Maidan-Rat

Der Maidan-Rat (ukrainisch Народне об'єднання "Майдан") ist ein am 22. Dezember 2013 in Kiew gegründeter Zusammenschluss mehrerer politischer Parteien, parteiloser Personen und öffentlicher Organisationen der Euromaidan-Proteste mit dem Ziel, „eine neue Ukraine und eine neue ukrainische Regierung zu errichten“,[2] eine neue Verfassung zu formulieren und korrupte Richter und Staatsanwälte zu entlassen.[1][3] Ziel war es, die Opposition zur damaligen Regierung und die Protestbewegung in allen Regionen des Landes zu koordinieren.[2] In der Praxis bedeutete dies auch, in den damals regierungs- und präsidentenfreundlichen Gebieten der Ostukraine für die Unterstützung der Ziele der Organisation zu werben.[4] Die Organisation strebte die Mitgliedschaft von „Millionen von Ukrainern“ an.[5] Nach Aussage des Leitungsmitgliedes der Organisation Arsenij Jazenjuk sei der Maidan-Rat „ein bisschen wie die Solidarność-Bewegung in Polen“.[5]

Maidan-Rat
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Basisdaten
Gründungsdatum 22. Dezember 2013
Gründungsort Kiew
Vorsitzende Julija Tymoschenko,
Arsenij Jazenjuk,
Vitali Klitschko,
Oleh Tjahnybok,
Serhij Kwit,
Jurij Luzenko[1]
Adressen
Website maidan2013.com.ua

Benannt i​st der Rat, w​ie auch d​ie Protestbewegung d​es Euromaidan selbst, n​ach dem Majdan Nesaleschnosti, d​em Versammlungsort d​er Protestler u​nd Gründungsort d​es Rats i​m Zentrum d​er ukrainischen Hauptstadt Kiew.[4][6][7]

Geschichte

Am 30. November 2013 gründeten d​ie Oppositionsparteien Vaterland, UDAR u​nd Swoboda zunächst d​ie Zentrale d​es Nationalen Widerstands.[8][9] Zur gleichen Zeit kontrollierten s​ie 168 d​er 450 Sitze i​m ukrainischen Parlament, d​er Werchowna Rada.[10]

Am 22. Dezember 2013, i​n der fünften Woche d​er Maidan-Proteste (100,000 versammelt i​n Kiew[11]), etablierten d​ie großen Oppositionsparteien u​nd Parteilose e​ine landesweite politische Bewegung, genannt Maidan.[1][3] Die Bewegung h​atte das Ziel, d​ie Unterstützung für d​en Euromaidan i​n der Ostukraine auszuweiten, w​o sich z​u dieser Zeit d​ie Unterstützung für d​ie Regierung Asarows u​nd den Präsidenten Wiktor Janukowytsch konzentrierte.[4] Am ersten Tag d​er Bewegung erklärte Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk: „Jeder, d​er eine f​aire und anständige Zukunft will, m​uss für d​iese Bewegung sein.“[4] Am 24. Dezember 2013 begann d​ie Organisation, Mitglieder aufzunehmen.[12]

Rolle beim Abkommen vom 21. Februar 2014 und beim Sturz Janukowytschs

Am Nachmittag d​es 21. Februar 2014 w​urde nach monatelangen u​nd zum Teil gewalttätigen Protesten, d​ie auch Todesopfer forderten, v​om damaligen Präsidenten d​er Ukraine Wiktor Janukowytsch u​nd den damaligen Oppositionsführern Vitali Klitschko, Arsenij Jazenjuk u​nd Oleh Tjahnybok e​ine Vereinbarung über d​ie Beilegung d​er Krise i​n der Ukraine unterschrieben.[13][14] Auch d​er deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeugte diesen Vertrag gemeinsam m​it dem Außenminister Polens, Radosław Sikorski d​urch seine Unterschrift. Die Vereinbarung s​ah unter anderem d​ie Bildung e​iner Übergangsregierung, Gesetzesänderungen s​owie Neuwahlen z​um Präsidentenamt n​och im Jahr 2014 vor. Steinmeier u​nd Sikorski hatten a​uch vor Vertretern d​es Maidan-Rates für dieses Abkommen geworben, u​nd schließlich stimmte a​uch der Rat d​em Abkommen zu.[15]

