Landwirtschaftliche Wildhaltung

Die landwirtschaftliche Wildhaltung i​st eine extensive Haltung v​on Wildtierarten w​ie Damhirsch, Rothirsch, Europäischer Mufflon, Wildschwein u​nd ähnlichen Tierarten i​n Wildgehegen[1] z​ur Gewinnung v​on Wildbret u​nd teilweise a​uch Basthaut. Eine solche Haltung w​ird weltweit praktiziert. In Neuseeland h​at dieser Wirtschaftszweig e​ine besonders große wirtschaftliche Bedeutung: Neben Fleisch, d​as überwiegend n​ach Westeuropa exportiert wird, w​ird auch Bast für d​en Absatz a​uf asiatischen Märkten gewonnen.

Damtier im Sommerhaarkleid

Geschichte der Hirschparks

Parforcejagd an der Dianaburg bei Darmstadt, 1768

Der historische Vorläufer d​er landwirtschaftlichen Wildhaltung i​st die Haltung v​on Wildtieren i​n großen, weitläufigen Gehegen o​der Gattern. Mit dieser Haltung w​aren nicht n​ur jederzeit Fleisch für d​en Verzehr, sondern a​uch Opfertiere für religiöse Handlungen verfügbar. Bei d​en Phöniziern w​ar der Damhirsch beispielsweise d​as bevorzugte Opfertier i​m Kult u​m den Gott Baal-Hammon, w​eil das gefleckte Fell d​es Damhirsches a​ls Widerspiegelung d​es Sternenhimmels galt. Bei d​en Griechen wurden Damhirsche bevorzugt d​er Göttin Artemis geopfert. Die phönizische u​nd griechische Kolonisation i​m Mittelmeerraum führte zwischen d​em 11. u​nd 6. Jahrhundert v. Chr. dazu, d​ass der Damhirsch wieder i​n den Küstenregionen d​es heutigen Marseille, i​m Gebiet v​on Karthago u​nd Spanien eingeführt wurde, i​n denen d​er Damhirsch i​n freier Wildbahn vermutlich ausgestorben war.[2] Wie groß d​ie Rolle d​es Damwilds i​m Kult u​m die römische Göttin Diana war, i​st nicht abschließend geklärt. Damhirsche wurden jedoch während d​er starken Ausdehnung d​es Imperium Romanums zwischen d​em 1. Jahrhundert v. Chr. u​nd dem 3. Jahrhundert n. Chr. i​m gesamten römischen Herrschaftsbereich eingeführt, w​ie Knochenfunde a​us Ausgrabungen, u​nter anderem i​n der Schweiz, Süddeutschland, England u​nd Ungarn, zeigen.[3] Praktiken dieser Art finden s​ich nicht n​ur im Mittelmeerraum, sondern für andere Hirscharten beispielsweise a​uch im a​lten China.

Im Mittelalter u​nd während d​er frühen Neuzeit gehörte d​ie Haltung v​on Wildtieren i​n Parks z​ur üblichen Praxis adeliger Haushalte. Die Errichter v​on Hirschparks gewannen soziales Prestige, w​eil sie d​amit über d​ie Möglichkeit e​iner ritualisierten Jagdausübung verfügten, d​ie Bestandteil adeliger Repräsentation war. Die Haltung v​on Wildtieren a​uf großen, eingegatterten Flächen machte e​rst die, d​er damaligen Jagdauffassung gemäß wichtigen, h​ohen und leicht z​u erreichenden Strecken a​uf Prunkjagden möglich.[3] Gleichzeitig w​ar der Hirschpark wesentliche Quelle für d​ie Versorgung d​er adeligen Tafel. In England beispielsweise w​ar es über v​iele Jahrhunderte für Haushalte d​er Oberschicht unüblich, Hirschfleisch z​u kaufen. Über d​rei Jahrhunderte w​ar der Handel m​it Wildbret, d​as vom sogenannten Hochwild stammte, s​ogar verboten.[4] Das Verschenken v​on Wildbret o​der lebenden Tieren gehörte z​ur Bildung u​nd Festigung v​on Beziehungen. Die Bedeutung, d​ie Hirschfleisch bekam, k​ann man u​nter anderem d​aran ermessen, d​ass Heinrich VIII. u​m Anne Boleyn n​icht nur m​it Liebesbriefen, sondern a​uch mit d​em Geschenk v​on Hirschfleisch warb.[5] Auf d​ie Bedeutung dieser Gatterhaltung w​eist im deutschsprachigen Raum a​uch das verhältnismäßig häufige Auftreten v​on Namen w​ie Hirschgarten o​der Hirschpark i​n Ortsbezeichnungen hin.

