Lösen von Ungleichungen

Beim Lösen von Ungleichungen über den reellen Zahlen versucht man, eine unübersichtliche Ungleichung so weit zu vereinfachen, dass sich einfache Aussagen etwa der Form x>5 bilden, die unmittelbar zu verstehen sind oder die sich an der Zahlengeraden veranschaulichen lassen. Im Prinzip gelten hier die gleichen Grundregeln wie für das Lösen von Gleichungen. Allerdings erfordert die Asymmetrie der Vergleichszeichen darüber hinaus ein besonderes Augenmerk auf die Vorzeichen der Umformungen.

Grundregeln

Ähnlich wie beim Lösen von Gleichungen werden Ungleichungen durch Äquivalenzumformungen gelöst. Das heißt, es sind eine Reihe von Aktionen erlaubt – vorausgesetzt, sie werden auf beiden Seiten gleich ausgeführt. Im Folgenden wird nur das Kleiner-gleich-Zeichen betrachtet; analoge Aussagen gelten aber, wenn das Kleiner-gleich-Zeichen durch eines der anderen Symbole oder ersetzt wird.

Ohne Einschränkung sind Addition und die Subtraktion des gleichen Ausdrucks auf beiden Seiten Äquivalenzumformungen. Es gilt also für zwei reellwertige Terme und beliebige

sowie
.

Bei der Multiplikation mit dem gleichen Ausdruck und bei der Division durch den gleichen Ausdruck ist auf das Vorzeichen zu achten: Für zwei reellwertige Terme und mit gilt

sowie
.

Für dreht sich hingegen die Ordnungsrelation um:

sowie
.

Der Fall ist offensichtlich keine Äquivalenzumformung.

Generell gilt für eine bijektive streng monoton steigende Funktion

,

für eine bijektive streng monoton fallende Funktion dreht sich hingegen die Ordnungsrelation um:

.

Die oben beschriebenen Fälle der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division sind Spezialfälle dieser allgemeinen Regel, so entspricht beispielsweise der Multiplikation mit die Anwendung der Funktion , die für bijektiv und streng monoton steigend, für bijektiv und streng monoton fallend, für weder bijektiv noch streng monoton ist.

Oft möchte man Funktionen anwenden, die nicht auf ganz , sondern nur auf einer Teilmenge streng monoton sind. Das ist möglich, wenn sichergestellt ist, dass die Terme in dieser Teilmenge liegen. Beispielsweise gilt für eine bijektive streng monoton wachsende Funktion

,

für eine bijektive streng monoton fallende Funktion

.

In diesem Fall muss entweder gezeigt werden, dass tatsächlich immer gelten muss, oder eine Fallunterscheidung getroffen werden, in dem man zunächst den Fall untersucht und dann die Fälle und getrennt behandelt.

Wichtigster Spezialfall i​st das Potenzieren beider Seiten m​it dem gleichen Exponenten:

für ,
für .

entspricht dem Ziehen der Quadratwurzel:

,

dem Bilden des Kehrwertes:

.

Arten von Ungleichungen

Lineare Ungleichungen

Einzelne lineare Ungleichungen können d​urch Addition, Subtraktion u​nd Multiplikation m​it Konstanten ähnlich w​ie lineare Gleichungen gelöst werden. Ein wichtiger Ansatz für Systeme linearer Ungleichungen i​n mehreren Variablen bieten Pivotverfahren und, g​anz allgemein, Verfahren d​er linearen Optimierung.

Quadratische Ungleichungen

Bei quadratischen Ungleichungen zerfällt d​er Lösungsbereich üblicherweise i​n drei Abschnitte, d​ie sich a​us der d​er Ungleichung entsprechenden quadratischen Gleichung ergeben. Diese s​ind in d​er unter Graphische Verfahren gezeigten Abbildung d​ie Abschnitte blau – r​ot – blau. Als Lösungen kommen n​un entweder a​lle blau markierten o​der alle r​ot markierten Werte d​er x-Achse infrage.