Noch a​m Abend d​er Unterzeichnung d​es Abkommens erklärten allerdings Vertreter v​on verschiedenen informellen oppositionellen Gruppen d​es Maidan, darunter d​ie rechtsextreme, militante Gruppe Prawyj Sektor, d​iese Vereinbarung n​un doch n​icht anerkennen z​u wollen. Vielmehr beharre m​an auf d​er Forderung n​ach Janukowytschs sofortigem Rücktritt.[16] Am Morgen d​es folgenden Tages, Samstag, d​en 22. Februar 2014, verkündete e​in Sprecher d​es Maidan-Rates, d​ass nun „Selbstverteidigungskräfte“ d​ie Macht i​n Kiew ergriffen hätten. Man h​abe die Kontrolle über d​as Parlament, d​en Regierungssitz u​nd über d​ie Präsidialkanzlei übernommen. Am selben Tag erklärte d​ie Werchowna Rada Janukowytsch für abgesetzt. Janukowytsch flüchtete a​m selben Tag zunächst n​ach Charkiw u​nd setzte s​ich später n​ach Russland ab.[17]

Ziele

Der Rat setzte s​ich mehrere Ziele:

  • Die Gestaltung einer neuen Verfassung der Ukraine, „die den Ukrainern das Gefühl geben soll, dass sie das Land regieren“.[12]
  • Die Entwicklung eines Aktionsplans für die Ukraine durch Aufstellung von Gruppen für jeden Politikbereich, von der Ökonomie bis zur Außenpolitik.[12]
  • Die Installation von Gruppen zur Bereitstellung rechtlicher, finanzieller und organisatorischer Unterstützung für Euromaidan-Aktivisten,[12] die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten verfolgt wurden, insbesondere in Charkiw und Odessa.[12]
  • „Beteiligung und Schutz“ der Präsidentschaftswahlen 2015.[12]
  • Etablierung von Vertretungen des Maidan-Rates in 20 Regionen.[18]Anm.
  • Formulierung einer Strategie für die Entwicklung der Ukraine bis 2025.[18]

Organisation

Gründungsvorstand: Julija Tymoschenko u​nd Arsenij Jazenjuk (Partei Vaterland), Vitali Klitschko (Partei UDAR), Oleh Tjahnybok (Partei Swoboda), d​er Rektor d​er Nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie Serhij Myronowytsch Kwit, u​nd der Leiter d​er Organisation Dritte Ukrainische Republik[19] Jurij Luzenko.[1] Die Sängerin Ruslana lehnte a​m 23. Dezember 2013 d​ie Wahl i​n den Vorstand ab.[20]

Gründungsmitglieder: Taras Boikiw, Oleksij Haran, Wassyl Hazko, Ihor Schdanow, Andrij Illjenko, Irena Karpa, Serhij Myronowytsch Kwit, Wjatscheslaw Kyrylenko, Ihor Koliuschko, Vitali Klitschko, Ruslan Koschulynskyj, Ivan Krulko, Ruslana Lyschytschko, Ihor Luzenko, Jurij Luzenko, Maria Matios, Andrij Mochnyk, Valerij Pazkan, Oleh Osuchovskyj, Saschko Poloschynskyj, Petro Poroschenko, Vitalij Portnikow, Sergij Rachmanin, Jehor Sobolew, Serhij Sobolew, Oleksandr Suschko, Viktorija Sjumar, Borys Tarasjuk, Julija Tymoschenko, Oleksandr Turtschynow, Oleh Tjahnybok, Walerij Tschalyj, Refat Abdurachmanowitsch Tschubarow, Wiktor Tschumak, Sorjan Schkirjak, Jelisaweta Schepetylnykova u​nd Arsenij Jazenjuk.[1]

