Leon Hirsch
Leon Hirsch (* 2. Oktober 1886 in Berlin; gestorben 27. Juli 1954 in Bern) war ein deutscher Buchhändler, Drucker, Verleger, Veranstalter und Kabarett-Leiter jüdischer Abstammung.
Leben und Werk
Hirsch eröffnete nach Schulbesuch und Lehre 1904 in Berlin eine kleine Verlagsbuchhandlung, die er als ein „Ein-Mann-Unternehmen mit politisch links profiliertem Programm“ definierte.[1] Ab 1921 veranstaltete er Autorenabende, auf denen Künstler ihre Werke präsentieren, unter ihnen Walter Mehring und Erich Weinert.[2]
Im März 1926 gründete er das fliegende[3] politisch-satirische Kabarett „Die Wespen“ in Berlin, nachdem er schon vorher Werke der Autoren Karl Schnog und Erich Weinert hatte drucken lassen. Weinert, der über eine sonore angenehme Bühnenstimme verfügte[4], wurde dann auch für das Ensemble der „Wespen“ engagiert. Außer ihm gehörten dazu: die Schauspielerinnen Annemarie Hase und Resi Langer[5], Karl Schnog als Conférencier und der Komponist und Pianist Claus Clauberg, der auch die Vorstellungen am Flügel begleitete. Auch Ernst Busch, am Klavier begleitet von Hanns Eisler[6], trat hin und wieder bei Hirschs „Wespen“ auf.
Das Ensemble gastierte an folgenden Auftrittsorten:
- Sperlichs Diele am Nikolsburger Platz (Premiere)
- Restaurant „Hackebär“, Große Hamburger Straße, Berlin-Mitte (Stammlokal)
- Schubert-Saal, Bülowstraße 104 am Nollendorfplatz, Berlin-Schöneberg
- Mercedes-Palast, Hermannstraße in Berlin-Neukölln[7]
Eine dauerhafte Freundschaft pflegte Hirsch seit 1906 mit dem Schriftsteller Erich Mühsam. Er stand mit auf der Bühne, als im Oktober 1932 zehn Autoren für die „Wespen“ im Schubert-Saal am Nollendorffplatz aus ihren Werken lasen. Neben Erich Weinert und Karl Schnog wirkten Else Lasker-Schüler, Erich Kästner, Paul Nikolaus und Roda-Roda an dem Vortragsabend mit.[8]
Noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Kabarett „Die Wespen“ im Juli 1932 auf der Grundlage einer Preußischen Notverordnung geschlossen[2] Nach dem Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 musste Leon Hirsch untertauchen. Seine letzte Wohnung in Berlin war in der Bozener Str. 10 in Schöneberg.
Die politische wie rassische Verfolgung durch die neuen Machthaber zwang Hirsch zur Emigration in die Schweiz. Er floh im April 1933 zunächst nach Zürich, danach im Mai weiter nach Brissago; da er dort keine Arbeitserlaubnis erhielt (Sein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung und Arbeitserlaubnis wurde „aus Gründen der Überfremdung“, wie es offiziell hieß, abgelehnt), musste er sich durch den Verkauf von Gemälden und Zeichnungen aus seinem persönlichen Besitz über Wasser halten, schließlich mittellos Unterstützung der jüdischen Flüchtlingsfürsorge und der sozialdemokratischen Flüchtlingshilfe annehmen, ehe ihm die Familie Conti Rossini unter die Arme griff.[2]
An Leukämie leidend wurde Leon Hirsch am 15. September 1952 ins Krankenhaus eingeliefert. Am 27. Juli 1954 starb er im Lory-Hospital in Bern.[2]
Er liegt auf dem Jüdischen Friedhof Bern begraben.