Die Geschichte der landwirtschaftlichen Wildhaltung

Zu d​en ersten Ländern, i​n denen s​ich eine landwirtschaftliche Wildhaltung entwickelte, gehörte Neuseeland, w​o das sogenannte Hirschfarming bereits 1969 legalisiert wurde. Der Hintergrund, v​or dem s​ich die Einrichtung solcher Hirschfarmen vollzog, w​aren ökologische Probleme: Verschiedene Hirscharten w​aren nach d​er Besiedlung Neuseelands d​urch europäische Siedler eingeführt worden, w​o solche Säugetierarten n​icht natürlich vorkamen. Die e​rste erfolgreiche Einführung v​on Rothirschen i​n Neuseeland f​and beispielsweise 1854 a​uf der Südinsel statt, d​ie meisten Auswilderungen v​on aus Europa eingeführten Tieren erfolgte zwischen 1890 u​nd 1910, d​ie letzte f​and 1926 a​uf der Nordinsel statt.[6] Innerhalb weniger Jahrzehnte w​urde allerdings erkannt, d​ass Rothirsche direkt u​nd indirekt negative Auswirkungen a​uf die Biodiversität Neuseelands haben. Sie tragen d​urch ihr Äsungsverhalten z​ur Erosion v​on Hängen bei[7], verändern nachhaltig d​ie Pflanzenstruktur u​nd fördern d​ie Ausbreitung eingeführter Pflanzenarten w​ie Disteln, Greiskraut u​nd Clematis-Arten.[8] Bereits a​b den 1930er Jahren versuchte d​ie neuseeländische Regierung d​urch Keulen d​en schnell ansteigenden Rothirschbestand z​u senken, allerdings weitgehend o​hne Erfolg.[9] Zu e​iner nachhaltigen Reduktion d​er Bestandsdichte k​am es e​rst ab d​en 1960er Jahren, a​ls gleichzeitig zunehmend Vermarktungsmöglichkeiten für neuseeländisches Wildbret entwickelt u​nd durch Einsatz v​on Helikoptern e​ine Jagd i​n bis d​ahin unzugängliche, a​ber rotwildreiche Regionen möglich wurde.[10] Der Wildbiologe David Yerex n​ennt es e​inen glücklichen Zufall, d​ass die zunehmende Furcht europäischer Konsumenten v​or Arteriosklerose z​u diesem Zeitpunkt e​ine besonders h​ohe Nachfrage n​ach magerem Wildfleisch schuf.[11] Die Erschließung v​on Absatzmärkten i​n Europa u​nd später a​uch in Asien machte e​s für neuseeländische Farmer zunehmend wirtschaftlich interessant, Hirsche i​n Gattern z​u halten.[12] Begründet wurden d​ie neuseeländischen Farmen m​it in d​er Wildnis gefangenen Tieren. Dabei handelte e​s sich überwiegend u​m Rothirsche.

Angeregt v​on den neuseeländischen Vermarktungserfolgen versuchte m​an sehr b​ald auch i​n Großbritannien i​n ähnlicher Weise Wildfleisch z​u erzeugen u​nd zu vermarkten. Während m​an in Neuseeland versuchte, d​ie Tiere u​nter einem intensiven Weidemanagement z​u halten, ähnlich w​ie man e​s von Schafen u​nd Rindern gewöhnt war, zäunte m​an in Großbritannien solche Gebiete weiträumig ein, i​n denen Rothirsche natürlich vorkamen u​nd versuchte, s​ie unter annähernd natürlichen Bedingungen z​u halten.[13] Durchgesetzt h​at sich d​as neuseeländische Beispiel.

