Lynx (Schützenpanzer)
Der Lynx ist ein Schützenpanzer, der von dem deutschen Rüstungsunternehmen Rheinmetall entwickelt und produziert wird. Er ist der Oberbegriff für eine Fahrzeugfamilie, die in verschiedenen Größen und Ausführungen gebaut wird: Dem KF31 und dem KF41.[1] Der Schützenpanzer wurde erstmals im Juni 2016 auf der Messe Eurosatory in Paris vorgestellt.[2]
Lynx | |
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Ein Lynx auf der Eurosatory (Juni 2016) | |
Allgemeine Eigenschaften | |
Besatzung | 3 (Fahrer, Kommandant, Richtschütze) + 6/8 (Schützentrupp) |
Länge | 7,22 m–7,73 m |
Breite | 3,6 m |
Höhe | 3,30 m |
Masse | 30–40 Tonnen |
Bewaffnung | |
Hauptbewaffnung | bis 35-mm-Maschinenkanone, z. B. MK 30 |
Sekundärbewaffnung | 1 × 7,62-mm-Maschinengewehr Sprengkörperwurfanlage |
Schutzsysteme | |
Abstandsaktive Systeme | StrikeShield |
Beweglichkeit | |
Antrieb | Liebherr-Dieselmotor KF31 563 kW (750 PS) / KF41 850 kW (1140 PS) |
Federung | Drehstabfeder / Torsionsstab |
Geschwindigkeit | 65–70 km/h (Straße) |
Leistung/Gewicht |
Entwicklung
Die Fahrzeugfamilie Lynx wurde als hochgeschütztes Kettenfahrzeug (KF) konzipiert, das die von Rheinmetall identifizierte Marktlücke füllen sollte: Ein Schützenpanzer für ein breites Spektrum von Einsatzaufgaben.[3] Im Juni 2018 gab Rheinmetall in einer Pressemitteilung bekannt, dass der größere Lynx KF41 erstmals auf der Eurosatory Defence Exhibition der Öffentlichkeit vorgestellt wird, und zwar in zwei verschiedenen Ausführungen. Zusätzlich zu der zuvor vorgestellten Konfiguration IFV (Infantry Fighting Vehicle) wurde die Variante eines Führungsfahrzeugs (Command Variant) vorgestellt. Dabei wurde das Fahrzeug an Ort und Stelle von der IFV-Konfiguration in die Konfiguration Command Variant umgebaut.[4]
Antrieb
Das als Powerpack ausgelegte Triebwerk ist vorne rechts eingebaut. Der Liebherr-Dieselmotor ist entweder mit dem Allison X300 series 6F/1R oder einem automatischen Getriebe von Renk verbunden. Der Liebherr-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzung ist mit einem zweistufigen Abgasturbolader und einer zweistufigen Ladeluftkühlung ausgestattet. Die Abgase (rechts) und das Kühlsystem des Motors (links) werden zum hinteren Teil des Fahrzeugs geführt, um die thermischen und akustischen Emissionen zu reduzieren. Das Antriebsrad befindet sich an der Front, das Führungsrad ist rückseitig montiert. Torsionsstäbe federn das aus sechs Laufrollen auf jeder Seite bestehende Fahrwerk. Der Fahrersitz befindet sich vorne links.
Panzerung
Die Sicherheitsstahl-Panzerung (ballistic steel armour) schützt den Lynx vor Panzerabwehrwaffen, schweren Maschinengewehren, Granatsplittern und Streumunition. Im Innenraum ist Splitterisolierung angebracht, um die Mannschaft vor Splittern zu schützen. Es gibt einen doppelten Boden als Schutz vor Minen und IEDs.
Die Heizung und Kühlung sowie die Filter für nukleare, biologische und chemische Kampfstoffe sind integraler Bestandteil der Klimaanlage. Zusätzlich kann ein abstandsaktives Schutzsystem installiert werden (Rheinmetalls Active Protection System AMAP-ADS). Eine Anzahl passiver Schutz- und Verteidigungsmaßnahmen ist ebenfalls verfügbar. Zu nennen ist die Nebelmittelwurfanlage Rapid Obscuring System (ROSY), ein Warnsystem für Laser und eine akustische Detektion von Schüssen. Diese sind im Lance-Turm integriert, wenn er mit einem System zur automatischen Zielerfassung und Zielverfolgung ausgerüstet ist.
Bewaffnung
Das Fahrzeug, das auf der Eurosatory 2016 gezeigt wurde, war ausgerüstet mit einem Rheinmetall-Lance-Turm (ähnlich dem australischen Boxer-Turm), der eine stabilisierte Maschinenkanone im Kaliber 30 mm oder 35 mm tragen kann. Sie kann Ziele bis 3000 m sowohl aus dem Stand als auch aus der Bewegung bekämpfen. Die Kanone wird mit einer externen Stromversorgung betrieben und kann auch Air-Burst-Munition verschießen. Die Hauptwaffe hat einen Höhenrichtbereich zwischen +45˚ und −10˚ sowie eine Kadenz von 200 Schuss pro Minute. Der Turm kann manuell betrieben werden, falls die Stromversorgung unterbrochen wurde.
