Kurt Barthel
Kurt Walter Barthel (* 8. Juni 1914 in Garnsdorf; † 12. November 1967 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker und Dramaturg. Bekannt war er unter seinem Pseudonym „Kuba“, das ihm von seinem Förderer Louis Fürnberg empfohlen worden war, um Verwechslungen mit dem NS-nahen Autor Max Barthel auszuschließen.[1]
Leben
Barthel wurde 1914 geboren. Seinen Vater lernte er nie kennen; noch vor Kurts Geburt wurde der Eisenbahnarbeiter von einem Offizier erschossen. 1928 bis 1932 wurde Kurt Barthel in Chemnitz zum Dekorationsmaler ausgebildet. Früh politisch aktiv, gründete er während dieser Zeit in seinem Heimatort Ortsgruppen von Jugendorganisationen wie Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) und die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken. 1933 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein und emigrierte nach der NS-Machtübernahme in die Tschechoslowakei, wo er Louis Fürnberg kennenlernte, der ihm eine „aggressive Intelligenz“ attestierte.[2] Auf dessen Anregung hin verfasste er erste Gedichte und Reportagen für Die Rote Fahne, gemeinsam mit ihm arbeitete er in der Laienspielgruppe „Das neue Leben“. Politisch betätigte er sich in der Jugendarbeit der linken Sozialdemokraten und half anderen Emigranten beim illegalen Grenzübertritt. Ab 1937 war er Redakteur der Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (A-I-Z) in Prag. 1939 floh er weiter nach Großbritannien. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt als Land- und Bauarbeiter, schrieb Naturgedichte auf Englisch und wurde Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ). 1940 wurde er als Enemy Alien zeitweilig interniert.[3]
1946 kehrte Barthel nach Deutschland zurück und trat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Von 1946 bis 1948 war er Redakteur des Karl Dietz Verlags Berlin und ab 1949 freischaffender Künstler. Er wohnte wie viele Künstler und Wissenschaftler in der sogenannten Intelligenzsiedlung an der Straße 201 in Berlin-Schönholz[4] und hatte dort das Haus neben Erich Weinert, nach dem die Siedlung benannt ist. Von 1956 an bis zu seinem Tod 1967 war er Chefdramaturg am Volkstheater Rostock.
Die heutigen Störtebeker-Festspiele auf der Insel Rügen begannen ursprünglich 1959 in der Fassung von Kurt Barthel mit der von Günter Kochan geschriebenen Musik.[5]
Funktionen
Von 1950 bis 1958 war er mit dem Mandat des Kulturbundes der DDR Abgeordneter in der Volkskammer. 1952 wurde er zudem 1. Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes und Mitglied im Zentralkomitee der SED. 1953 wurde er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Künste. Auf dem 6. SED-Parteitag 1963 zählte Barthel zu den Scharfmachern und nannte SED-kritische Kollegen „literarische Schwarzmaler“.[6]
Kritisierte Texte
Bekannt sind Barthels Kantate auf Josef Stalin und sein öffentliches „Schämen“ für den Aufstand des 17. Juni.[7] Darin erklärte er die Arbeiter als unreif. Dafür handelte er sich den beißenden Spott von Bertolt Brecht ein, der über Barthel schrieb: „Nach dem Aufstand des 17. Juni ließ der Sekretär des Schriftstellerverbandes in der Stalinallee Flugblätter verteilen, auf denen zu lesen war, daß das Volk das Vertrauen der Regierung verscherzt habe und es nur durch verdoppelte Arbeit zurückerobern könne. Wäre es da nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“[8] Barthel nannte diese Äußerung 1965 „ein wunderbares Bonmot“ und ergänzte vor westdeutschen Zuhörern, „er habe überhaupt keine Lust und keine Ursache, mit (dem 1956 verstorbenen) Bert Brecht hier eine Kontroverse anzufangen“. Lächerlich machte sich Barthel mit seiner Text-Bearbeitung von Giuseppe Verdis Oper Nabucco, wo er den Satz „Bald ist Juda vom Joch des Tyrannen befreit“ mit der Begründung strich, Verdi sei es gar nicht um die „Juden in Babylon“ gegangen, sondern um die „Befreiung“ Südtirols. Mit solchen Äußerungen wurde Barthel im Westen zu einem der meist gehassten DDR-Autoren. Der Literaturhistoriker Hans Mayer beschimpfte Barthel als „eine ungemein widerwärtige Figur“, Alfred Kantorowicz sprach sogar von einem „neuen Horst Wessel“.[9]
Tod
Während einer Aufführung der Revolutionsrevue 50 Rote Nelken, mit der das Volkstheater Rostock in einer Veranstaltung der August-Bebel-Gesellschaft gastierte, gab es am 12. November 1967 vor 1100 Zuschauern im Frankfurter Zoo-Gesellschaftshaus „Tumult“ durch „Studenten, von der Polizei als ‚Mao-Anhänger‘ bezeichnet“. Kurt Barthel, schon länger krank, sank zusammen und starb auf dem Weg ins Krankenhaus an Herzstillstand.[10] Er wurde auf dem Neuen Friedhof in Rostock beigesetzt. Nach ihm war in der DDR die Kurt-Barthel-Medaille benannt, eine Auszeichnung für Kulturschaffende.