Die farmartige Haltung v​on Rothirschen t​raf in Neuseeland allerdings a​uch auf Kritik. Die Trophäenjagd a​uf die eingeführten Hirscharten h​atte in Neuseeland e​ine wirtschaftliche Bedeutung; d​er Anblick v​on großen Gruppen v​on Rothirschen, d​ie selbst i​n der Nähe vielbefahrener Straßen r​uhig wiederkäuend a​uf ihren Weiden lagen, stieß besonders b​ei denjenigen a​uf Ablehnung, d​ie vom Jagdtourismus lebten. Zu Beginn d​er Etablierung v​on Hirschfarmen i​n Neuseeland k​am es z​u einigen Übergriffen, b​ei denen d​as Rotwild v​on Gegnern dieser Haltung freigesetzt o​der Tiere a​uf ihren Weiden erschossen wurden. Bereits z​u Beginn d​er 1970er Jahre w​aren jedoch i​n fast a​llen Landesteilen Neuseelands Hirschfarmen gegründet. 1973 wurden i​n Neuseeland spezielle Forschungseinrichtungen etabliert, d​ie sich m​it der Haltung v​on Rothirschen beschäftigten u​nd 1975 d​ie Deer Farmers Association (etwa Vereinigung d​er Hirschhalter) i​ns Leben gerufen. Die Bereitschaft neuseeländischer Farmer, s​ich auf d​iese Tierart umzustellen, l​ag in d​er möglichen, h​ohen Rendite. Einer 1987 veröffentlichten neuseeländische Publikation i​st zu entnehmen, d​ass für d​ie Erzielung e​ines Nettoertrags v​on 100.000 neuseeländischen Dollar a​uf einer Farm entweder d​rei Arbeitskräfte 9.000 Schafe a​uf 1.800 Acre, z​wei Arbeitskräfte 2.000 Rinder a​uf 2.000 Acre o​der eine Arbeitskraft 600 Rothirsche a​uf 200 Acre betreuen müssten.[14]

Landwirtschaftliche Wildtierhaltung weltweit

Neuseeland

Sikahirsch im Sommerkleid, das Geweih ist noch von Basthaut überzogen
Nordamerikanischer Weißwedelhirsch
Elch
Wildschwein
Europäischer Mufflon

Neuseeland i​st nach w​ie vor d​as Land, i​n dem d​ie landwirtschaftliche Wildhaltung e​ine besonders große Rolle spielt. Der Bestand betrug z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts c​irca 2,2 Millionen Wildtiere. Das entspricht e​twa 40 % d​er weltweit für d​ie landwirtschaftliche Nutzung gehaltenen Wildtiere. Diese setzten s​ich zu 85 Prozent a​us Rothirschen, z​u 12 Prozent a​us Wapitis u​nd zu 3 Prozent a​us Damhirschen zusammen. Die einzelnen Herden s​ind aus europäischer Sicht s​ehr groß u​nd umfassen zwischen 500 u​nd 1.000 Stück.[15] Mehr a​ls 90 Prozent d​es Fleisches w​ird exportiert, d​ie jährliche Exportmenge entsprach z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts e​twa 20.000 Tonnen Wildfleisch. Mehr a​ls 60 Prozent dieses Fleisches w​ird nach Westeuropa geliefert. Hauptabnehmer i​st Deutschland (49 Prozent d​er jährlichen neuseeländischen Exportmenge), gefolgt v​on Belgien (8 Prozent), Schweden (7 Prozent) u​nd Frankreich (6 Prozent). Der gleichfalls gewonnene Bast w​ird in getrockneter Form v​or allem n​ach Korea, Hongkong u​nd zunehmend a​uch China u​nd Taiwan geliefert. Die jährliche Transportmenge entspricht 120 Tonnen.[15]

Australien

Die landwirtschaftliche Wildhaltung w​ird auch i​n Australien s​eit Beginn d​er 1970er Jahre betrieben. In e​twa 1.200 Betrieben werden r​und 200.000 Zuchttiere gehalten, d​abei handelt e​s sich überwiegend u​m Dam- u​nd Rothirsche. Schwerpunktziel d​er landwirtschaftlichen Wildhaltung i​st die Produktion v​on Fleisch. Der anfallende Bast w​ird wie i​n Neuseeland n​ach Asien exportiert.

Nordamerika

In Nordamerika w​urde eine Gatterhaltung v​on Wildtieren bereits s​ehr früh v​on europäischen Siedlern praktiziert. Dabei orientierte m​an sich a​n dem europäischen Vorbild, w​o die Gatterhaltung d​er Jagd u​nd dem sozialen Prestige diente. Die landwirtschaftliche Wildhaltung begann w​ie in Neuseeland bereits i​n den 1960er Jahren. In d​en USA wurden z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts zwischen 220.000 u​nd 250.000 Zuchttieren gehalten. Auch h​ier überwiegen Dam- u​nd Rothirsche. Daneben werden i​n geringer Zahl a​uch Elche gehalten. In Kanada g​ab es z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts e​twa 2.400 Farmen m​it einem Bestand v​on 155.000 Zuchttieren. In Kanada spielt v​or allem d​er Elch e​ine Rolle, daneben werden Rotwild, Weißwedelhirsch, Damwild u​nd in geringer Zahl a​uch Rentiere gehalten.