Anfang der 1980er Jahre gelang es dem DDR-Literaturwissenschaftler Wolfgang U. Schütte, den Nachlass Hirschs in Brissago aufzuspüren. Angelo Conti Rossini, Anarchist und Inhaber eines Restaurants, hatte Hirsch bis zu seinem Tod unterstützt und ihn schließlich beerbt. Schütte fand im Nachlass Briefe von Zenzl Mühsam, Else Lasker-Schüler, Sylvia von Harden, Albert Ehrenstein usw. und etliche ungedruckte Manuskripte.
Werke aus dem Leon Hirsch-Verlag (Auswahl)
- Erich Mühsam: Dem Andenken Gustav Landauers. Leon Hirsch Verlag, Berlin 1919.
- Aus den Liedern der Bilitis. Nach Pierre Louÿs und dem Original bearbeitet von Bronis Puget (Leon Hirsch?). 4 Original-Holzschnitte von Willy Zierath. Leon Hirsch, Berlin 1922, 200 Exemplare.
- Karl Schnog: Gezumpel. Lyrische Porträts. Mit drei Zeichnungen von Herbert Döblin, 1925 (Schnogs erstes Buch).
- Erich Weinert: Affentheater. Leon Hirsch, Berlin-Schöneberg 1925.
- Max Dungert: Köpfe. Vorwort von Otto Brattskoven. Leon Hirsch Verlag, Berlin 1925.
- Leon Hirsch (Hrsg.) Erich Mühsam – Handzeichnungen und Gedichte. Verbano-Verlag, 1936. (Reprint: Verlag Edition Leipzig, Leipzig 1984).
Literatur
- Helga Bemman: Berliner Musenkinder-Memoiren. Eine heitere Chronik von 1900–1930. VEB ‘Lied der Zeit’ Musik-Verlag Berlin-O. 1981, S. 119–130.
- Georg Guntermann: Klassik, modern: Für Norbert Oellers zum 60. Geburtstag. Erich Schmidt Verlag GmbH & Co KG, 1996.
- Museum Neukölln: Ausgewählte Portraits. Leon Hirsch (1886–1954). (online)
- Wolfgang U. Schütte: Von Berlin nach Brissago. Auf den Spuren von Leon Hirsch in der Schweiz. Berlin (DDR), Buchverlag Der Morgen, 1987.
- Kay Weniger: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945. Mit einem Geleitwort von Paul Spiegel. Metropol, Berlin 2008, ISBN 978-3-938690-10-9, S. 393.
Weblinks
- Literatur von und über Leon Hirsch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Über Leon Hirsch. Aus Angelo Conti Rossinis Memoiren auf ticinarte.ch
- Nachlass Leon Hirsch im Deutschen Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek
Abbildungen
- Foto von Resi Langer in der Zeitschrift UHU
- Foto von Annemarie Hase
- Foto von Karl Schnog
- Foto von Erich Weinert
- Foto von Paul Nikolaus auf der Bühne
Einzelnachweise
- Georg Guntermann: Klassik, modern: Für Norbert Oellers zum 60. Geburtstag. S. 140.
- Leon Hirsch (1886–1954) (Memento des Originals vom 4. September 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf berlin.de
- was damit gemeint war, erläutert Karl Schnog in seinem Manifest Was wollen die Wespen so: „Seßhaftigkeit scheint uns der Feind aller Brettl-Wirkung. Drum wollen wir alle paar Wochen das Lokal wechseln…“, Helga Bemman: Berliner Musenkinder-Memoiren. S. 130.
- Helga Bemman: Berliner Musenkinder-Memoiren. S. 124.
- 1886–1971: Kabarettistin, Vortragskünstlerin und Filmschauspielerin, vgl. Langer, Resi.
- Helga Bemman: Berliner Musenkinder-Memoiren. S. 121.
- hier war Mitte der 1920er Jahre auch der deutsche Jazz-Pionier Eric Borchard mit seiner Kapelle engagiert. Vgl. Platten-labels: „Eric Borchard’s Atlantik Jazzband vom Mercedes-Palast Berlin“ der Grammophon AG.
- Helga Bemman: Berliner Musenkinder-Memoiren. S. 130; das Veranstaltungsplakat ist wiedergegeben auf S. 129.