Ehrungen
- 1949 wurde ihm der Nationalpreis der DDR für sein Gedicht vom Menschen verliehen.
- 1957 erhielt er den Literaturpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und die Erich-Weinert-Medaille.
- 1958 bekam er den Nationalpreis der DDR für seine Gestaltung des Festprogramms zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution und des Festprogramms der Ostsee-Woche.
- 1959 wurde Barthel (im Kollektiv) für die Störtebeker-Ballade[11] mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.
- 1960 wurde er Ehrendoktor der Universität Rostock.
- Nach seinem Tod wurden Straßen und Schulen nach Kuba benannt.
- Am 2. April 1979 wurde die Kurt-Barthel-Medaille in der DDR gestiftet.
- Am 26. Februar 1981 erhielt das in Parow bei Stralsund stationierte Marinehubschraubergeschwader 18 der Volksmarine seinen Namen.
Werke
- Gedicht vom Menschen. 1948.
- Kantate auf Stalin. 1949.
- Gedanken im Fluge. 1950 (Reportagen über die Sowjetunion)
- Gedichte. Eine Auswahl. 1952.
- Osten erglüht. 1954 (Reportagen über die Volksrepublik China)
- Klaus Störtebeker. (Dramat. Ballade), 1959. Siehe Klaus Störtebeker : Dramat. Ballade in 6 Episoden, e. Vorspiel u. e. Nachspiel / Buch: Kuba. Dramat. Einrichtg: Hanns Anselm Perten. Musik Günter Kochan. [Erarbeitg d. Anh. u. Zusammenstellg d. Bildbeil.: Hans-Joachim Theil ] - Online-Ausg.: Leipzig ; Frankfurt, M. : Dt. Nationalbibliothek, 2013. Online-Ressource http://d-nb.info/1035745585
- Gedichte. 1961.
- Brot und Wein. Gedichte, Lieder, Nachdichtungen. 1961.
- terra incognita. (Dramat. Poem), 1964.
- Marsch der Dynamosportler, Gedicht. 1983.
Postum veröffentlichte Werke
- Wort auf Wort wächst das Lied. Gedichte. 1970.
- Schlösser und Katen. 1970.
- Hexen. 1970.
- Vergeßt mir meine Traudel nicht. Filmerzählungen. 1974.
- Zack streitet sich mit der ganzen Welt. Erzählungen. 1982.
Verfilmungen
- Familie Benthin (Koautor mit Johannes R. Becher, Slatan Dudow, Ehm Welk und anderen beim Drehbuch, Regie: Slatan Dudow und Kurt Maetzig), 1950
- Hexen (Drehbuch für den Film von Helmut Spieß), 1954
- Schlösser und Katen (Drehbuch für den DEFA-Film von Kurt Maetzig), 1956/1957
- Vergeßt mir meine Traudel nicht (Drehbuch für den DEFA-Film von Kurt Maetzig), 1957
Literatur
- Alexander Abusch (Vorwort), Hans-Joachim Theil (Red.): Klaus Störtebeker dramatische Ballade. Rügenfestspiele 1959 unter der Schirmherrschaft des Ministers für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik. Röder, Leipzig 1959. (Nachweis beim Deutschen Historischen Museum).
- Günter Albrecht, Kurt Böttcher, Herbert Greiner-Mai, Paul Günter Krohn: Deutsches Schriftstellerlexikon. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Vierte, ergänzte und bearbeitete Auflage. Volksverlag Weimar, Leipzig 1963, Seiten 385/386.
- Dieter Schiller: Die politische Lyrik des Dichters Kuba (Kurt Barthel). 1934–1947. Berlin, Humboldt-U., Phil. Fakultät, Diss. vom 3. Nov. 1965. Berlin, 196, 422 gez. Bl.