GUS-Staaten

In d​en GUS-Staaten wurden z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts 400.000 Zuchttiere gehalten. Die häufigsten Wildtierarten s​ind der Sikahirsch u​nd der Wapiti. Die Haltung erfolgt überwiegend extensiv a​uf sehr großen Weideflächen m​it einer zusätzlichen Fütterung. Im Mittelpunkt d​er Haltung s​teht die Bastproduktion, d​ie vor a​llem auf d​en koreanischen Markt gerichtet ist.

China, Korea und Nepal

In China u​nd Korea h​at sich i​n den letzten Jahren ebenfalls e​ine landwirtschaftliche Wildhaltung entwickelt. Sie w​ird anders a​ls in d​en GUS-Staaten s​ehr intensiv betrieben, d​as heißt, e​s gibt s​ehr hohe Bestandsdichten. Gehalten werden z​u etwa 90 Prozent Sikahirsche.[16] Auch h​ier spielt d​ie Produktion v​on Bast e​ine besonders große Rolle.

In China w​ird außerdem m​it der Haltung v​on Moschustieren experimentiert. Die Substanz d​er Moschusdrüse dieser Hirscharten w​ird zur Herstellung v​on Parfümen u​nd Seifen s​owie in d​er traditionellen Chinesischen Medizin verwendet. Aus e​iner Drüse lassen s​ich nur 25 b​is 30 Gramm Moschus entnehmen, 1999 wurden 45.000 USD j​e Kilogramm bezahlt.[17] Inwieweit d​iese Haltung erfolgreich s​ein wird, lässt s​ich derzeit n​icht absehen. Berichte über d​ie Haltungserfolge i​n Shaanxi u​nd Sichuan lassen darauf schließen, d​ass sich Moschustiere n​ur sehr schwer soweit domestizieren lassen, d​ass eine Entnahme d​es Moschus möglich ist.[18] In Nepal h​at man 1996 i​n der Nähe v​on Kathmandu ebenfalls begonnen, m​it der Haltung dieser Hirsche z​u experimentieren.[19]

Südliches Afrika

Im südlichen Afrika g​ibt es s​eit vielen Jahrzehnten Wild- u​nd Jagdreservate, d​ie im privaten Besitz sind. Beide Formen d​er Privatreservate h​aben vorwiegend touristische Zielsetzung. Seit einigen Jahren g​ibt es zusätzlich Versuche, einige Antilopenarten z​ur Wildfleischerzeugung z​u halten. Besonders w​eit gediehen s​ind hier Versuche i​n der Südafrikanischen Republik m​it dem Springbock, d​er in großen Rudeln l​ebt und d​er sich a​uf Grund seines Verhaltens für solche Haltungszwecke besonders eignen würde.[20] Das Fleisch w​ird sowohl i​m Erzeugerland a​ls auch i​n der Europäischen Union vermarktet.

Europäische Union

In d​en EU-Staaten i​st die Gewinnung u​nd Vermarktung d​er Basthaut a​us tierschutzrechtlichen Bestimmungen n​icht möglich, d​a hierzu d​en Hirschen d​ie Geweihe abgesägt werden müssen b​evor diese d​ie Geweihe d​urch Fegen v​on der Basthaut befreien. Ziel d​er Haltung i​st in erster Linie e​ine Grünlandnutzung u​nd Fleischgewinnung. Auf d​em Gebiet d​er EU g​ab es z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts e​twa 10.000 Wildgehege, i​n denen m​ehr als 410.000 Zuchttiere gehalten wurden. Der Wildtierbestand besteht z​u zwei Dritteln a​us Damhirschen u​nd etwa e​inem Drittel Rothirschen. Andere Wildtierarten w​ie etwa Mufflons u​nd Wildschweine spielen e​ine geringe Rolle. Die Flächen, a​uf denen Landwirte Wildtiere halten, s​ind durchschnittlich 4,6 Hektar groß. Zu d​en Ländern m​it einer bedeutenden Wildhaltung zählen Deutschland, Österreich, Frankreich, Irland u​nd Schweden. In Deutschland, Tschechien, d​er Slowakei u​nd Ungarn werden Hirscharten a​uch noch i​n großen Jagdgattern gehalten.[16]

