu seinen zentralen Handlungen gehört das gemeinsame Abendmahl (die Eucharistie) der Gemeinde. In Abgrenzung zum Predigtgottesdienst wird er auch als Messtyp bezeichnet.
Theologische Grundlage
Der Überlieferung nach befolgten die Jünger schon kurz nach dem Tod und der Auferstehung Jesu die Anweisung Jesu, der nach biblischem Zeugnis bei seinem letzten Mahl seinen Jüngern gesagt hat: „Das tut zu meinem Gedächtnis.“ (1 Kor 11,24–25 ) Zunächst wurden nach einem Sättigungsmahl, dem Vorbild Jesu entsprechend, die Segensworte über Brot und Wein gesprochen. Bald wurden diese vom Mahl getrennt – welches sich als Agape verselbständigte – und mit dem sonntäglichen Gebetsgottesdienst am Morgen vereinigt.
Das Abendmahl ist für die Mehrheit der protestantischen Kirchen neben der Taufe ein Sakrament, „Zeichen und Zeugnis“ des göttlichen Willens, wodurch der Glaube einerseits geweckt, andererseits auch gestärkt wird. Nur der Glaube kann das Heil im Sakrament ergreifen.
Abendmahl in den lutherischen Kirchen
Im lutherischen Verständnis bedeutet das Abendmahl eine leibliche Realpräsenz von Christi Leib und Blut. Die Gültigkeit des Altarsakramentes hängt weder vom Glauben des Pfarrers noch vom Glauben der Kommunikanten ab. Allein die Worte Christi (Konsekration) über Brot und Wein, durch den ordinierten Pfarrer gesprochen oder gesungen, bewirken die sakramentale Einheit von Brot und Leib Christi, von Wein und Blut Christi. Wer glaubt, wirklich Christi Leib und Blut zu empfangen, empfängt Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit (Martin Luther im Kleinen Katechismus). Der Ungläubige, hier verstanden als derjenige, der nicht glaubt Christi Leib und Blut zu empfangen, nimmt sich das heilige Abendmahl zum Gericht (1 Kor 11,27–29 ). In der Kommunion der Gaben entsteht Gemeinschaft durch Christi Leib und Blut einerseits mit Jesus Christus selbst und andererseits unter den Gläubigen.
Abendmahl in den reformierten Kirchen
Nach reformiertem Verständnis sind die Elemente Symbole, Abbilder und Zeichen für eine geistliche Realpräsenz Christi im Wort und Glauben ohne Wandlung der Elemente. Zum Abendmahl gehört nach reformierten Ritus, dass das Abendmahl „unter beiderlei Gestalt“ (Brot und Wein) von allen anwesenden Gläubigen empfangen wird/werden kann. Die Reformierten wie auch viele evangelische Freikirchen bezeichnen den Abendmahlstisch nicht als Altar und lehnen es ab, Abendmahl am Altar zu feiern, da sie sich vom römisch-katholischen Verständnis des Abendmahls als einem unblutigen Opfer abgrenzen.
Bereits im Marburger Religionsgespräch von 1529 wurde versucht, eine Einigung zwischen lutherischen und reformierten Christen hinsichtlich des Abendmahlsverständnisses zu erreichen. Zwar scheiterte dies, jedoch wurde unter Punkt 15 der Marburger Artikel zumindest der Konsens festgehalten, die Teilnahme am Abendmahl sei eine grundlegende Notwendigkeit und solle stets in beiderlei Gestalt, also mit Brot und Wein, erfolgen. Spätestens seit Beschluss der Leuenberger Konkordie 1973 besteht insoweit Kirchengemeinschaft zwischen den meisten lutherischen, reformierten, unierten und methodistischen Kirchen und verlor der Dissens hinsichtlich des Abendmahlsverständnisses an Bedeutung.