- Erhard Scherner: Der Schriftsteller Kuba: zu Grundpositionen seines künstlerischen Schaffens. Berlin 1973 (Berlin, Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Diss.)
- Erhard Scherner: Ich hab den Morgen oftmals kommen sehen ... Zur Poetik des Dichters Kuba. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1975.
- Louis Fürnberg: Kuba (Kurt Barthel). Werk und Wirkung heute. Untersuchungen zur Aktualität, Standpunkte, Bekenntnisse. Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik. Zusammenstellung und Redaktion: Peter Liebers. Henschelverlag Kunst u. Gesellschaft [in Komm.], Berlin 1976, 202 S. (Arbeitshefte / Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik; 20: Sektion Literatur und Sprachpflege).
- 30 Jahre DDR – Schriftsteller, die unseren Weg mitbestimmten. Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR. Leipzig.
- Kuba (Kurt Barthel). Herausgegeben anlässlich seines 65. Geburtstages am 8. Juni 1979 (15 S.).
- Gottfried Hamacher, bei Mitarbeit von André Lohmar: Gegen Hitler – Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“. Kurzbiographien. Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin. Band 53. ISBN 3-320-02941-X (PDF).
- Leonore Krenzlin, Bernd-Rainer Barth: Barthel, Kurt Walter. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Roman Guski, Johanna Jawinsky, Hannelore Rabe: Gedenkstätten für Opfer und Verfolgte des Naziregimes auf dem Neuen Friedhof in Rostock. Herausgegeben von der VVN-BdA Mecklenburg-Vorpommern. Rostock 2011, ISBN 978-300-0350-375.
- Jochen Barthel (Hrsg.): Es kommt dein Tag, Genosse Spartakus! Erinnerungen an den Antifaschisten, Schriftsteller und Dramaturgen KuBa (Kurt Barthel), Neue Impulse Verlag GmbH, Essen, 2021, ISBN 978-3-96170-047-9.
Weblinks
- Literatur von und über Kurt Barthel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurt Barthel im Wiki des DRAFD
- Erhard Scherner: Der konnte träumen. In: Neues Deutschland, 7. Juni 2014
- Kuba-(Kurt Barthel)-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
- Online-Ressource (2013): Kuba: Klaus Störtebeker. Dramatische Ballade in 6 Episoden, einem Vorspiel und einem Nachspiel. , Dramaturgische Einrichtung: Hanns Anselm Perten. Erarbeitung des Anhangs und Zusammenstellung der Bildbeilage durch Hans-Joachim Theil. Musik: Günter Kochan. Friedrich Hofmeister Musikverlag, Leipzig 1959, DNB 1035745585
Einzelnachweise
- Mitteldeutsche Zeitung vom 7. Juni 2004, Kurt Barthel Thälmann, Traudl und Störtebecker abgerufen am 22. März 2019
- Mitteldeutsche Zeitung vom 7. Juni 2004, Kurt Barthel Thälmann, Traudl und Störtebecker abgerufen am 22. März 2019
- Kurt Barthel in der Datenbank Britain, Enemy Aliens and Internees
- Max-Lingner-Stiftung
- „Klaus Störtebeker dramatische Ballade ; Rügenfestspiele 1959 unter der Schirmherrschaft des Ministers für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik“; Verlagsort, Verlag, Jahr: Leipzig, Röder, 1959 im Info Guide des Deutschen Historischen Museums unter Link abgerufen am 14. Januar 2022 ( DNB 560840365 )
- DDR KUBA – Kaum zu ertragen. Literatur machen ist Parteiarbeit. Kuba. In: Der Spiegel 48/1967, 20. Nov. 1967.
- Kuba Wie ich mich schäme (Seite 7) (Memento vom 1. November 2013 im Internet Archive)
- DDR KUBA – Kaum zu ertragen. Literatur machen ist Parteiarbeit. Kuba. In: Der Spiegel 48/1967, 20. Nov. 1967.
- Mitteldeutsche Zeitung vom 7. Juni 2004, Kurt Barthel Thälmann, Traudl und Störtebecker abgerufen am 22. März 2019
- DDR KUBA – Kaum zu ertragen. Literatur machen ist Parteiarbeit. Kuba. In: Der Spiegel 48/1967, 20. Nov. 1967.
- „Klaus Störtebeker dramatische Ballade ; Rügenfestspiele 1959 unter der Schirmherrschaft des Ministers für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik“; Verlagsort, Verlag, Jahr: Leipzig, Röder, 1959 im Info Guide des Deutschen Historischen Museums unter Link abgerufen am 14. Januar 2022