Slatan Dudow
Slatan Theodor Dudow (bulgarisch Златан Дудов; * 30. Januar 1903 in Zaribrod; † 12. Juli 1963 in Fürstenwalde/Spree) war ein bulgarischer Filmregisseur und Drehbuchautor, der hauptsächlich in Deutschland tätig war.
Leben und Wirken
Dudow, Sohn eines Eisenbahners, kam im Herbst 1922 nach Berlin, um Architektur zu studieren. 1923 nahm er den Unterricht an Emanuel Reichers Schauspielschule auf und studierte ab 1925 als Werkstudent Theaterwissenschaft bei Max Herrmann. Er hospitierte bei Fritz Langs Metropolis sowie bei Theaterinszenierungen von Leopold Jessner und Jürgen Fehling. Von 1927 bis 1928 war er Chormitglied am Theater Erwin Piscators.
Im Jahr 1929 unternahm Dudow im Auftrag Herrmanns eine Hospitationsreise nach Moskau, wo er Sergei Michailowitsch Eisenstein und Bertolt Brecht kennenlernte. Brecht nahm ihn in seinen Arbeitskreis auf, und Dudow inszenierte 1929 für das „Theater der Arbeiter“ Anna Gmeiners Heer ohne Helden sowie Brechts Die Maßnahme. Im selben Jahr war er Regieassistent bei verschiedenen dokumentarischen Agitationsstreifen, darunter Phil Jutzis Hunderttausend unter roten Fahnen. Seine erste eigenständige Gestaltung war 1930 der dokumentarische Kurzfilm Wie der Berliner Arbeiter wohnt für die kommunistische Prometheus Filmgesellschaft. Dudow schilderte darin die teils mit versteckter Kamera gefilmte und authentische Zwangsdelogierung einer Berliner Arbeiterfamilie.
Höhepunkt seines Schaffens wurde der proletarische Propagandafilm Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? (1932), der die elenden Lebensbedingungen der Arbeiter in der Zeit der Weltwirtschaftskrise veranschaulicht. Dies ist der bedeutendste kommunistisch-proletarische Film Deutschlands. Die Filmzensur gab ihn erst im dritten Anlauf zur öffentlichen Vorführung frei. Bereits im März 1933 wurde er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wieder verboten. Dudow emigrierte nach Frankreich, wo er 1934 den unangemeldet noch in Deutschland begonnenen Film Seifenblasen fertigstellte.
Im Oktober 1937 führte er zusammen mit Exilschauspielern in Paris das Brecht-Stück Die Gewehre der Frau Carrar mit Helene Weigel auf. Nach der Ausweisung aus Frankreich fand er mit Frau und Tochter sein Exil in der Schweiz. Bereits in Frankreich war sein Bühnenstück Der Feigling entstanden, in der Schweiz schrieb er Der leichtgläubige Thomas, Das Narrenparadies und Der Weltuntergang, die er nach dem Krieg unter dem Pseudonym „Stefan Brodwin“ veröffentlichte. Der Feigling kam 1948 am Deutschen Theater Berlin unter der Regie von Ernst Legal auf 57 Vorstellungen.
1948 kehrte er in den Osten Deutschlands zurück und zählte dort mit den Filmen Unser täglich Brot (1949), Frauenschicksale (1952) und Verwirrung der Liebe (1959) zu den wichtigsten Regisseuren der Anfangszeit der DEFA. Zu seinem 60. Geburtstag wurde er vom Ministerium für Kultur (DDR) mit dem Professorentitel geehrt.[1] Er starb während der Dreharbeiten zu dem Film Christine an den Verletzungen eines Autounfalls als er von Fürstenwalde/Spree nach Bad Saarow fahren wollte und am Lenkrad eingeschlafen ist.[2]
Filmografie
- 1930: Zeitprobleme: Wie der Arbeiter wohnt Regie
- 1932: Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? Regie
- 1934: Seifenblasen Regie, Drehbuch, Schnitt
- 1949: Unser täglich Brot Regie, Drehbuch
- 1950: Immer bereit Drehbuch
- 1950: Familie Benthin Regie, Drehbuch
- 1952: Frauenschicksale Regie, Drehbuch
- 1954: Stärker als die Nacht Regie
- 1956: Der Hauptmann von Köln Regie, Drehbuch
- 1959: Verwirrung der Liebe Regie, Drehbuch
- 1963: Christine (unvollendet) Regie, Drehbuch
Stücke
(Veröffentlicht unter Pseudonym Stefan Brodwin)
- Das Narrenparadies, Komödie in 7 Bildern, Henschel, Berlin, 1947
- Der leichtgläubige Thomas, Komödie in 8 Bildern, Henschel, Berlin, 1950
Auszeichnungen
- 1950: Nationalpreis III. Klasse für Unser täglich Brot
- 1952: Internationales Filmfestival Karlovy Vary: Auszeichnung für „Beste Regie“ für Frauenschicksale
- 1955: Nationalpreis II. Klasse für Stärker als die Nacht
- 1955: Internationales Filmfestival von Locarno: „Bester Film“ für Stärker als die Nacht
- 1957: Nationalpreis II. Klasse für Der Hauptmann von Köln
- 1959: Vaterländischer Verdienstorden in Bronze
Literatur
- Hans-Michael Bock, Wolfgang Gersch: Slatan Dudow – Regisseur, in: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 1, 1984.
- Hermann Herlinghaus: Slatan Dudow, Berlin 1965, Henschel-Verlag
- Bernd-Rainer Barth, Renate Rätz: Dudow, Slátan. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 2: C – F. John Paddy Carstairs – Peter Fitz. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 464 f.
Weblinks
- Literatur von und über Slatan Dudow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Slatan Dudow in der Internet Movie Database (englisch)
- Dudow in der Bibliotheca Augustana
- Slatan Dudow Biografie bei der DEFA-Stiftung
Einzelnachweise
- In: Berliner Zeitung vom 13. Juli 1963
- Wolfgang Kohlhaase: Der Filmregisseur Slatan Dudow, in DDR-Porträts, Frankfurt 1972, S. 427