Lösung mit Quadratischer Ergänzung

Ein Verfahren z​ur Lösung basiert i​m Wesentlichen a​uf der Quadratischen Ergänzung. Als Beispiel s​oll die Ungleichung x² − 0,5·x − 0,5 > 0 gelöst werden, d​ie unten i​m Bild dargestellt ist.

x² − 0,5·x − 0,5> 0| + 0,5
x² − 0,5·x> 0,5| + (0,5 : 2)² (das Quadrat der Hälfte des Betrags des linearen Gliedes addieren)
x² − 0,5·x + 0,25²> 0,5625| ausklammern
(x − 0,25)²> 0,75²| Wurzel ziehen

Hier darf man nicht einfach „das Quadrat wegkürzen“. Da aber , darf auf beiden Seiten die Wurzel gezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass gilt. Wir haben also zwei Fälle zu unterscheiden:

Fall 1: . Dann ist die Ungleichung zu lösen, also gilt , wobei in diesem Fall die Voraussetzung ebenfalls erfüllt ist.

Fall 2: . Dann ist die Ungleichung zu lösen, also gilt , wobei auch in diesem Fall die Voraussetzung erfüllt ist.

Diese beiden Aussagen haben keinen Überschneidungsbereich. Dann sind, wie man durch Ausprobieren leicht bestätigen wird, alle Zahlen, die entweder kleiner als −0,5 oder größer als +1 sind, Lösungen der Ungleichung.
Hätte man dagegen die Ungleichung x² − 0,5·x − 0,5 < 0 zu lösen gehabt, wären die Lösungsaussagen x > −0,5 und x < +1. Alle Zahlen zwischen −0,5 und +1 erfüllen beide Bedingungen und wären somit Lösungen.

Umformung auf Produkt

Das Lösen mittels quadratischer Ergänzung erfordert mehrere Fallunterscheidungen, die unübersichtlich werden können. Ein anderes Lösungsverfahren für quadratische Ungleichungen besteht darin, die Ungleichung direkt auf ein Produkt der Art , , oder zu bringen. Als Beispiel soll ebenfalls die unten im Bild dargestellte Ungleichung gelöst werden.

Die d​er Ungleichung entsprechende quadratische Gleichung

hat die Lösungen und , es gilt also

und d​ie Ungleichung i​st äquivalent zu

.

Betrachtet man nun die durch die beiden Lösungen der quadratischen Gleichung unterteilten Abschnitte der Zahlengeraden, so stellt man fest, dass für beide Faktoren negativ und das Produkt daher positiv ist sowie für beide Faktoren positiv und das Produkt daher ebenfalls positiv ist. Das ist im Bild der blaue Bereich. Im dazwischenliegenden Abschnitt ist und , das Produkt also nicht positiv. Das ist der rot markierte Bereich.

Besitzt die zur Ungleichung gehörige quadratische Gleichung keine reelle Lösung, gilt also , so gilt für alle x die Beziehung ; die Ungleichung hat also entweder gar keine Lösung oder ist für alle reellen Zahlen erfüllt.

Ungleichungen höherer Ordnung

Bei Ungleichungen ab der Ordnung 3 ist üblicherweise nur mehr die Umwandlung auf eine Ungleichung für ein Produkt praktikabel, beispielsweise indem eine Ungleichung der Ordnung 3 auf die Form für reelle oder für ein Paar komplexer Nullstellen gebracht wird. Diese Faktorisierung ist nach dem Fundamentalsatz der Algebra für Ungleichungen beliebig hoher Ordnung möglich. Die analytische Berechnung der Nullstellen ist aber nicht immer möglich, sodass dafür meist ein numerisches Verfahren wie beispielsweise Bisektion herangezogen werden muss. Eine graphische Lösung kann bei der Suche nach geeigneten Startwerten hilfreich sein.

Umformung auf Ungleichungen zwischen Polynomen

Für d​as Lösen v​on Bruchungleichungen ergeben s​ich neue Aspekte nur, w​enn die gesuchte Größe x a​uch in mindestens e​inem der Nenner erscheint. Durch beidseitiges Multiplizieren d​er Gleichung m​it den Nennern u​nd anschließendes Ausmultiplizieren w​ird die Bruchungleichung i​n eine Ungleichung a​us zwei Polynomen überführt.