Achsparallel auf der rechten Seite der Hauptbewaffnung befindet sich das neueste Rheinmetall-Maschinengewehr (RMG) 7,62 mm, das die Standardmunition 7,62 × 51 mm NATO verschießt und dessen maximale Kadenz bei 800 Schuss pro Minute liegt. Die Waffe muss mit Strom versorgt werden und verfügt über drei Läufe. Diese können von einem Soldaten ohne Verlassen der Panzerung in weniger als fünf Sekunden gewechselt werden.
Das Fahrzeug kann optional auch mit Panzerabwehrlenkwaffen ausgerüstet werden. Das Fahrzeug der Eurosatory 2016 war mit einem zweifachen Starter für Spike-Panzerabwehrwaffen bestückt. Die der US Army angebotene Version soll mit BGM-71 TOW ausgestattet werden.[5]
Die IFV-Variante des KF41 der Eurosatory 2018 hatte einen neueren Lance-2.0-Turm. Dieser besitzt Montagepunkte auf der rechten und linken Seite, um eine Vielzahl an Erweiterungen montieren zu können.
Varianten
Der Lynx wird in zwei Varianten angeboten, die jeweils als Kommando-, Aufklärungs-, Berge- und Sanitätsfahrzeug konfiguriert werden können.[2]
- KF31
Diese Ausführung hat ein Gewicht von 35 Tonnen und ist 7,22 Meter lang. Der KF31 bietet neben seiner dreiköpfigen Besatzung Platz für sechs Infanteristen. Diese Variante wird von einem Motor mit 563 kW (750 PS) angetrieben. Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h.
- KF41
Diese Ausführung hat ein Gewicht von 44 Tonnen. Ursprünglich war ein Gewicht von 45 Tonnen spezifiziert. Der KF41 bietet neben seiner dreiköpfigen Besatzung Platz für acht Infanteristen. Diese Variante wird von einem 850 kW (1140 PS) leistenden Motor angetrieben. Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Eine Besonderheit des Lynx KF41 ist die abnehmbare Wannenabdeckung. Somit kann das Fahrzeug innerhalb weniger Stunden mit einem Hochdach ausgestattet werden, um mehr Platz im Kampfraum zu schaffen.[6]
- Lynx 120
Diese Ausführung basiert auf der KF41 Variante als modulares Fahrgestell und der 120-mm-Glattrohr-Kanone des Leopard 2.[7]
Nutzer
Ungarn – Im August 2020 gaben die Regierung Ungarns und Rheinmetall bekannt, dass sich die Ungarischen Streitkräfte für den Lynx als neuen Schützenpanzer entschieden haben. Ungarn ist der erste Staat in der NATO und der EU, der den Lynx einführt. Der Auftrag hat ein Volumen von über zwei Milliarden Euro. Die Produktion soll in Ungarn durch ein deutsch-ungarisches Gemeinschaftsunternehmen erfolgen.[8] Der Auftrag umfasst neben 218 KF41 Lynx mit Abstandsaktivem Schutzsystem StrikeShield auch 9 Bergepanzer Büffel sowie die Ausbildung von Soldaten, Training an Simulatoren, Ersatzteillieferungen und Wartungsleistungen. Die ersten 46 Lynx sollen in Deutschland gefertigt werden, die restlichen in Ungarn.[9]
Weitere mögliche Nutzer
Australien – Rheinmetall bot den Lynx den Australischen Verteidigungsstreitkräften für Phase 3 ihres Land-400-Programms an. Dies folgte der erfolgreichen Platzierung des GTK Boxers für Land 400 Phase 2. Im September 2019 wurde bekanntgegeben, dass Rheinmetall mit dem Lynx in der Endrunde des Auswahlverfahrens steht. Einziger noch verbliebener Konkurrent ist der südkoreanische Konzern Hanwha mit seinem Modell AS 21 Redback. Rheinmetall hat für die Evaluierung drei Testfahrzeuge geliefert.[10][11] Im Oktober 2021 gab Rheinmetall seine Best and Final Offer (BAFO) ab. Im Jahr 2022 soll eine Entscheidung über den Kauf von rund 450 Schützenpanzern getroffen werden. Das Auftragsvolumen wird auf 15 bis 23 Milliarden Euro geschätzt. Bis in die Jahre 2024/25 will das australische Heer eine Anfangsbefähigung (Initial Operating Capability – IOC) und bis 2030/31 die volle Befähigung (FOC) für die neuen Schützenpanzer erreichen. Zum Land-400-Programm Phase 3 gehören auch 17 Unterstützungspanzer. Hierfür hat Rheinmetall sein Lynx Combat Support Vehicle (CSV) entwickelt und vorgestellt, das große logistische Übereinstimmung mit dem Lynx IFV aufweist.[12]