Abendmahl in den evangelischen Freikirchen
In der Mehrzahl der evangelischen Freikirchen (wie z. B. Baptisten, Mennoniten, Freie evangelische Gemeinden und Pfingstgemeinden) wird das Abendmahl als Gedächtnismahl in Erinnerung an Leben und Tod Jesu gefeiert. Das lutherische (und katholische) Verständnis einer Realpräsenz wird ebenso abgelehnt wie die römisch-katholische Transsubstantiationslehre. In vielen Freikirchen wird stattdessen der Gemeinschaftscharakter des Abendmahls betont. Oft werden Brot und Wein untereinander zwischen den Teilnehmenden weitergegeben, eine zentrale vermittelnde Instanz in Person des Pfarrers gibt es nicht. Brot und Wein können insofern von allen Gläubigen ausgeteilt werden. Statt eines Altars gibt es einen Abendmahlstisch. Zum Teil wird das Abendmahl in Freikirchen auch als Brotbrechen bezeichnet. Aus mennonitischer Sicht wird das Abendmahl zudem nicht als Sakrament, sondern als Bundeszeichen verstanden. In einigen Freikirchen (wie den Siebenten-Tags-Adventisten oder den Mennoniten) kann oder soll vor dem Abendmahl eine Fußwaschung stattfinden.
Ablauf des Abendmahlsgottesdienstes
In den meisten evangelischen Freikirchen ist der Ablauf eines Abendmahlsgottesdienstes nicht festgelegt. Dort ist es den einzelnen Gemeinden überlassen, den Ablauf selbst zu bestimmen, anders als zum Beispiel in den Landeskirchen der EKD. Dort besteht der Abendmahlsgottesdienst traditionell aus vier Teilen:
- Eröffnung und Anrufung
- Verkündigung und Bekenntnis mit Bibellesung, Predigt, Glaubensbekenntnis und Fürbitten
- Die Feier des Abendmahls mit Einsetzungsworten und Austeilung von Brot und Wein
- Sendung und Segen
Dem Ablauf liegt die Grundstruktur der vorreformatorischen, bis in die Alte Kirche zurückreichenden Messe zugrunde.[1] Die Feier des Abendmahles war früher je nach Tradition und konfessioneller Prägung unterschiedlich häufig üblich. Jedoch war die Ansicht weit verbreitet, wenigstens am Karfreitag solle es eingenommen werden. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit seiner Feier vor allem in lutherischen und auch unierten Gemeinden zugenommen.
Entfällt das Abendmahl, handelt es sich um einen Predigtgottesdienst. Daneben sind etwa auch sogenannte Familiengottesdienste ohne Abendmahl und mit vereinfachter Liturgie möglich.
In der Evangelischen Kirche der Union und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands hat der Abendmahlsgottesdienst, gemäß dem Evangelischen Gottesdienstbuch von 1999 (Grundform I), heute in der Regel folgenden Ablauf:
Teil A: Eröffnung und Anrufung
- Glockengeläut
- Musik zum Eingang (Orgel)
- Votum und Gruß
- Vorbereitungsgebet
- Lied und/oder Psalm, Ehre sei dem Vater
- Kyrie, auch mit Vorspruch oder Bußgebet
- Ehre sei Gott, häufig als Lied Allein Gott in der Höh sei Ehr
- Tagesgebet
Teil B: Verkündigung und Bekenntnis
- Schriftlesungen und Gesänge
- Lesung aus dem Alten Testament, Antwortgesang
- Epistel, Halleluja mit Vers oder Wochenlied
- Evangelium
- Glaubensbekenntnis (oder nach der Predigt)
- Lied
- Predigt, evtl. mit abschließendem Gebet, Offener Schuld oder Kanzelsegen
- Lied
- Glaubensbekenntnis (wenn nicht nach dem Evangelium)
- Dankopfer (Kollekte) mit Lied (evtl. auch nach den Fürbitten)
- evtl. Gebet
- Abkündigungen
- Fürbittengebet
Teil C: Abendmahl
- Vorbereitung der Gaben von Brot und Wein, Gebet
- Einsetzungsworte mit Großem Lobgebet (Eucharistiegebet)
- Lobgebet (Präfation)
- Dreimalheilig (Sanctus)
- Abendmahlsgebet I (Epiklese, Bitte um den Heiligen Geist)
- Einsetzungsworte
- evtl. Christuslob (Akklamation Geheimnis des Glaubens. Deinen Tod, o Herr, verkünden wir …)
- Abendmahlsgebet II (Anamnese, Heilsgedächtnis)
- Vaterunser
- Pax (Friedensgruß)
- Lamm Gottes (Agnus Dei)
- Austeilung, dabei Lied, Orgel-, Chor- oder Instrumentalmusik oder Stille
- Dankgebet
Teil D: Sendung und Segen
- Lied
- Abkündigungen (Verabredungen, künftige Veranstaltungen)
- Sendungswort
- evtl. Liedstrophe (Segenslied)
- Segen
- Musik zum Ausgang
Die Einsetzungsworte lauten in der Regel:
„Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset: Das ist + mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und gab ihnen den und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus: Das ist + mein Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut, sooft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis.“
Seit dem Nürnberger Kirchentag von 1979 wird bei besonderen Anlässen auch ein Feierabendmahl begangen, bei dem die Gemeinschaft in der Abendmahlsfeier besonders betont wird. Zum Feierabendmahl gehören eine Phase der gemeinschaftlichen Vorbereitung und eine kommunikative Nachfeier. Von besonderer Bedeutung ist meist die Entfaltung eines speziellen Anliegens oder Themas durch Informationen, Erlebnisberichte und Gespräche, die in Vergebungsbitte und Fürbitten einmünden kann.[2]
Spendung und Empfang des Abendmahls
Das Abendmahl wird unter den Gestalten von Brot und Wein empfangen, in der Reformation ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur römisch-katholischen Praxis, bei der in der Regel die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes ausgeteilt wird.
Die lutherischen Kirchen verwenden traditionell Hostien aus ungesäuertem, d. h. unfermentiertem Teig ohne Backhefen oder Backpulver. Sie folgen damit dem jüdischen Sedermahl. Unierte, Reformierte und Freikirchen verwenden Weißbrot aus gewöhnlichem Brotteig, das aber teilweise mit besonderen Symbolen versehen ist. Anstelle von Wein kann in Freikirchen wie der evangelisch-methodistischen Kirche und etwa in den Mitgliedskirchen der EKD aus Rücksicht auf Kinder, Schwangere und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, z. B. Alkoholkranken, zusätzlich zum Wein auch Traubensaft zum Abendmahl gereicht werden. Meist ist die freie Wahl zwischen Saft oder Wein möglich. Die Spendung von Wein oder Saft erfolgt aus einem gemeinsamen Kelch oder mancherorts alternativ auch aus kleinen Einzelkelchen für jeden Empfänger; auch der Empfang des Abendmahls durch Eintauchen des Brotes in den Wein ist möglich.
In den lutherischen und unierten Landeskirchen der EKD ist das gemeinsame Ausspenden sowohl von Brot als auch von Wein durch Pfarrer und gewählte Kirchenvorsteher (bzw. je nach Landeskirche Presbyter oder Kirchengemeinderäte) üblich. Weitere Kirchenvorsteher und etwa der Küster können diesen bei Bedarf neue Hostienschalen und frische Abendmahlskelche zureichen. In den reformierten Kirchen können Pfarrer und Älteste Brot und Kelch in die Sitzreihen reichen, wo sie die Empfänger ihren Sitznachbarn einander weitergeben: Das betont die gemeinsame Priesterschaft aller Gläubigen. Die Teilnehmer können auch zu einem Abendmahlstisch kommen, an dem Pfarrer und Älteste ihnen die Elemente reichen: Das betont die Einladung zum Abendmahl durch Jesus Christus. In lutherischen und unierten Landeskirchen wird das Weiterreichen von Brot und Wein unter den Gottesdienstteilnehmern als sogenanntes Agapemahl praktiziert, welches teils aber nicht als vollgültiges Abendmahl angesehen wird. In den meisten Freikirchen kann das Abendmahl dagegen von allen Gläubigen gespendet werden, im Sinne des Priestertums aller Getauften.
Hinsichtlich der Form des Abendmahls sind die meisten evangelischen Freikirchen frei in der Handhabung. In den lutherischen und unierten Kirchen sind mehrere Formen möglich:
- Die Empfänger kommen in den Altarraum und bilden dort einen Kreis, auch Tisch oder Abendmahlsrunde genannt; bei einer größeren Zahl von Gottesdienstteilnehmern sind mehrere Tische hintereinander möglich. Gebräuchlich ist die Praxis, zu einzelnen angekündigten Tischen Traubensaft anstatt Wein auszuspenden. Etwa um keine Alkoholkranken zu diskriminieren, wird in anderen Gemeinden zu allen Tischen auf Verlangen oder bei Kindern automatisch zwischen Wein- und Traubensaftkelchen gewechselt. Ein Tisch schließt nach dem Empfang von Brot und Wein mit einem Segenswort des Liturgen und häufig einem Handschlag aller, d. h. die Teilnehmer nehmen sich in der Runde während des Segens an der Hand und beenden dies meist mit einem verstärkten Händedruck. Die Einnahme des Abendmahles in Tischrunden ist in lutherischen und unierten Gemeinden die Regel, die anderen Abendmahlsformen sind die Ausnahme.