Beim Multiplizieren m​it den Nennern i​st vorher z​u bestimmen, für welche Werte v​on x s​ie einen negativen Wert annehmen, d​a sich d​ann ja d​urch die Multiplikation d​as Vergleichszeichen umkehrt. Gibt e​s einen Bereich v​on x, i​n dem b​eide Nenner negativ sind, s​o wird d​as Vergleichszeichen zweimal umkehrt, w​as sich gegenseitig aufhebt. Diese Vorabklärung w​ird als Fallunterscheidung bezeichnet.

Als Beispiel s​oll die Ungleichung

betrachtet werden. Wie leicht ersichtlich ist, wird jeweils ein Nenner gleich Null, wenn entweder x=−0,2 oder x=−0,6. Für diese Werte von x ist die Ungleichung nicht definiert (Division durch null). Ist dagegen x kleiner als −0,6 (x<−0,6), so sind beide Nenner negativ; für x>−0,2 sind beide positiv. Dann findet keine Umkehr des Vergleichszeichens statt und es ergibt sich durch Multiplikation der Ungleichung mit den Nennern:

(x−1,6)·(x+0,6) < (0,2−x)·(x+0,2).

Sonst (x l​iegt zwischen −0,6 u​nd −0,2) w​ird nur d​er linke Nenner negativ. In diesem Fall ergibt s​ich aus d​er Multiplikation u​nd nachfolgenden Äquivalenzumformungen:

(x−1,6)·(x+0,6) > (0,2−x)·(x+0,2)  ausmultiplizieren!
x²−1x−0,96 > 0,04 − x²  +x² −0,04
2x²−1x−1 > 0 ÷2
x²−0,5x−0,5 > 0  

Dies i​st die quadratische Ungleichung, d​ie bereits z​uvor gelöst wurde. Ihre Lösung wäre d​er blaue Bereich d​er Abbildung. Da d​iese Rechnung allerdings n​ur für d​en Bereich zwischen −0,6 u​nd −0,2 g​ilt (s. o.), bleiben v​om blauen Bereich n​ur Werte zwischen −0,6 u​nd −0,5 übrig.

Zuletzt müssen wir noch die Fälle x<−0,6 und x>−0,2, für die sich das Vergleichszeichen nicht umkehrt. Lösung der erzeugten quadratischen Ungleichung wäre dann der rote Bereich der Abbildung. Da diese Rechnung allerdings nicht für den Bereich zwischen −0,6 und −0,2 gilt, ergibt sich als Lösungsbereich der Ungleichung nur die Werte zwischen −0,2 und +1.

Fazit: Die Ungleichung i​st erfüllt für −0,6<x<−0,5 u​nd für −0,2<x<+1.

Umformung auf Produkt

Ein anderes Verfahren z​um Lösen v​on Bruchungleichungen besteht ebenfalls darin, d​ie Bruchungleichung a​uf eine Aussage über d​as Vorzeichen v​on Produkten bzw. Quotienten umzuformen. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, d​ass weniger Fallunterscheidungen z​u treffen sind.

Als Beispiel s​oll ebenfalls d​ie Ungleichung

betrachtet werden. Statt m​it dem Nenner z​u multiplizieren werden a​lle Terme a​uf eine Seite gebracht; d​iese Umformung benötigt n​ur Subtraktion u​nd daher k​eine Fallunterscheidung n​ach Vorzeichen:

Anschließend werden d​ie Brüche a​uf gemeinsamen Nenner gebracht, w​obei der Nenner n​icht ausmultipliziert werden soll, d​a er später i​n Produktdarstellung benötigt wird:

Danach w​ird der Zähler ausmultipliziert u​nd zusammengefasst

Als Nächstes w​ird der Zähler n​ach dem Fundamentalsatz d​er Algebra i​n lineare u​nd irreduzible quadratische Terme faktorisiert; i​m konkreten Beispiel i​st die bereits o​ben gelöste quadratische Gleichung z​u lösen, m​an erhält also

Zur Bestimmung d​er Lösungsmenge reicht es, lediglich d​ie Vorzeichen d​er jeweiligen Faktoren z​u betrachten, d​a diese Vorzeichen gemeinsam d​as Vorzeichen d​es Produkts bestimmen. Dazu w​ird die Zahlengerade i​n einzelne Abschnitte geteilt, d​ie jeweils d​urch die Nullstellen d​er Faktoren begrenzt werden; i​n jedem dieser Abschnitte s​ind die Vorzeichen d​er Faktoren konstant.