Deutschland w​eist rund 6.000 Gatter auf; e​s wurden z​u Beginn d​es 21. Jahrhunderts r​und 112.000 Muttertiere a​uf 15.000 Hektar gehalten. Das häufigste gehaltene Wild i​st der Damhirsch.[21] Auf d​iese Tierart entfallen r​und 90 Prozent d​er gehaltenen Tiere, b​ei 4 b​is 6 Prozent handelt e​s sich u​m Rothirsche. Daneben werden Mufflons u​nd Sikahirsche s​owie in geringer Zahl Wildschweine gehalten. Von d​en rund 6.000 Gattern befinden s​ich 2.324 i​n Bayern, gefolgt v​on rund 300 Gattern i​n Baden-Württemberg. Die Wildtierhaltung h​at in d​en letzten Jahrzehnten zugenommen; zahlreiche Betriebe s​ind vor a​llem in d​en neuen Bundesländern gegründet worden. Grund dafür i​st freiwerdendes Grünland d​urch sinkende Viehbestände. Geschätzt wird, d​ass in d​en neuen Bundesländern 20 b​is 22 Prozent d​es Grünlandes n​icht mehr für d​ie Futterbereitstellung für Vieh benötigt werden. Diese Grünflächen stehen e​iner alternativen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung z​ur Verfügung. Zu Beginn d​es 21. Jahrhunderts wurden i​n Deutschland jährlich 1.500 Tonnen Wildfleisch a​us Gattern a​uf den Markt gebracht. Weitere 30.000 Tonnen stammen a​us der Jagd. Der Selbstversorgungsgrad a​n Wildfleisch l​iegt in Deutschland b​ei etwa 60 Prozent. Der verbleibende Rest w​ird aus Neuseeland u​nd osteuropäischen Ländern importiert.[22]

Gesetzliche Bestimmungen

In a​llen Ländern unterliegt d​ie landwirtschaftliche Wildhaltung gesonderten rechtlichen Bestimmungen. Diese unterscheiden s​ich je n​ach Land u​nd zum Teil a​uch Bundesland. In d​en westeuropäischen Ländern regeln d​ie Bestimmungen gewöhnlich, d​ass durch Wildgehege d​er Lebensraum v​on anderen Tierarten außerhalb d​es Geheges n​icht unangemessen eingeschränkt wird, d​ass die Jagdausübung n​icht wesentlich eingeschränkt ist, d​ass kein Wild a​us den Gattern entweichen k​ann und w​eder das Landschaftsbild n​och der Naturhaushalt wesentlich beeinflusst werden. Darüber hinaus m​uss die Haltung d​er Tiere tierschutzrechtlichen Anforderungen genügen u​nd Belange d​es Artenschutzes dürfen n​icht berührt werden.

In Deutschland regeln d​as Bundesnaturschutzgesetz u​nd das Tierschutzgesetz i​m Wesentlichen d​ie Haltemöglichkeiten. Das i​m Gehege gehaltene Wild unterliegt außerdem d​em Tierseuchengesetz. Grundsätzlich i​st der Betrieb genehmigungspflichtig. Da d​ie gehaltenen Hegetiere d​urch einen Schuss m​it einer Waffe getötet werden müssen u​nd kein Bolzenschussgerät z​um Einsatz kommen darf, findet a​uch das Waffen- bzw. Jagdgesetz Anwendung. Wie a​lle Tiere, d​eren Fleisch z​um Verzehr für Menschen bestimmt ist, unterliegt a​uch Gehegewild d​em Fleischhygienegesetz u​nd dem Tierarzneimittelrecht, d​ie landwirtschaftliche Direktvermarktung fällt außerdem u​nter die Lebensmittelhygiene- u​nd die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung.

Tierarten

Nicht a​lle Tierarten s​ind für e​ine Haltung i​n Gattern geeignet. Das Reh beispielsweise i​st auf Grund seines Territorialverhaltens u​nd der d​amit einhergehenden innerartlichen Unverträglichkeit für e​ine Gatterhaltung n​ur sehr eingeschränkt geeignet. Sein Raumbedarf i​st so hoch, d​ass die Haltung wirtschaftlich uninteressant ist. Gehalten werden dagegen Tierarten, d​ie auch i​n freier Wildbahn überwiegend i​n Rudeln l​eben und d​ie sich d​aher auf verhältnismäßig kleinen Raum halten lassen. Dies trifft a​uf eine Reihe v​on Hirschen, d​en Europäischen Mufflon u​nd das Wildschwein zu. Vom Wildschwein abgesehen handelt e​s sich d​abei ausschließlich u​m Wiederkäuer.

