Kloster Lippoldsberg
Das Kloster Lippoldsberg (auch Lipsberg) ist ein ehemaliges Benediktinerinnen-Frauenkloster, das den Ursprung des Ortes Lippoldsberg an der Weser im nördlichen Hessen bildete.
Geschichte
Zwischen 1051 und 1059 kam der damalige Erzbischof Lippold von Mainz in das heutige Lippoldsberg und veranlasste hier den Bau einer ersten hölzernen Kirche. Anlass war vermutlich die günstige Lage: Lippoldsberg lag an einer der wenigen Furten an der Oberweser und am Weg vom Rhein über Geismar nach Thüringen. Das Gelände erwarb er vom Kloster Corvey.
Lippolds Nachfolger Siegfried von Mainz legte, als er 1078 für vier Jahre in die Gefangenschaft Kaiser Heinrichs geriet, ein Gelübde ab, in Lippoldsberg eine steinerne, dem Heiligen Georg geweihte Kirche zu errichten. Die Kirche wurde reich ausgestattet: ihr wurde die Mainzer Eigenkirche von Oedelsheim sowie die Geistlichen von fünf um Lippoldsberg liegenden Ortschaften (darunter Bodenfelde) unterstellt. Im Jahr 1086 gründete Erzbischof Ruthard hier das Frauenkloster oder Frauenstift, bis etwa 1093 erfolgt der Bau von Klosteranlagen. Das Vogteirecht für das Kloster sollte bei den Grafen von Northeim liegen.
Die erste eigentliche Urkunde des Klosters, die Eidesurkunde der Nonnen ist auf 1099–1101 zu datieren. Hier verpflichten sich 25 Nonnen, nach dem Vorbild des Klosters St. Agnes in Schaffhausen den Regelungen der Hirsauer Reform als Benediktinerinnen zu folgen. Dieser bekannt gewordene Nonneneid wurde von insgesamt 117 führenden Bischöfen, Äbten und weltlichen Fürsten unterzeichnet.
1137 wählte der Konvent den Augustinerchorherren Gunther zum Propst, der zwar widerstrebte, aber vom Papst selbst bestätigt wurde. Er baute relativ bald eine neue Kirche, die bereits 1151 geweiht werden sollte. Sie ist der erste durchgewölbte Kirchenbau der Region, vierzig Jahre vor der Einwölbung des Mittelschiffs des Mainzer Domes. Im Jahr 1151 erschien auch das von der Äbtissin Margarethe in Auftrag gegebene „Chronikon“, welches über die ersten 100 Jahre der Klostergeschichte berichten soll.
Da ein Großteil der Beschäftigung der Nonnen in dem Kopieren von Büchern und sonstigen Schriftstücken bestand, wuchs die Bibliothek des Klosters schon bis zur Erstellung des Chronikon auf die für damalige Verhältnisse große Zahl von 61 Bänden an. Die im Chronikon überlieferte Bestandsliste bietet wesentliche Einblicke in die Geisteswelt des 12. Jahrhunderts.
Das Kloster florierte trotz einiger Rückschläge in den folgenden Jahrhunderten, so dass man bald die Errichtung einer Schutzburg, der Vorläuferin der späteren Sababurg finanzieren konnte.
Im Jahre 1526 führte Landgraf Philipp I. von Hessen die Reformation in Hessen ein. Die Klosterbewohner des an der Landesgrenze liegenden Klosters wurden aber nicht, wie anderswo, vertrieben. Erst im März 1538 wurde in einem Vergleich zwischen dem Landgrafen von Hessen und dem Herzog von Braunschweig die Schließung des Klosters und die Aufteilung des Besitzes festgelegt. Die Landgüter des Klosters fielen an die Herzöge von Braunschweig, das Kloster und das Dorf verblieben jedoch im Besitz der hessischen Landgrafen. In den 1540er Jahren erfolgte ein Aufnahmestopp für Novizinnen, so dass das allmähliche Aussterben des Klosters vorbestimmt war. 1563 wurde der Klosterbesitz inventarisiert. Im Jahre 1564 wurde der erste protestantische Pfarrer in sein Amt als Pfarrer von Lippoldsberg eingeführt. Er teilte sich mit dem Kloster die Kirche, bis die Nonnen mit der letzten Äbtissin Lutrudis von Boyneburg im Jahr 1569 ausstarben. Nunmehr ging die Klosterkirche zur weiteren Nutzung vollständig an die evangelische Gemeinde über, und die Geschichte des eigentlichen Klosters endete.