Anmerkungen

Anm. Die Ukraine ist in 27 Regionen unterteilt: 24 Oblaste, die Autonome Republik Krim und zwei Städte mit besonderem Status.[21][22]

Einzelnachweise

  1. Maidan people's union set up at popular assembly in Kyiv, Interfax-Ukraine (23. Dezember 2013)
  2. На Євромайдані створили народне об'єднання "Майдан" Euromaidan established national union "Maidan" (Memento vom 22. Dezember 2013 im Webarchiv archive.today) Ukrayinska Pravda (22. Dezember 2013)
  3. Ukraine Opposition Rallies Protesters to Maidan as Holidays Loom, Bloomberg L.P. (22. Dezember 2013)
  4. Defiant Ukraine opposition continues pro-EU rallies, BBC News (22. Dezember 2013)
  5. New association born in Ukraine on fifth Sunday of protests, Euronews (22. Dezember 2013)
  6. Ukraine’s Euromaidan: What’s in a name?. In: The Washington Post, 2. Dezember 2013.
  7. Neuer Verein "Maidan", zuletzt abgerufen am 28. April 2014
  8. Ukrainian Police Break Up Pro-EU Rally (Memento vom 11. Januar 2014 im Webarchiv archive.today) In: RIA Novosti. 30. November 2013.
  9. Ukrainian opposition calls for early elections and national strike In: The Ukrainian Week. 30. November 2013.
  10. Депутатські фракції і групи VII скликання Deputy fractions and Groups VII convocation, Werchowna Rada
  11. reuters.com
  12. У Всеукраїнське об'єднання "Майдан" тепер можна записатися In the All-Ukrainian Union "Maidan" is now possible to enroll, Ukrayinska Pravda (24. Dezember 2013)
  13. Agreement on the Settlement of Crisis in Ukraine. (PDF; 74 kB) Vorlage des Vertragstexts. Auswärtiges Amt, 21. Februar 2014, abgerufen am 21. Februar 2014 (englisch).
  14. Vereinbarung zur Lösung der Krise in der Ukraine unterzeichnet. Auswärtiges Amt, 21. Februar 2014, abgerufen am 21. Februar 2014.
  15. Ukrainische Konfliktparteien unterzeichnen Abkommen. Stern.de, 21. Februar 2014, archiviert vom Original am 26. März 2014; abgerufen am 29. April 2014.
  16. Klitschkos schwärzeste Stunde, FAZ vom 22. Februar 2014
  17. Neue Ära für die Ukraine nach Sturz Janukowitschs (Memento vom 29. April 2014 im Internet Archive), stern vom 23. Februar 2014
  18. Pro-European protesters to prepare Ukraine's development strategy until 2025, Interfax-Ukraine (14. Januar 2014)
  19. Lutsenko's Third Republic will not be West Ukraine movement – political scientist (Memento vom 5. Mai 2014 im Internet Archive), Ukrinform (24. April 2013)
    Lutsenko: Ukraine needs the EU association deal, Deutsche Welle (26. April 2013)
    Lutsenko presents Third Republic public movement in Lviv (Memento vom 19. Juni 2013 im Webarchiv archive.today), Interfax-Ukraine (17. Juni 2013)
  20. Руслана відмовляється від місця в Раді “Майдану” (Memento vom 24. Dezember 2013 im Webarchiv archive.today) Ukrainskaja Prawda 23. Dezember 2013, abgerufen am 29. April 2014
  21. Paul D’Anieri, Robert Kravchuk, Taras Kuzio: Politics and society in Ukraine. Westview Press, Boulder, Colo. [u. a.] 1999, ISBN 0-8133-3538-8, S. 292 (books.google.com).
  22. Crimea profile, BBC News
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