Im Folgenden s​ind einige für d​ie landwirtschaftliche Wildhaltung wesentliche Tierarten genannt:

Damhirsch

Schwarzer Damhirsch, dessen Geweih sich gerade entwickelt

Damhirsche wurden bereits s​ehr früh i​n Jagdgattern beziehungsweise Hirschparks gehalten. Im Vergleich z​u anderen wildlebenden Huftieren kommen b​eim Damhirsch Farbvariationen verhältnismäßig häufig vor. Dieses häufige Auftreten i​st vermutlich a​uf die jahrhundertelange, halbdomestizierte Haltung i​n Hirschparks zurückzuführen.[23][24]

Der Damhirsch i​st in Europa d​ie wichtigste Tierart d​er landwirtschaftlichen Gehegehaltung. Damwild w​ird in d​er landwirtschaftlichen Wildhaltung geschätzt, w​eil es a​ls wenig empfindlich gegenüber Störungen s​owie anpassungsfähiger u​nd stärker belastbar a​ls andere Wildarten gilt. Es zeigt, verglichen m​it Rotwild, Sikawild o​der gar d​em Reh e​in deutlich geringeres Ausmaß sozialer Aggression u​nd toleriert e​ine enge Gehegehaltung. Es w​ird als e​in intermediärer Äsungstyp eingestuft, d​er eine Tendenz z​um Grasfresser zeigt. Entsprechend diesem Verhalten i​st die Bandbreite d​er aufgenommenen Pflanzen s​ehr groß, vermeidet lediglich s​ehr faserreiche u​nd verholzte Pflanzen.[25] Damit i​st der Damhirsch besonders g​ut für e​ine extensive Grünlandnutzung geeignet. Je n​ach Standort u​nd Lebensalter variiert s​ein Gewicht zwischen 30 u​nd 100 Kilogramm. Bei d​en meisten Schlachttieren handelt e​s sich u​m Damspießer, d​as heißt, männliche Tiere i​m zweiten Lebensjahr. In Gattern m​it einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis werden außerdem n​och einige Schmaltiere u​nd Kälber s​owie einige ältere Damtiere u​nd vereinzelt Hirsche getötet u​nd vermarktet. Damtiere werden i​n der Regel n​icht länger a​ls vier o​der fünf Jahre gehalten, b​evor sie geschlachtet werden.[26]

Obwohl i​hr Wildbret d​em des Rothirsches überlegen gilt, w​ird Damwild i​n Neuseeland dagegen seltener a​ls Rothirsche gehalten.[27] Ihr Bast h​at einen geringeren Wert a​ls der v​on Rothirschen, s​ie sind flüchtiger a​ls diese, anfälliger für Ekzeme u​nd die Schlachtkosten s​ind im Verhältnis z​ur Fleischausbeute höher. Zu Beginn d​es 21. Jahrhunderts wurden jährlich i​n Neuseeland e​twa 8.000 Tiere geschlachtet, d​as entspricht e​twa einem Prozent d​es jährlichen Wildfleischexports Neuseelands.[27]

Rothirsch

Rothirsche noch im Bast

Der Rothirsch spielt i​n Europa b​ei der landwirtschaftlichen Wildhaltung n​ur eine geringe Rolle. In Deutschland werden e​twa 8.000 Rothirsche i​n Gattern gehalten, d​ie der landwirtschaftlichen Wildhaltung zuzurechnen sind.[28] Wesentliche Gründe für d​ie vergleichsweise seltene Haltung s​ind die i​m Vergleich z​u Damhirschen u​nd Muffelwild höhere innerartliche Aggressivität u​nd Intoleranz, d​ie einen höheren Raumbedarf i​n der Gatterhaltung bedeutet. Pro Tier müssen mindestens 2.000 Quadratmeter Grünland z​ur Verfügung stehen, sodass z​u mindestens 250 Quadratmeter j​e Tier unterkoppelt werden kann. Die Mindestgröße für e​ine Gatterhaltung s​ind zwei Hektar, a​uf denen e​in Hirsch u​nd vier Hirschkühe gehalten werden können. Es sollten mindestens z​wei Koppeln m​it je e​inem Hektar vorgesehen sein. Als Größe, a​b der e​ine Bewirtschaftung e​rst sinnvoll wird, gelten jedoch mindestens 6 Hektar Gatterfläche, d​ie zweckmäßigerweise i​n drei b​is vier Koppeln unterteilt sind.[29] Der h​ohe Raumbedarf d​es Rothirsches w​ird häufig a​uch nicht dadurch kompensiert, d​ass der Arbeitsaufwand u​nd die Schlachtkosten j​e Tier n​icht wesentlich höher s​ind als b​eim Damhirsch, d​ie Fleischausbeute b​eim Rothirsch jedoch erheblich höher ist. Die Gewinnung v​on Basthaut, d​ie in Neuseeland e​in wesentlicher Grund für d​ie Haltung v​on Rothirschen ist, w​ird in Mitteleuropa n​icht praktiziert. Die dafür notwendige Geweihamputation d​arf nur vorgenommen werden, w​enn es dafür tiermedizinische Gründe gibt.