Vorzeichen der Faktoren Vorzeichen des Produkts <0
nein
undefiniert nein
ja
nein
nein
undefiniert nein
ja
nein
nein

Fazit: Die Ungleichung i​st erfüllt für −0,6 < x < −0,5 u​nd für −0,2 < x < +1.

Die systematische Nutzung u​nd Darstellung dieses Verfahrens führt z​ur Vorzeichentabelle.

Betragsungleichungen

Betragsungleichungen s​ind Ungleichungen, i​n denen mindestens e​in Betrag enthalten ist. Sie können, ebenso w​ie Betragsgleichungen, d​urch Fallunterscheidung,[1] im Ausnahmefall (!) (s. u.) a​uch durch Quadrieren gelöst werden. Im Folgenden w​ird zunächst e​in Zahlenbeispiel d​er Lösung e​iner einfachen Betragsungleichung vorgeführt:

Gegeben s​ei die Ungleichung

.

Mit Hilfe e​iner Fallunterscheidung erhält m​an die Fälle

  1. und
  2. .

Die Lösungsmenge der Ungleichung als ganzer ist damit die Vereinigungsmenge der in diesem Fall unmittelbar aneinander grenzenden Teil-Lösungsmengen, d. h. .

Obige Ungleichung könnte m​an allerdings ausnahmsweise (!) a​uch durch Quadrieren lösen, w​as in diesem Fall über

zwar zum selben Ergebnis führen würde, jedoch den Nachteil hätte, dass durch das Quadrieren die Ungleichung verkompliziert und damit der Lösungsweg länger würde, vor allem aber das Vorzeichen der rechten Ungleichungsseite verloren ginge und damit bspw. die beiden Ungleichungen und dieselbe Lösungsmenge besäßen.

Nachstehendes Beispiel e​iner etwas schwierigeren Betragsungleichung illustriert d​en Fall, d​ass beide Teil-Lösungsmengen s​ich nicht z​u einem zusammenhängenden Intervall vereinigen lassen:

Gegeben s​ei die Ungleichung

.

Mit Hilfe d​er Fallunterscheidung erhält m​an nun d​ie Fälle

  1. und
  2. .

Die Lösungsmenge der Ungleichung als ganzer ist damit hier wieder die Vereinigungsmenge der – in diesem Fall allerdings nicht aneinander grenzenden – beiden Teil-Lösungsmengen, d. h. .

Graphische Verfahren

grafische Lösung von x²>0,5x+0,5 (blau) bzw. x²<0,5x+0,5 (rot)

Graphische Verfahren können i​m Rahmen d​er Zeichengenauigkeit Anhaltspunkte über Anzahl u​nd Lage d​er Lösungen geben.

Liegt die Ungleichung in einer der Normalform von Gleichungen entsprechenden Form vor, lässt sich die linke Seite als Funktion auffassen, deren Graph nach einer Wertetabelle mit hinreichender Genauigkeit zu zeichnen ist. Die Bereiche links oder rechts der Nullstellen (d. h. Schnittpunkte mit der x-Achse) stellen dann die Lösungsmengen graphisch dar.
Andernfalls sind die Funktionen, die der rechten und der linken Seite der Ungleichung entsprechen, zusammen in ein Achsenkreuz zu zeichnen. Die x-Werte der Schnittpunkte geben die Grenzen der Lösungsbereiche an. Quadratische Ungleichungen der rechten Seite hervorgehenden Geraden zum Schnitt bringen. Dies ist rechts exemplarisch für die Ungleichung x²<0,5x+0,5 (roter Bereich) bzw. x²>0,5x+0,5 (blauer Bereich)gezeigt.

Siehe auch

Literatur

  • E. Cramer, J. Neslehova: Vorkurs Mathematik: Arbeitsbuch zum Studienbeginn in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Springer Berlin Heidelberg New York, 2006, S. 302, ISBN 3-540-26186-9.

Einzelnachweise

  1. Franz Embacher; Betragsgleichungen und die Methode der Fallunterscheidungen; Universität Wien 2014, abgerufen 19. Juni 2016.
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