Die Klosteranlage machte aber in der Zukunft noch weitere Wirren durch. Im Jahr 1644 wurde im Laufe des Dreißigjährigen Krieges der Turm der Kirche, auf den sich die Bevölkerung geflüchtet hatte, beschossen, bis er Feuer fing. Die Kirche nahm allerdings wenig Schaden, und der Turm wurde bis 1667 erneuert. Um das Jahr 1713 wurde der ungenutzte Westflügel des Klosters vom Landgrafen Karl von Hessen zu einem Jagdschloss umgebaut. Im Jahr 1722 erhielt der Kirchturm die heutige barocke Haube.
Im 19. Jahrhundert wurde der zwischen 1230 und 1240 geschaffene Taufstein wiederaufgefunden. Dieser reich mit szenischen Darstellungen und Figuren verzierte Stein war wohl im Laufe der Bilderstürmerei zur Zeit des Landgrafen Moritz aus der Kirche entfernt und im Kirchhof als Traufe oder Tränke eingegraben worden.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das sogenannte Jagdschloss im Westflügel des Klosters von dem völkischen Schriftsteller Hans Grimm erworben. In dieser Anlage wurden in den 1960er Jahren Mosaikreste und Säulen gefunden, die auf die ursprüngliche Anordnung des Kreuzganges schließen lassen.
Architektur
Die Klosterkirche ist eine langgestreckte Kreuzbasilika mit einer Hauptapsis und zwei Nebenapsiden. Von den beiden Türmen des Westbaus ist nur der südliche ausgeführt, der nördliche reicht nur bis zur Dachtraufe des Seitenschiffs, jedoch gibt es zwischen beiden eine Patronatsloge. Die domikalen Kreuzgratgewölbe des Mittelschiffs stehen zwar auf rundbogigen Gurtbögen, sind aber selber spitzbogig. Damit bilden sie die Synthese zweier Ansätze, mit denen man in der Entwicklung der romanischen Baukunst versuchte, das Problem des Seitenschubes klassischer Rundbogengewölbe in den Griff zu bekommen: In der Abtei Cluny baute man seit 1080 Spitzbogengewölbe, das Mittelschiff des Doms zu Speyer hat rundbogige Domikalgewölbe. Unter dem Chor gibt es eine dreischiffige Krypta mit „normalen“ Kreuzgratgewölben auf zierlichen Säulen.
Chroniken
Die Geschichtsschreibung des Klosters Lippoldsberg beruht vor allem auf drei wesentlichen Aufzeichnungen:
- Des Lippoldsberger „Chronikon“, welches im Jahr 1151 die Frühzeit des Klosters berichtet und welches vollständig erhalten ist.
- Der „Itterschen Turmknaufchronik“, welche vom Amtsvogt Conrad Itter 1722 verfasst wurde und bis 1437 zurückreicht. Ihren Namen trägt sie, weil sie im Turmknauf der Klosterkirche verwahrt wurde und die Jahrhunderte überstand.
- der Chronik, die im Jahr 1913 der Pfarrer Carl Emil Stock vor allem aus den Pfarrarchiven erstellte, und welche versucht, die Lücke von 1722 bis 1913 zu schließen.
Literatur
- Dieter Grossmann: Kirche und Kloster St. Georg, Lippoldsberg. Evang. Pfarramt Lippoldsberg 1961.
- Jochen Desel: Das Kloster Lippoldsberg und seine auswärtigen Besitzungen. Gutenberg, Melsungen 1967.
- Johann Josef Böker: Die ‚Lippoldsberger Bauschule‘: Zu Soziogenese und Rezeption einer Kirchenbauform des 12. Jahrhunderts. In: Franz J. Much (Hrsg.): Baukunst des Mittelalters in Europa. Hans Erich Kubach zum 75. Geburtstag. Gesellschaft für Kunst und Denkmalpflege, Stuttgart 1988, S. 123–140.
- Thorsten Quest, Uta Schäfer-Richter: Dorfleben. Die Geschichte der Dörfer Lippoldsberg und Vernawahlshausen. Herausgegeben von der Gemeinde Wahlsburg. Verlag Die Werkstatt GmbH, Göttingen, 1989.
Weblinks
- Literatur von und über Kloster Lippoldsberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Benediktinerinnenkloster Lippoldsberg, Gemeinde Wesertal, in: Klöster (LAGIS)
- Kunsthistorische Einordnung der Klosterkirche Informationen über die Kirche des ehemaligen Klosters in Lippoldsberg.