Vereinigte Staaten – Für den Wettbewerb um die Nachfolge des M2/M3 Bradley bei der US Army gründete Rheinmetall Gemeinschaftsunternehmen mit dem US-amerikanischen Konzern Raytheon. Im Erfolgsfall sollen die Panzer in den USA gebaut werden.[13][14] Der Auftrag soll über 4000 Fahrzeuge umfassen.[6] Die US Army hat im Juli 2021 fünf Anbieter für die 2. Phase des Wettbewerbes um die Nachfolge des Schützenpanzers Bradley ausgewählt. Neben American Rheinmetall Vehicles sollen Point Blank Enterprises, BAE Systems, General Dynamics Land Systems sowie das Team aus Oshkosh Defense und dem südkoreanischen Hersteller Hanwha in der Phase 2 des Optionally Manned Fighting Vehicle (OMFV)-Programms digitale Entwürfe des neuen Gefechtsfahrzeuges einreichen. Die US Army plant bis 2027 mit einer Vorserienfertigung des neuen Schützenpanzermodels zu Starten.[15]
Verhandlung gescheitert
Tschechien – Rheinmetall offerierte den Lynx auch den Streitkräften der Tschechischen Republik, die einen Nachfolger für ihre BVP-2 (Bojové Vozidlo Pěchoty) suchen. Der Auftrag sollte 210 Fahrzeuge umfassen.[6] Im November 2021 gab das tschechische Verteidigungsministerium jedoch bekannt, dass keines der eingereichten Angebote alle gestellten Anforderungen erfüllt und dementsprechend auch nicht weiter betrachtet werden können. Insgesamt haben drei Unternehmen Angebote abgegeben. Neben Rheinmetall mit dem Schützenpanzer Lynx KF41 hat BAE Systems den Schützenpanzer CV90 und General Dynamics European Land Systems den Schützenpanzer Ascod angeboten. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen soll noch getroffen werden. Eine Zeitlinie wurde nicht bekanntgegeben.[16]
Weblinks
- Lynx Infantry Fighting Vehicle – New From Rheinmetall. In: YouTube. 15. Juni 2016, abgerufen am 6. Januar 2017.
Einzelnachweise
- Lynx – Die neue Gefechtsfahrzeugfamilie. In: Rheinmetall Defence. Abgerufen am 20. Januar 2019.
- Richard Tomkins: Rheinmetall intros new Lynx infantry fighting vehicle. In: United Press International. 14. Juni 2016, abgerufen am 20. Januar 2019 (englisch).
- Lynx on the hunt ES2016D3 (englisch) In: Jane's 360 – Eurosatory 2016. 15. Juni 2016. Abgerufen am 20. Januar 2019.
- Rheinmetall at Eurosatory (2018) (englisch) In: Archiv Rheinmetall. 4. Juni 2018. Abgerufen am 26. Oktober 2020.
- Lynx Infantry Fighting Vehicle (Webseite des Hersteller-Konsortiums)
- Lynx KF41 - Vom Reißbrett in den Wettbewerb, auf www.esut.de, 11. Mai 2019
- , auf www.esut.de, 18. Februar 2022
- Handelsblatt: Rheinmetall erhält Auftrag für Panzerproduktion in Ungarn, 18. August 2020, abgerufen am 10. September 2020
- Jonas Jansen: Ungarn bestellt 218 Panzer von Rheinmetall auf www.faz.net, 10. September 2020
- Gerhard Hegmann: Rheinmetall winkt neuer Mega-Panzerauftrag in Australien, Welt, 17. September 2019
- Australiens Beschaffungsvorhaben Land 400: Rheinmetall kommt mit Lynx KF41 in die nächste Runde auf www.hartpunkt.de, 17. September 2019
- Gerhard Heiming: Endgültiges Angebot für Lynx IFV in Australien. In: Europäische Sicherheit & Technik (esut). 22. Oktober 2021, abgerufen am 23. Oktober 2021.
- Deutsche Panzer für die USA? Dieses Szenario ist näher denn je, Welt, 10. Oktober 2018
- Raytheon and Rheinmetall joint venture to offer Lynx infantry fighting vehicle to US Army, The Defence Post, 27. September 2019
- Waldemar Geiger: OMFV-Lynx – Neue Details zum Schützenpanzerangebot von Rheinmetall an die U.S. Army. In: Europäische Sicherheit & Technik (esut). 6. September 2021, abgerufen am 12. November 2021.
- Waldemar Geiger: SPz-Ausschreibung in Tschechien – Keines der Angebote erfüllt alle Anforderungen. In: Europäische Sicherheit & Technik (esut). 7. November 2021, abgerufen am 12. November 2021.