- Beim Wandelabendmahl kommen die Empfänger nacheinander in Reihe zum Altarraum, wo zwei oder auch mehr Spender mit Brot und Kelch stehen. Üblich ist die Ausgabe von Wein- bzw. Traubensaftkelchen an unterschiedlichen Positionen.
- In einer kleinen Gruppe oder bei einem Hausgottesdienst kann auch ein Tischabendmahl in freierer Gestaltung, etwa sitzend an Tischen, gefeiert werden. Dabei ist es möglich, Einsetzungsworte und Austeilung so miteinander zu verbinden, dass der Empfang von Brot und Wein jeweils nach dem entsprechenden Teil der Einsetzungsworte folgt.[3]
Als der eigentliche Spender des Abendmahls wird Jesus Christus verstanden. Daher erfolgt die Darreichung von Brot und Wein in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche einzeln an jeden Empfänger und nicht durch Weitergabe von Hostienschale oder Kelch von einem Empfänger an den nächsten. Grundsätzlich reicht in dieser Kirche der ordinierte Geistliche die Hostie, weil dies dort als Zulassung zum heiligen Abendmahl angesehen wird. Der Kelch kann auch von einem Helfer ausgeteilt werden.
In der Regel wird das Abendmahl stehend empfangen, äußerst selten in lutherischen Gemeinden aber auch kniend. Die Hostie wird den Gläubigen in die entgegen gehaltene geöffnete Hand (oder beide, zu einer Schale geformte Hände) gelegt – in manchen lutherischen Gemeinden der Landeskirchen und in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist die Mundkommunion möglich bzw. üblich. Der Ausspendende spricht dabei die Worte „Christi Leib – für Dich gegeben!“ Meist antwortet der Empfangende mit „Amen“. Anschließend nimmt er die Hostie zu sich oder behält sie (z. B. bei infektiöser Erkrankung) zur Intinctio in den später gereichten Kelch. Der Kelch wird den Gläubigen ausgehändigt und nach Einnahme des Weines oder Saftes wieder entgegengenommen. Dabei spricht der Ausspendende etwa die Worte „Christi Blut – für Dich vergossen“, „Nimm hin vom Kelch des Heils!“ bzw. beide Worte oder diese im Wechsel von Empfangendem zu Empfangendem. In der Regel wird der Kelch nach einer gewissen Zahl von Empfangenden oder bei eingetretener Verschmutzung gewechselt.
Nach Beendigung des Abendmahlstisches oder Einnahme des Wandelabendmahles ist es vielfach Brauch, vor dem erneuten Platznehmen kurz in der Bank stehen zu bleiben und leise ein Gebet zu sprechen – ähnlich, wie auch vor Beginn des Gottesdienstes.
Zur Zulassung zum Abendmahl siehe Eucharistie#Zulassung zur Kommunion.
Literatur und Medien
- Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD. Verlagsgemeinschaft Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin 1999; Altarausgabe: ISBN 3-7461-0139-5, Loseblattausgabe: ISBN 3-7461-0140-9, Taschenausgabe: ISBN 3-7461-0141-7
- Roland Ziegler: Das Eucharistiegebet in Theologie und Liturgie der lutherischen Kirchen seit der Reformation. Die Deutung des Herrenmahles zwischen Promissio und Eucharistie (= Oberurseler Hefte Ergänzungsband 12). Edition Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-8469-0114-4
- Hochgebet in einer Lutherischen Abendmahlsfeier der SELK auf YouTube
Einzelnachweise
- Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD. Taschenausgabe, S. 14.
- Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD. Taschenausgabe, S. 214–218.
- Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD. Taschenausgabe, S. 156–159