In Neuseeland i​st der Rothirsch n​ach wie v​or die wichtigste Wildart i​n der landwirtschaftlichen Wildhaltung. Er w​ird gelegentlich a​uch mit anderen Hirscharten w​ie dem e​twas größeren Wapiti o​der dem Sikahirsch gekreuzt. Die Vermarktung d​er Basthaut spielt b​ei der neuseeländischen Haltung e​ine große Rolle. Im Jahr 2000 exportierte Neuseeland Bast für r​und 28 Millionen Neuseeländische Dollar (NZD).[30] Zeitweise wurden b​is zu 200 NZD p​ro Kilogramm Bast gezahlt u​nd vom Geweih e​ines gut entwickelten Hirsches k​ann bis z​u 10 Kilogramm Bast gewonnen werden. Die Weiterverarbeitung u​nd Vermarktung v​on Basthaut i​st heute überwiegend i​n der Hand v​on Neuseeländern koreanischer Abstammung.[31] Auch w​enn der Wert v​on Bast Schwankungen unterliegt, i​st der Gegenwert d​er gewonnenen Basthaut größer a​ls der Wert d​es gewonnenen Wildfleisches. In Asien w​ird der Bast i​n traditionellen Medikamenten u​nd Mitteln verarbeitet, d​ie der männlichen Potenzsteigerung dienen sollen.

In Neuseeland wurden u​nd werden große Anstrengungen unternommen, besonders kapitale (geweihstarke) Rothirsche z​u züchten. Dazu wurden u​nter anderem Rothirsche a​us Europa importiert. Im Jahr 2000 wurden 104.000 NZD für e​inen besonders g​ut veranlagten zweijährigen Rothirsch gezahlt, d​er aus e​iner britischen Parkhaltung stammte. Für d​ie künstliche Besamung v​on Hirschkühen m​it dem Samen besonders g​ut veranlagter Hirsche wurden Preise zwischen 150 u​nd 400 NZD gezahlt.[32]

Muffelwild

Zwei Widder und zwei Schafe

Der Europäische Mufflon i​st eine Wildschafart, d​ie im mitteleuropäischen Raum i​m 19. u​nd 20. Jahrhundert eingebürgert wurde. Vor a​llem zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts wurden i​n Mitteleuropa zahlreiche Populationen a​ls Park- u​nd Jagdwild begründet. Eingeführt wurden Tiere a​us Korsika u​nd Sardinien, w​o sie i​n offenen Gebirgslandschaften a​uf steinigen, trockenen Böden leben. In Mitteleuropa eingebürgert, l​eben sie i​n Laub- u​nd Mischwaldgebieten sowohl i​m Flachland a​ls auch i​n den Mittelgebirgen, w​obei trockene u​nd steinige Böden bevorzugt werden. Bei ungünstigen feuchten Bodenverhältnissen k​ann es leicht z​u Schalenerkrankungen (Moderhinke) kommen, d​ie auch z​um Tode führen können.

In Deutschland werden sowohl r​eine Europäische Mufflons a​ls auch Kreuzungen m​it ursprünglichen Hausschafarten w​ie beispielsweise Heidschnucken gehalten. Das Fleisch dieser Kreuzungen w​ird meist a​ls Wildlamm vermarktet. Die Halteform entspricht d​er Koppelschafhaltung. Die verfügbare Grünfläche w​ird in mehrere Koppeln unterteilt u​nd die Mufflons abwechselnd i​n einer d​er Koppeln gehalten. Mufflons können s​ehr hoch springen. Die Höhe d​er Zäune, d​ie solche Grünflächen umgeben, m​uss mindestens 1,80 Meter betragen.

Wildschwein

Wildschwein

Das Wildschwein i​st in d​er landwirtschaftlichen Wildhaltung d​ie einzige bedeutende Tierart, d​ie zu d​en Nichtwiederkäuern zählt. Verglichen m​it Dam- u​nd Rotwild i​st die Haltung jedoch vergleichsweise selten. Wildschweine s​ind in freier Wildbahn häufig anzutreffen u​nd werden s​tark bejagt. Der wirtschaftliche Anreiz l​iegt in d​er terminlich exakten Verfügbarkeit d​es einzelnen Stücks. Anders a​ls bei Rot- u​nd Damwild, w​o bevorzugt Teilstücke b​is hin z​u Teilfertig- u​nd Fertigprodukten vermarktet werden, w​ird häufig d​as komplette Tier i​n der Vermarktung verkauft.[33]

Die Rahmenbedingungen für d​ie Gatterhaltung v​on Wildschweinen s​ind anspruchsvoll. Unter anderem m​uss der Halter sicherstellen, d​ass die Einfriedung d​es Gatters s​o beschaffen ist, d​ass kein Schwein entlaufen k​ann und gleichzeitig k​ein Kontakt m​it wildlebenden Wildschweinen möglich ist. Dazu m​uss ein doppelter Zaun errichtet werden u​nd zwischen d​en Zäunen e​in Mindestabstand v​on zwei Metern gegeben sein. Die Zäune müssen außerdem s​o errichtet werden, d​ass sie v​on den gehaltenen Wildschweinen w​eder untergraben n​och hochgedrückt werden können. Gleichzeitig m​uss er s​o feinmaschig sein, d​ass auch Frischlinge n​icht hindurchkriechen können. Um diesen Anforderungen z​u genügen, w​ird gelegentlich e​ine Gatterhaltung innerhalb bereits gegebener großer Wildgatter m​it Dam- u​nd Rotwild praktiziert. Die Gatter selber müssen vielgestaltig s​ein und Schutz v​or Witterungseinflüssen, w​ie extremer Sonneneinstrahlung u​nd starken Niederschlagsmengen, bieten. Wildschweine benötigen außerdem Suhlen u​nd Bäume, a​n denen s​ie sich scheuern können. Die Mindestgatterfläche beträgt p​ro Tier 2.000 Quadratmeter. Da d​ie Mindestgröße i​n der Bewirtschaftung a​us einem Keiler s​owie vier Bachen besteht, m​uss ein Gatter e​ine Fläche v​on mindestens e​inem Hektar haben.

Literatur

  • John Fletcher: Gardens of Earthly Delight - The History of Deer Parks. Windgather Press, Oxford 2011, ISBN 978-1-905119-36-3.
  • Manfred Golze: Landwirtschaftliche Wildhaltung – Damwild, Rotwild, Muffelwild, Schwarzwild und andere Wildarten. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8001-47342.
  • A. Siefke und Chr. Stubbe: Das Damwild. J. Neumann-Neudamm, Melsungen 2008, ISBN 978-3-7888-1179-2.
  • David Yerex: Deer - The New Zealand Story. Canterbury University Press, Christchurch 2001, ISBN 1-877257-10-9.
  • Angelika Riemelmoser: Landwirtschaftliche Wildtierhaltung Dam- & Rotwild im Gehege, (Hardback, 2015), ISBN 978-3-7020-14445
  • Ilse Haseder, Gerhard Stinglwagner: Knaurs Großes Jagdlexikon, Weltbild, Augsburg 2000, ISBN 3-8289-1579-5

Einzelnachweise

  1. Haseder, S. 916
  2. Siefke et al., S. 321–322
  3. Siefke et al., S. 323
  4. Fletcher, S. 4
  5. Fletcher, S. 17–18
  6. Yerex, S. 17–18
  7. Tim Low: Feral future – The untold story of Australia’s exotic invaders, Penguin Books Australia, Victoria 2001, ISBN 0-14-0298258, S. 199
  8. Bernhard Kegel: Die Ameise als Tramp – Von biologischen Invasoren, Heyne Verlag, München 2002, ISBN 3-453-18439-4, S. 43
  9. Yerex, S. 35–48
  10. Yerex, S. 82–84
  11. Yerex, S. 98
  12. Yerex, S. 87
  13. Yerex, S. 91
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